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Laktoseintoleranz und Untauglichkeit für den Polizeivollzugsdienst

OVG NRW, Beschluss vom 25.10.21 - 1 B 1511/21  -

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Die Beschwerde ist zulässig. Sie scheitert namentlich nicht an einem Wegfall des Rechtsschutzinteresses. Dieses ist nicht etwa deshalb entfallen, weil der ursprünglich angestrebte Einstellungstermin (1. September 2021) bereits verstrichen ist und, wie mit der Beschwerdeerwiderung vorgetragen wird, keine "Bewerbung um eine Einstellung zum 1. Dezember 2021" nebst Ablehnung vorliege. Die Bewerbung des Antragstellers kann nämlich bei lebensnaher Betrachtung nicht dahin verstanden werden, dass diese sich auch bei einer – hier eingetretenen – zeitlichen Verzögerung des Einstellungsverfahrens in jedem Fall mit Ablauf des 1.09.21 erledigen und nicht auch für den nachfolgenden nächstmöglichen Einstellungstermin gelten sollte. Das hat im Übrigen auch die Antragsgegnerin und dort sogar die Sachbearbeiterin, die später auch die Beschwerdeerwiderung gefertigt hat, zunächst im Ergebnis so gesehen und erklärt. In der Antragserwiderung vom 27.08.21 (Seite 2, vierter Absatz) heißt es unter Berücksichtigung des Nachrücktermins für die Einstellung zum 1.09.21 (24.09.21) nämlich noch: "Würde eine Stattgabe des Eilantrages erst nach dem 23.09.21 erfolgen, könnte der Antragsteller noch bis zum 1. Dezember 2021 eingestellt werden."
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Die Beschwerde ist aber unbegründet.
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Die ... Beschwerdegründe ... rechtfertigen es nicht, der Beschwerde unter teilweiser Abänderung der angefochtenen Entscheidung stattzugeben und dem im Beschwerdeverfahren heute nur noch verfolgten sinngemäßen Antrag des Antragstellers zu entsprechen,
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die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, über seine Einstellung in den mittleren Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei zum nächstmöglichen Einstellungstermin am 1. Dezember 2021 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
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Das Verwaltungsgericht hat – hier nur noch interessierend – den erstinstanzlich gestellten Hauptantrag, der auf vorläufige Einstellung des Antragstellers als (zu ernennender, § 5 Abs. 1 Satz 1 BPolLV) Beamter auf Widerruf gerichtet war, mit der folgenden Begründung abgelehnt: Der Antragsteller begehre mit seinem Hauptantrag eine zeitlich begrenzte Vorwegnahme der Hauptsache, deren Voraussetzungen indes nicht vollständig vorlägen. Zwar sei dem Antragsteller ein Abwarten des rechtskräftigen Abschlusses eines Hauptsacheverfahrens wegen des insoweit drohenden irreversiblen Zeitverlustes nicht zumutbar; es sei aber nicht glaubhaft gemacht, dass er in einem Hauptsacheverfahren voraussichtlich obsiegen werde. Ein unmittelbarer Anspruch auf Einstellung ergebe sich regelmäßig und auch vorliegend weder aus Art. 33 Abs. 2 GG noch aus den ihn konkretisierenden Normen des einfachen Rechts. Vielmehr gewähre Art. 33 Abs. 2 GG nur einen Anspruch darauf, dass über die Vergabe eines öffentlichen Amtes ermessens- und beurteilungsfehlerfrei entschieden werde (Bewerbungsverfahrensanspruch), weshalb eine Bewerbung nur aus Gründen abgelehnt werden dürfe, die von Art. 33 Abs. 2 GG gedeckt seien. Diesem Anspruch habe die Antragsgegnerin hier bereits entsprochen. Sie habe aller Voraussicht nach zu Recht entschieden, dass der – insoweit die materielle Beweislast tragende – Antragsteller gesundheitlich nicht geeignet sei, nämlich nicht sämtlichen körperlichen Anforderungen genüge, die ein Beamter erfüllen müsse, um die Ämter der Laufbahn des mittleren Polizeivollzugsdienstes in der Bundespolizei wahrnehmen zu können.
