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Tauglichkeit für den Polizeivollzugsdienst / frühere Verletzung der Achillessehne

Auch in dieer Entscheidung geht es um die PDV 300 und den rechtmäßigen Umgang mit Fragen der Eignung, beginnend bei Randnummer 25.

Verwaltungsgericht Schleswig, Beschluss vom 21.02.18 - 12 B 17/18 -

Tenor
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, das laufende Bewerbungsverfahrens um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei zum 01.03.2018 unter Berücksichtigung des Antragstellers und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts fortzuführen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens zu 4/5, der Antragssteller zu 1/5.
Der Streitwert wird auf 17.904,84 € festgesetzt.

Gründe
I.
1
Der Antragsteller begehrt die Fortführung des laufenden Bewerbungsverfahrens mit dem Ziel seiner Einstellung in den Vorbereitungsdienst des mittleren Polizeivollzugsdienstes der Bundespolizei.
2
Der Antragsteller bewarb sich im Jahre 2017 um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei mit Beginn zum 01.03.2018. Er durchlief das Einstellungsverfahren erfolgreich und schnitt insbesondere im Sporttest als Gesamttagesbester ab.
3
Im Rahmen der polizeiärztlichen Auswahluntersuchung informierte er über eine Ende 2016 nach einem Sportunfall erforderlich gewordene Operation der linken Achillessehne.
4
Mit Schreiben vom 20.09.17 unterrichtete der polizeiärztlichen Dienst den Antragsteller darüber, dass keine Polizeidienst­tauglichkeit bestehe und begründete dies unter Bezugnahme auf die Polizeidienstvorschrift 300 mit dem erlittenen Achillessehnenriss.
5
Mit Bescheid vom 27.09.17 teilte die Antragsgegnerin ihm daraufhin mit, dass eine Einstellung abgelehnt werde, da er als polizeidienstuntauglich anzusehen sei. Sie verwies dabei abermals auf die bundeseinheitliche Polizeidienstvorschrift 300 als verbindlicher Grundlage.
6
Mit Schreiben vom 20.10.17 legte der Antragsteller Widerspruch gegen die Ablehnung der Einstellung ein und verwies dabei insbesondere auf eine ärztliche Stellungnahme seines behandelnden Arztes hin, aus der sich ergebe, dass aus medizinischer Sicht eine dauerhaft uneingeschränkte Belastung und Sportfähigkeit gegeben sei und das Risiko einer späteren Ruptur oder chronischen Reizsituation gegenüber einer nicht verletzten Sehne nicht erhöht sei.
7
Auf wiederholte Nachfrage teilte die Antragsgegnerin mit, dass eine vorläufige Einstellung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache abgelehnt und an dem Bescheid vom 27.09.17 festgehalten werde.
8
Mit Schreiben vom 06.02.18 hat der Antragsteller um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Er verweist zur Begründung darauf, dass er einen Anspruch auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung habe. Die Stellungnahme des Polizeiarztes vom 24.09.17 sei fehlerhaft und biete keine tragfähige Grundlage für die nötige Prognose­entscheidung über seine Polizeidiensttauglichkeit. Nötig seien tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme, dass mit über­wiegender Wahrscheinlichkeit vor Erreichung der gesetzlichen Altersgrenze Dienstunfähigkeit eintreten werde oder er bis zur Pensionierung über Jahre hinweg regelmäßig krankheitsbedingt ausfallen und deshalb eine erheblich geringere Lebens­dienst­zeit aufweisen werde.
9
Ausweislich der Stellungnahme seines Arztes sei insoweit mit keiner neuen Ausfallzeit aufgrund seiner Verletzung aus dem Jahre 2016 zu rechnen. Es bestehe aus medizinischer Sicht eine dauerhaft uneingeschränkte Belastung und Sportfähigkeit. Indem der polizeiärztliche Dienst pauschal auf die zurückliegende Operation abgestellt habe, ohne seinen Gesundheits­zu­stand insoweit konkret zu untersuchen, liege zudem ein Begründungsmangel hinsichtlich der Feststellung der Polizeidienst­untauglichkeit vor. Auch im online veröffentlichten Informationsblatt des polizeiärztlichen Dienstes über die polizeiärztlichen Untersuchung werde eine Ruptur der Achillessehne nicht unter den Ausschlussgründen aufgeführt. Soweit dort voraus­gesetzt werde, dass keine Funktionsbehinderung oder Bewegungseinschränkung vorliegen dürfe, die das Laufen, Stehen, Sitzen oder Schreiben beeinflusse, sei dies ausweislich der Stellungnahme seines Arztes gerade der Fall. Vielmehr unterscheide er sich nach erfolgreicher sehr kurzer Behandlung seiner Verletzung aktuell nicht von anderen Bewerbern.