Für die Bundespolizei habe der Dienstherr die gesundheitlichen Anforderungen in der Polizeidienstvorschrift 300 "Ärztliche Beurteilung der Polizeidiensttauglichkeit und Polizeidienstfähigkeit" (PDV 300) im Einzelnen festgelegt. In dieser Verwaltungsvorschrift, die den Begriff der Polizeidiensttauglichkeit zulässigerweise interpretiere und konkretisiere, seien die auf Grund besonderer Sachkunde gewonnenen, auf die spezifischen Anforderungen des Polizeidienstes zugeschnittenen ärztlichen Erfahrungswerte zusammengefasst. Sie schließe die Polizeidiensttauglichkeit nach ihrer Merkmalnummer 10.1.1 u. a. bei chronischen Krankheiten der Verdauungsorgane aus. Zu diesen zähle auch die Laktoseintoleranz, die nach ICD-10-GM Version 2020, E73, zu den Stoffwechselkrankheiten/-Störungen gehöre. Die Antragsgegnerin habe auch nicht lediglich auf diese Regelung verwiesen, sondern eine auf den Antragsteller bezogene Einzelfallentscheidung getroffen. Sie habe sich hierbei auf das überzeugende Gutachten der Frau Dr. C. vom 12.08.21 stützen dürfen, das auf dem von dem Antragsteller vorgelegten Attest der Frau Dr. S.  vom 09.08.21 beruhe. Die gegen die Einschätzung der Antragsgegnerin gerichteten Einwände des Antragstellers seien nicht geeignet, die ernstlichen Zweifel an seiner uneingeschränkten dienstlichen Verwendbarkeit im mittleren Polizeivollzugsdienst auszuräumen. So habe die Antragsgegnerin zu Recht darauf hingewiesen, dass dieser Dienst u. a. die verpflichtende Teilnahme an einer Gemeinschaftsverpflegung mit sich bringen könne, die in seinem Fall mit einem gesundheitlichen und einsatztaktischen Risiko verbunden wäre, weil auch nicht typisch milchhaltige Nahrungsmittel vielfach Laktose (in nicht bekannter Menge) enthielten. Schon aus diesem Grund könne der Antragsteller einer gesundheitlichen Beeinträchtigung auch nicht wirksam mit einer (passenden) vorbeugenden oder reaktiven Einnahme von Medikamenten begegnen. Schließlich sei es gerade unter Einsatzbedingungen nicht immer möglich, zeitgerecht eine (unterstellt) bedarfsgerechte Medikation einzunehmen.
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Hiergegen wendet der Antragsteller im Kern das Folgende ein: Das Verwaltungsgericht habe fehlerhaft angenommen, die Antragsgegnerin habe ihre angegriffene Entscheidung auf das Gutachten der Frau Dr. C. stützen dürfen. Dieses Gutachten sei nämlich nicht hinreichend, weil es nach den polizeiärztlichen Feststellungen noch eines zusätzlichen H2-Atemtests bedurft hätte. Das ergebe sich aus dem polizeiärztlichen Vermerk auf dem Befundbericht der den Antragsteller behandelnden Frau Dr. S.     über die Blutzuckerwerte vom 15.06.21 ("Befundbericht? Glucose im S ist bei der Laktoseintoleranz nicht relevant – H2-Atemtest gemacht?"). Der Atemtest habe wegen der bestehenden Corona-Sonderregelungen nicht durchgeführt werden können. Die Diagnose "Laktoseintoleranz" habe daher auf der Auswertung des in Abständen von 30 Minuten fünfmal durchgeführten Blutzuckertests – eines standardmäßigen Testverfahrens – basiert, was bei der polizeiärztlichen Beurteilung überhaupt nicht berücksichtigt worden sei. Nicht plausibel sei ferner, dass Frau Dr. C. und die Ärztin L.  unter dem "12.08.2021" die Polizeidienstuntauglichkeit mit "Übermäßig reagierendes Immunsystem, z. B. Allergien, Autoimmunerkrankungen, hier: Laktoseintoleranz" begründet hätten. Die Laktoseintoleranz sei nämlich als Unverträglichkeit, hier: von Milchzucker, und nicht als Allergie einzuordnen. Die Bewertung, der Antragsteller sei wegen seiner nicht angeborenen Laktoseintoleranz polizeidienstunfähig, sei auch aus weiteren Gründen fehlerhaft. Sie lasse schon einen hinreichenden Bezug zu seinem Einzelfall vermissen. Dem Ärztlichen Attest der Frau Dr. S.  vom 09.08.21 sei zunächst zu entnehmen, dass bei dem Antragsteller keine körperliche Beeinträchtigung bestehe, solange er keine laktosehaltigen Milchprodukte zu sich nehme. Dass er trotz der bestehenden Unverträglichkeit uneingeschränkt dienstfähig sein werde, werde (zusätzlich) durch das nunmehr vorgelegte weitere Ärztliche Attest der Frau Dr. S.  vom 03.09.21 belegt. Danach habe auch die Gabe von 50 g Laktose, die dem über den Tag verteilten Konsum von einem Liter Milch entspreche, weder zu Bauchschmerzen noch zu Durchfall geführt. Das zeige, dass die Intensität bzw. das Ausmaß seiner Laktoseintoleranz so gering sei, dass er unbeeinträchtigt an der Gemeinschaftsverpflegung teilnehmen könne. Außerdem habe er nach der EU-Lebensmittelinformations-Verordnung einen Anspruch gegen die Antragsgegnerin, dass diese ihm bei der Gemeinschaftsverpflegung Nahrung anbiete, die mit dem Hinweis auf Milch bzw. Laktose gekennzeichnet sei.
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Aus dem Beschwerdevortrag ergibt sich nicht, dass der Antragsteller bezogen auf den Einstellungszeitpunkt des 1. Dezember 2021 für das angestrebte Amt gesundheitlich geeignet ist. Vielmehr greifen die mit der Beschwerde vorgebrachten Einwände des Antragstellers gegen die polizeiärztliche Befundung, er leide an einer Laktoseintoleranz (dazu 1.), die ihn bei Einnahme von Laktose gesundheitlich einschränke (dazu 2.), ersichtlich nicht durch. ...
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1. Ausgangspunkt war insoweit die Angabe des Antragstellers selbst zu seiner gesundheitlichen Vorgeschichte, er leide seit 2016/17 an Laktoseintoleranz. U. a. diese Angabe veranlasste die Polizeiärztin Frau Dr. C., ihre Beurteilung unter dem 01.06.21 auszusetzen und dem Antragsteller zur Absicherung mit Schreiben vom selben Tag neben Anderem aufzugeben, zur abschließenden Beurteilung seiner Polizeidiensttauglichkeit einen Befundbericht zur Laktoseintoleranz einzureichen. Daraufhin legte der Antragsteller ein Laborblatt der Frau Dr. S.  vom 15.06.21 vor. Danach waren am 14.06.21 zu nicht angegebenen (nach dem Vortrag im Schriftsatz vom 8. Oktober 2021 jeweils im halbstündigen Abstand zueinander stehenden) Zeitpunkten fünf Blutproben – die erste bei nüchternem Zustand, die weiteren nach einmaliger Gabe von 50 g Laktose – genommen worden, deren Analyse in den Normwert (60 bis 100 mg/dl) fallende Laborwerte ("Glucose Serum/Plasma") ergab (nüchtern 76 mg/dl; danach 73, 75, 73 bzw. 70 mg/dl). In der Annahme, dass dieses Laborblatt kein ausreichender Befundbericht sei, weil "Glucose im S" bei der Laktoseintoleranz nicht relevant sei und sich die Frage stelle, ob die Privatärztin bei dem Antragsteller einen H2-Atemtest durchgeführt habe, forderte die Polizeiärztin einen Befundbericht nach. Daraufhin legt der Antragsteller ein Ärztliches Attest der Frau Dr. S.  vom 09.08.21 vor, in dem es hieß:
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"Bei Herrn B. besteht eine Laktoseintoleranz. Solange er keine laktosehaltigen Milchprodukte zu sich nimmt, besteht keine körperliche Beeinträchtigung."