10
Der Antragsteller beantragt,
der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO aufzugeben, ihn vorläufig unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum 01.03.18 in den mittleren Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei einzustellen, bis im Hauptsacheverfahren eine bestandskräftige Entscheidung vorliegt.
12
Hilfsweise beantragt er,
der Antragsgegnerin unter Aufhebung des Bescheides der Bundespolizeiakademie von 27.09.17 im Wege der einstweilligen Anordnung aufzugeben, ihr laufendes Bewerbungsverfahrens um die Einstellung in den mittleren Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei im Jahr 2018 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts fortzuführen.
14
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
16
Sie weist zunächst darauf hin, dass ein Anspruch auf Einstellung grundsätzlich nicht bestehe, sondern lediglich ein Anspruch auf fehlerfreie Auswahlentscheidung. Vorliegend sei diese in nicht zu beanstandender Weise erfolgt. Insbesondere sei die Feststellung der Polizeidienstuntauglichkeit fehlerfrei erfolgt, da es nach Auskunft des polizeiärztlichen Dienstes nicht zu erwarten sei, dass der Antragsteller mit Blick auf seine operativ behandelte Achillessehnenruptur den erhöhten besonderen Anforderungen an den Polizeivollzugsdienst gewachsen sein werde. Nur ein Drittel der Betroffenen seien später beschwerdefrei und auch unter günstigsten Umständen würden lediglich 90 % der vollen Belastbarkeit erreicht. Die Ablehnung der Polizeidienstuntauglichkeit sei auch nicht allein pauschal aufgrund der PDV 300, Ziffer 4.6.3, sondern aufgrund einer körperlichen Untersuchung erfolgt.
17
...

II.
18
Der Antrag ist zulässig und begründet.
19
...
20
Der Antragsteller kann sich angesichts des Einstellungstermins zum 01.03.18 und einer zeitnah nicht erreichbaren Hauptsacheentscheidung auf Eilbedürftigkeit und damit einen Anordnungsgrund berufen.
21
Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Glaubhaft gemacht ist insofern allerdings nicht der mit dem Hauptantrag verfolgte Anspruch auf vorläufige Einstellung, sondern nur der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf weitere Beteiligung des Antragstellers im Bewerbungsverfahren. Art. 33 Abs. 2 GG gewährt zwar jedem Deutschen ein Recht auf Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Allerdings erwächst aus dieser Bestimmung regelmäßig kein unmittelbarer Anspruch auf Einstellung. Vor diesem Hintergrund konnte der Hauptantrag keinen Erfolg haben.
22
Ein Anspruch besteht grundsätzlich nur darauf, dass der Dienstherr über eine Bewerbung ermessens- und beurteilungs­fehlerfrei entscheidet. Dieser Anspruch des Antragstellers gegenüber dem Antragsgegner auf Fortführung des Einstellungs­verfahrens ergibt sich aus Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. § 9 BeamtStG. Aus dem aus diesen Normen herzuleitenden Bewerbungs­verfahrensanspruch folgt gerade auch ein verfahrensrechtlicher Anspruch auf eine sachgerechte Auswahl der Bewerber nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Ein auf diesen Bewerbungsverfahrensanspruch gestützter gerichtlicher Eilantrag hat dann Erfolg, wenn Fehler bei der Auswahlentscheidung des Dienstherrn festzustellen sind und der übergangene Bewerber glaubhaft machen kann, dass er möglicherweise bei einer fehlerfreien Auswahl zum Zuge gekommen wäre. Mit der Ablehnung der Polizeidiensttauglichkeit und der damit einhergehenden Nichtberücksichtigung des Antragstellers im weiteren Einstellungsverfahren hat die Antragsgegnerin vorliegend den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antrag­stellers verletzt, da sich die einzig auf die erlittene Achillessehnenverletzung gestützte und ohne konkrete Prognose im Einzelfall getroffene Feststellung der Polizeidiensttauglichkeit als fehlerhaft darstellt.