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Der polizeiärztlichen Verwertung dieser Angabe, die hinsichtlich des (unstreitigen) diagnostischen Ergebnisses ("besteht eine Laktoseintoleranz") eindeutig ist, steht ersichtlich nicht entgegen, dass die Polizeiärztin vor Eingang des Attestes angenommen hatte, ein Blutzucker-Test wie der bei dem Antragsteller im Juni 2021 durchgeführte, dem Attest zugrunde liegende Test sei für die Diagnose einer Laktoseintoleranz irrelevant und es bedürfe insoweit eines Atemtests. Zwar dürfte diese (ursprüngliche, nach Eingang des Attestes offensichtlich nicht mehr aufrecht erhaltene) Annahme fehlerhaft sein. Nach den von dem Antragsteller mit Schriftsatz vom 08. Oktober 2021 angeführten Ausführungen bei Wikipedia zu den Möglichkeiten der Diagnose einer Laktoseintoleranz (Stichwort "Laktoseintoleranz"; Aufruf der Seite am 25. Oktober 2021) ist der Blutzucker-Test nämlich ein mögliches Diagnoseverfahren. Angesichts dessen und des Ergebnisses des bei dem Antragsteller durchgeführten Blutzucker-Tests ist es aber objektiv betrachtet gerade nicht zu beanstanden, dass die Polizeiärztin ihrem Gutachten den nach dem Attest vom 09.08.21 gegebenen, aktuell wohl nur auf die Testung aus Juni 2021 gestützten Befund der Privatärztin zugrunde gelegt hat. Dieser Befund weist nämlich klar auf eine bei dem Antragsteller bestehende Laktoseintoleranz hin. Nach den Ausführungen bei Wikipedia löst die Gabe von 50 g Laktose normalerweise einen Anstieg des Blutzuckerwerts von über 20 mg/dl Glukose im venösen Blut oder sogar von 25 mg/dl im Kapillarblut aus; "pathologisch" (auf das Bestehen einer Laktoseintoleranz hinweisend) sei ein Anstieg von unter 10 mg/dl im venösen Blut. Dies leuchtet auch ein, weil ein Gleichbleiben oder nur geringfügiges Ansteigen des Blutzuckerspiegel belegt, dass der zuvor aufgenommene Milchzucker im Dünndarm nicht bzw. nur unzureichend gespalten und resorbiert werden kann. Ein solcher Fall liegt bei dem Antragsteller eindeutig vor, weil die nach Gabe von 50 Gramm Glukose gemessenen Blutzuckerwerte gegenüber dem im nüchternen Zustand gemessenen Ausgangswert überhaupt nicht angestiegen, sondern sogar geringfügig gesunken sind.
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2. Auch die einzelfallbezogene Einschätzung der Polizeiärztin, die bestehende Laktoseintoleranz führe bei dem Antragsteller bei Einnahme von Laktose zu gesundheitlichen Einschränkungen, wird durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet. Es ist daher auch nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragsteller, wie er meint, wegen einer nur leichten Laktoseintoleranz unbeeinträchtigt an der Gemeinschaftsverpflegung teilnehmen könnte.
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Mit der bereits zitierten Feststellung in dem Attest vom 09.08.21, es bestehe keine körperliche Beeinträchtigung bei dem Antragsteller, "solange" dieser keine laktosehaltigen Milchprodukte zu sich nehme, hat Frau Dr. S.  erkennbar zugleich die Aussage getroffen, der Konsum "laktosehaltiger Milchprodukte" führe bei dem Antragsteller zu körperlichen Beeinträchtigungen. Dem entspricht das erstinstanzliche Vorbringen des Antragstellers. Mit seinem Vortrag in der Antragsschrift vom 24.08.21, die Einnahme von Laktose-Tabletten habe sich in der Vergangenheit nicht auf seine Leistungsfähigkeit ausgewirkt, hat er nämlich die (gelegentliche) Notwendigkeit einer solchen Medikation eingeräumt. Im Übrigen kommt es zu einer– hier offenbar schon 2016/17 gestellten – Diagnose einer Laktoseintoleranz im Allgemeinen überhaupt nur dann, wenn sich zuvor eine entsprechende Symptomatik gezeigt hat,
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vgl. insoweit schon den Senatsbeschluss vom 28.08.20 – 1 B 1269/20 –, juris, Rn. 18,
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und wird eine sichere Diagnose einer Laktoseintoleranz neben einem positiven Testergebnis ohnehin zusätzlich erfordern, dass der Betroffene auch Beschwerden durch die Einnahme von Laktose entwickelt.
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Vgl. www.netdoktor.de, Stichwort "Laktoseintoleranz-Test", Artikel des Arztes Marian Grosser, aktualisiert am 10.06.21 (Aufruf der Seite am 26. Oktober 2021).
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Eine von der ärztlichen Aussage der Frau Dr. S.  in ihrem Attest vom 09.08.21 abweichende Bewertung ist nicht mit Blick auf das mit der Beschwerdebegründung vorgelegte weitere Ärztliche Attest dieser Ärztin vom 03.09.21 geboten. Mit diesem Attest wird nunmehr bescheinigt, dass der Antragstellers durch die bei ihm bestehende Laktoseintoleranz im Alltag nicht beeinträchtigt sei; auch bei einer Dosis von 50 g Laktose seien (im Juni 2021) weder Bauchschmerzen noch Durchfall aufgetreten. Diese Erklärungen der Frau Dr. S.  stehen in einem erkennbaren Widerspruch zu deren Aussage vom 09.08.21 und dem angeführten Vortrag des Antragstellers aus der Antragsbegründung. Diesen Widerspruch hat der Antragsteller im weiteren Beschwerdeverfahren nicht aufgelöst. Er hat insoweit allein vorgetragen, die Meinung der Antragsgegnerin, wonach dieses Attest eine gegenteilige Aussage enthalte, "werde nicht geteilt". Dieses Vorbringen ist substanzlos und schon deshalb ersichtlich nicht geeignet, den aufgezeigten Widerspruch aufzulösen. Die hier vorgenommene Bewertung würde sich im Übrigen auch dann nicht ändern, wenn ihr die nunmehr aufgestellte ärztliche Behauptung, nach der Gabe der Laktose am 14.06.21 seien keine Beschwerden der angeführten Art aufgetreten, zugrunde gelegt werden könnte. Die Ärztin würde nämlich, soweit es um das Auftreten der genannten Beschwerden am Untersuchungstag (in der Praxis oder auch erst nach Verlassen der Praxis)
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– dazu, dass durchfallartige Beschwerden auch erst Stunden später auftreten können, vgl. etwa Wikipedia, Stichwort "Laktoseintoleranz", Abschnitt "Diagnose": "innerhalb von einigen Stunden" –
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geht, nicht auf eigener Beobachtung beruhende Angaben machen, sondern nur– hier nicht glaubhaft gemachte – Behauptungen des Antragstellers wiedergeben können, der die Bedeutung etwaiger körperlicher Beeinträchtigungen durch die Laktoseintoleranz für seinen Einstellungswunsch an diesem Tag bereits kannte.
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3. Die polizeiärztliche Einschätzung, der Antragsteller sei polizeidienstuntauglich, wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Laktoseintoleranz nach dem in den Akten befindlichen Ärztlichen Urteil vom 12.08.21 (Beiakte Heft 2, Blatt 5) offenbar dem Gesichtspunkt "Übermäßig reagierendes Immunsystem, z. B. Allergien, Autoimmunerkrankungen" zugeordnet worden ist. Diese Zuordnung dürfte zwar fehlerhaft sein, weil die Laktoseintoleranz keine Allergie (im klassischen Sinne) darstellt, bei der das Immunsystem einen für den Körper eigentlich harmlosen Stoff bekämpft und allergische Symptome entstehen, sondern eine Nahrungsmittelunverträglichkeit ist, die auf der unzureichenden oder gänzlich fehlenden Fähigkeit zur Verdauung von Milchzucker beruht. Sie ändert aber nichts daran, dass die hier gegebene Laktoseintoleranz den Antragsteller als Nahrungsmittelunverträglichkeit gesundheitlich beeinträchtigt (s. o.) und darüber hinaus Krankheitswert hat, nämlich in ICD-10-GM Version 2021 unter E73 gelistet ist und damit zu den Stoffwechselstörungen (E70 bis E90) gehört.
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Vgl. zu Letzterem schon den Senatsbeschluss vom 28.08.20 – 1 B 1269/20 –, juris, Rn. 18.
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Es ist schließlich auch nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragsteller, wie er meint, nach der EU-Lebensmittelinformations-Verordnung einen Anspruch gegen die Antragsgegnerin darauf hat, dass diese ihm bei der Gemeinschaftsverpflegung (und gar in Einsatzlagen) Nahrung anbietet, die mit dem Hinweis auf in ihr enthaltene Milch bzw. Laktose gekennzeichnet ist, so dass er hierauf entsprechend (durch Verzicht oder vorsorgliche Einnahme von Laktose-Tabletten) reagieren und so seine jederzeitige Einsatzfähigkeit sicherstellen kann.
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Dieses Vorbringen verkennt zunächst schon, dass die mit ihm angesprochene Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel, ABl. L 304 vom 22.11.11, S. 18 bis 63 (im Folgenden: Lebensmittel-Informationsverordnung, LMIV) als Verantwortlichen den in der Union niedergelassene Lebensmittelunternehmer bzw. den Importeur, der das Lebensmittel in die Union einführt (Art. 8 Abs. 1 LMIV), benennt. Der Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung (vgl. auch dessen Erwähnung in Art. 1 Abs. 3 Satz 2 LMIV) ist daher schon dann nicht Verantwortlicher im Sinne der Verordnung, wenn er (ausnahmsweise) nicht zubereitete Mahlzeiten, sondern abgepackte Lebensmittel als Gemeinschaftsverpflegung ausgeben sollte.