23
Der aus Art. 33 Abs. 2 GG folgende Bewerbungsverfahrensanspruch steht unter dem Vorbehalt der Eignung für das in Rede stehende öffentliche Amt. Bei einer Bewerbung ist neben der Leistung zu prüfen, ob der Bewerber die erforderliche körperliche und persönliche Eignung für das Amt mitbringt. Bei dieser Prüfung handelt es sich um einen Akt wertender Erkenntnis, der nur in eingeschränktem Maß gerichtlich überprüfbar ist. Das Gericht hat zu prüfen, ob der Dienstherr von einem zutreffendem Sachverhalt ausging, den gesetzlichen Rahmen einhielt, allgemein gültige Wertmaßstäbe zugrunde legte und keine sachfremden oder willkürlichen Überlegungen anstellte (vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 02.03.07 - 5 ME 252/06 -, juris, Rn. 18).
24
Dabei hat der Dienstherr zu prognostizieren, ob der Bewerber den Anforderungen gerecht werden wird, die der Polizeivollzugsdienst gemäß § 4 Abs. 1 der Verordnung über die Laufbahnen der Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten in der Bundespolizei (BPolLV) an Beamtinnen und Beamte stellt. Die auf dieser Grundlage zu treffende Entscheidung über eine Bewerbung um Einstellung in den Polizeivollzugsdienst liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn. Dessen ordnungsgemäße Ausübung setzt die vorherige Durchführung eines Eignungsauswahlverfahrens voraus, welches gemäß § 5 Abs. 1 und 3 BPolLV unter anderem der Feststellung der geistigen, gesundheitlichen und körperlichen Eignung dient.
25
Der Ausschluss des Zugangs zum Beamtenverhältnis aus gesundheitlichen Gründen ungeachtet der fachlichen Eignung stellt jedoch eine Einschränkung der durch Art. 33 Abs. 2 GG geschützten Zugangs­möglichkeit dar, die einer subjektiven Berufswahlschranke im Anwendungsbereich des Art. 12 Abs. 1 GG entspricht (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.12, - 3 C 26.11 -, NJW 2013, 1320 Rn. 15). Dabei geht das Bundesverwaltungs­gericht davon aus, dass die Feststellung der Polizeidienstuntauglichkeit bei langen, sich über Jahrzehnte erstreckenden, Prognoseentscheidungen nur dann rechtmäßig erfolgen kann, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze Dienstunfähigkeit eintreten wird (BVerwG, Urteil vom 25.07.13 – 2 C 12/11 –, juris Rn 16). Bei der Entscheidung, ob der Bewerber den festgelegten laufbahnbezogenen Voraussetzungen in gesundheitlicher Hinsicht genügt, steht dem Dienstherrn nach dieser bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung wegen Art. 19 Abs. 4, 33 Abs. 2 GG und § 9 BeamtStG kein Beurteilungsspielraum mehr zu (bestätigend: OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 30.07.14 – 2 LB 2/14 – Rn. 62; VG Würzburg, Beschluss vom 21.08.14 – W 1 E 14.733 – Rn. 18).
26
Die prognostische Beurteilung, ob der Bewerber den gesundheitlichen Anforderungen der jeweiligen Laufbahn voraussichtlich genügen wird, ist aufgrund einer fundierten medizinischen Tatsachenbasis zu treffen. Die gegenwärtig vorhandene gesundheitliche Eignung kann wegen künftiger Entwicklungen nur verneint werden, wenn durch tatsächliche Anhaltspunkte belegt werden kann, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vom Eintritt einer Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze auszugehen ist. Daher muss in aller Regel ein Mediziner eine fundierte medizinische Tatsachenbasis für die Prognose auf der Grundlage allgemeiner medizinischer Erkenntnisse und der gesundheitlichen Verfassung des Bewerbers erstellen. Er muss das Ausmaß der Einschränkungen feststellen und deren voraussichtliche Bedeutung für die Leistungsfähigkeit und für die Erfüllung der beruflichen Anforderungen medizinisch fundiert einschätzen (OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 30.07.14 – 2 LB 2/14 –, juris Rn. 57, 58). Auf dieser Grundlage hat er unter Ausschöpfung der vorhandenen Erkenntnisse zum Gesundheitszustand des Bewerbers eine Aussage über die voraussichtliche Entwicklung des Leistungsvermögens zu treffen, die den Dienstherrn in die Lage versetzt, die Rechtsfrage der gesundheitlichen Eignung eigenverantwortlich zu beantworten (BVerwG, Urteil vom 30.10.13 – 2 C 16.12 – juris, Rn. 31).
27
Vor diesem Hintergrund kann eine Polizeidienstuntauglichkeit des Antragstellers nicht allein und pauschal – wie hier geschehen – durch den Verweis auf die PDV 300 bzw. ohne konkrete Würdigung des Einzelfalls allein pauschal mit Verweis auf eine erlittene Achillessehnenruptur begründet werden. Die PDV 300 stellt eine den Begriff der Polizeidiensttauglichkeit konkretisierende Verwaltungsvorschrift dar, mit der die gleichmäßige Anwendung der gesundheitlichen Eignungsvoraussetzungen gewährleistet werden soll. Durch Erlass und Anwendung der PDV 300 hat der Dienstherr das ihm in Bezug auf die gesundheitlichen Eignungsvoraussetzungen eingeräumte Ermessen gebunden bzw. den diesbezüglich bestehenden Beurteilungsspielraum ausgefüllt, um sicherzustellen, dass die gesundheitliche Eignung der Bewerber nach einheitlichen Maßstäben beurteilt wird (VG Würzburg, Beschluss vom 21.08.14 – W 1 E 14.733 –, juris Rn. 23).
28
Die Einschätzung, der Antragsteller werde vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze dienstunfähig werden, beruht vorliegend ausschließlich und unterschiedslos auf der Annahme, dass Personen, die eine Achillessehnenruptur erlitten haben, unterschiedslos ein erhöhtes Risiko vorzeitiger Dienstunfähigkeit aufweisen. Zwar steht außer Frage, dass vergangene Verletzungen grundsätzlich das Risiko in sich tragen, dass erlittene körperliche Schäden sich im Rahmen der Dienstzeit nachteilig auswirken. Vorliegend hat der Antragsteller jedoch eine ärztliche Stellungnahme seines behandelnden Arztes vom 13.10.17 vorgelegt, der zufolge das Risiko einer erneuten Ruptur oder chronischen Reizsituation gegenüber einer nicht verletzten Sehne nicht erhöht sei. Es bestehe aus medizinischer Sicht eine dauerhaft uneingeschränkte Belastung und Sportfähigkeit. Demgegenüber geht aus der Unterrichtung über den Grund der Polizeidienstuntauglichkeit des polizeiärztlichen Dienstes vom 25.09.17 weder konkret noch individualisiert hervor, dass beim Antragsteller mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze Dienstunfähigkeit eintreten werde. Die darauf aufbauende ablehnende Entscheidung der Antragstellerin mit Bescheid vom 27.09.17 verweist sodann einzig auf die PDV 300, Ziffer 4.6.3, als verbindliche Grundlage ohne eine Prognose über die voraussichtliche körperliche Leistungsfähigkeit des Antragstellers über den Verlauf seiner Dienstzeit anzustellen.
29
Aus der beigezogenen Verwaltungsakte folgt vielmehr, dass die Antragsgegnerin den polizeiärztlichen Dienst erst im Widerspruchsverfahren mit Verweis auf die dargestellte neue Rechtsprechung um ergänzende Stellungnahme ersuchte. In der darauffolgenden Stellungnahme vom 05.02.18 stellt der polizeiärztliche Dienst dann abermals einzig auf die PDV 300, Ziffer 4.6.3, ab und führt ohne Würdigung des Einzelfalls aus, dass der Antragsteller wahrheitsgemäß eine Achillessehnenruptur angegeben hatte und sodann direkt für polizeidienstuntauglich befunden wurde. Im Verlauf der kurzen Stellungnahme ergänzt die zuständige Medizinaloberrätin, dass eine operierte und gut geheilte Achillessehne bei optimalem Verlauf bis zu 90 % der Belastbarkeit einer gesunden Sehne erreichen könne. Im Polizeivollzugsdienst seien jedoch immense Belastungen gegeben, unter anderem durch das stundenlange Tragen der bis zu 20 kg schweren Schutzausrüstung, langes Laufen und Stehen oder Springen von Erhöhungen. Damit begründet die zuständige Medizinaloberrätin jedoch abermals einzig eine abstrakte Besorgnis möglicher zukünftiger gesundheitlicher Beschwerden, ohne auf den Einzelfall angewandt darzustellen, warum in Person des Antragstellers eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für den Eintritt einer Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze bestehe. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine bis zu 90 % Belastbarkeit im Verhältnis seiner gesunden Sehne zu erwarten sei und der behandelnde Arzt eine vollständige Belastbarkeit bestätigt, wird die Begründung für die Polizeidienstuntauglich­keit dem dargestellten Maßstab der Rechtsprechung nicht gerecht.
30
Daran vermag auch die letzte Stellungnahme der Antragsgegnerin nichts zu ändern. Sofern diese darauf verweist, dass der Feststellung der Polizeidienstuntauglichkeit eine konkrete Untersuchung des Antragstellers durch den polizeiärztlichen Dienst vorausgegangen sei, so ergibt sich dies jedenfalls nicht aus den Stellungnahmen der zuständigen Medizinaloberrätin. Diese stellt in ihrer Stellungnahme vom 05.02.2018 einzig auf die wahrheitsgemäße Mitteilung der operierten Achillessehnenruptur ab und führt abstrakt aus, dass nur ein Drittel der Operationen einer Achillessehnenruptur später ohne Beschwerden sei und unter günstigsten Umständen maximal 90 % der Belastbarkeit einer gesunden Sehne erreichbar sei. Indem die Ärztin dann daraus den Schluss zieht, dass der Antragsteller der besonderen Belastung des Polizeivollzugsdienstes nicht gewachsen sei, genügt dies den Anforderungen an eine Prognoseentscheidung nicht. Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 25.07.13 – 2 C 12/11 –, juris Rn. 16) hat seine ehemalige Rechtsprechung, wonach der Eintritt der Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sein müsse, ausdrücklich aufgegeben, da dieser Maßstab geeignet war, Bewerber schon deshalb von dem Zugang zum Beamtenverhältnis auszuschließen, weil ihr gesundheitlicher Zustand vom Regelzustand abwich. Eine derart rein auf Typisierung und statistische Wahrscheinlichkeiten abstellende Prognoseentscheidung, die weder einem Gegenbeweis noch einer nachträglichen Korrektur zugänglich war (BVerwG, a.a.O, Rn. 17), genügt nunmehr jedoch nicht. So hat das Bundesverwaltungsgericht im konkreten Fall (BVerwG, a.a.O, Rn. 18) eines an Multipler Sklerose erkrankten Bewerbers entschieden, dass die Feststellung der gesundheitlichen Eignung ohne tatsächliche Feststellungen über dessen individuelle Situation nicht rechtmäßig erfolgt sei (BVerwG, a.a.O, Rn. 30). Im hiesigen Fall finden sich ebenfalls keine tatsächlichen individuellen Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller aufgrund seiner gut verheilten Operation und der positiven Prognose des ihn persönlich behandelnden Arztes, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze dienstunfähig werden wird. Stattdessen stützt sich die Prognoseentscheidung der Antragsgegnerin einzig auf eine pauschalierte Würdigung der Abweichung des Gesundheitszustandes des Antragstellers vom Regelzustand.
31
Der Antragsgegner hat nach alledem das Bewerbungsverfahren des Antragstellers fortzuführen und über dessen Polizeidiensttauglichkeit nach den vorgenannten Maßgaben neu zu entscheiden.
32
Die Kostentragungspflicht der Antragsgegnerin folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
33
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Verteilung der Kosten des Verfahrens auf 4/5 und 1/5 entspricht nach Auffassung der Kammer dem Maß des Obsiegens und des Unterliegens der Beteiligten.
34
Der Wert des Streitgegenstandes ist gem. §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Nr. 2 GKG in Verbindung mit Ziffer 1.5 des Streitwertekatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter Zugrundelegung des der Laufbahn des mittleren Polizeivollzugsdienstes zugewiesenen Endgrundgehalts von 2.984,14 € (Besoldungsgruppe A 7) auf die Hälfte des zu zahlenden Jahresbetrages festgesetzt worden, mithin 2.984,14 € x 12 / 2 = 17.904,84 €.


Wir möchten in diesem Zusammenhang auchdazu raten, den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 16.01.17 - 4 S 394/15 - heranzuziehen. Zwar geht es in dem Beschluss um eine sehr seltene Erkrankung, aber die Ausführungen des VGH sind von grundlegendem Wert, so weit es um die PDV 300 geht.
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