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Unabhängig davon würde es die nach der Verordnung gebotene (und ggf. von der Antragsgegnerin "weitergereichte") Information dem Antragsteller auch nicht ermöglichen, seine jederzeitige Einsatzfähigkeit eigenverantwortlich sicherzustellen. Zwar besteht nach gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. c) LMIV i. V. m. Anhang II Nr. 7 LMIV nach Maßgabe der Art. 10 bis 35 LMIV und vorbehaltlich der in Kapitel IV LMIV vorgesehenen Ausnahmen die Pflicht zur Angabe, dass "Milch und daraus gewonnene Erzeugnisse (einschließlich Laktose)" bei der Herstellung oder Zubereitung eines Lebensmittels verwendet werden und – gegebenenfalls in veränderter Form – im Enderzeugnis vorhanden sind. Der Verantwortliche muss dabei aber nicht die Menge der in dem Lebensmittel enthaltenen Laktose angeben, sondern nur kennzeichnen, dass in dem Lebensmittel überhaupt Laktose enthalten ist (vgl. Art. 21 LMIV und die bei Laktose als Zutat oder Verarbeitungshilfsstoff nicht einschlägige Norm des Art. 22 LMIV).
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Vgl. insoweit auch die Antwort der Bundesregierung vom 04.09.19 auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Detlev Spangenberg, Dr. Axel Gehrke, Dr. Robby Schlund, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/12579 – zu Maßnahmen der Bundesregierung zur Verbesserung des Schutzes von Verbrauchern wegen Unverträglichkeiten von Nahrungsmitteln, insbesondere Laktose- und Fruktoseintoleranz, BT-Drs. 19/12997, S. 2.
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Vor diesem Hintergrund könnte der Antragsteller die Dosis an Laktose, die er mit der Einnahme der ausgegebenen laktosehaltigen Mahlzeit zu sich nehmen würde, nicht kennen und wäre dementsprechend gehindert, eine vorbeugende Medikation bedarfsgerecht vorzunehmen. Der Verzicht auf die ausgegebene laktosehaltige Mahlzeit wäre gerade im Einsatzfall ebenfalls keine Option, die Einsatzfähigkeit zu erhalten bzw. sicherzustellen, weil dem Antragsteller in einem solchen Fall die vom Dienstherrn als notwendig erachtete Ernährung fehlen würde. Auch die Möglichkeit einer reaktiven Einnahme eines geeigneten Präparats könnte die vorliegende Bewertung nicht ändern, weil die Einsatzfähigkeit in einem solchen Fall schon durch das Auftreten von Symptomen beeinträchtigt worden wäre.
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Vgl. insoweit schon den Senatsbeschluss vom 28.08.20 – 1 B 1269/20 –, juris, Rn. 26.
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Außerdem bestünde auch insoweit das Problem, dass der Antragsteller die eingenommene Menge an Laktose nicht kennen könnte, was wiederum die Einnahme einer bedarfsgerechten Medikation ausschlösse. Schließlich würde der Antragsteller gerade unter Einsatzbedingungen – etwa solchen wie bei dem 2017 durchgeführten G 20-Gipfel in Hamburg – nicht immer sicherstellen können, dass er sich zeitgerecht eine (unterstellt) bedarfsgerechte Medikation verabreicht.
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Vgl. insoweit schon den Senatsbeschluss vom 28.08.20 – 1 B 1269/20 –, juris, Rn. 24 f., m. w. N.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 40, 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 (angestrebte Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf, §§ 2 BPolBG, 6 Abs. 4 BBG), Satz 2 und 3 GKG. Auszugehen ist nach § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 GKG von dem hälftigen Jahresbetrag der Bezüge, die dem Antragsteller nach Maßgabe des im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung (10.09.21) für Bundesbeamte geltenden und bereits bekanntgemachten Besoldungsrechts für das angestrebte Amt im Kalenderjahr 2021 zu zahlen sind. Nicht zu berücksichtigen sind dabei die nach § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 und Satz 3 GKG ausgenommenen Besoldungsbestandteile. In die Berechnung des nach diesen Maßgaben zu bestimmenden hälftigen Jahresbetrages einzustellen ist hier mithin allein der einem Beamten auf Widerruf monatlich zu gewährende Anwärtergrundbetrag (vgl. §§ 59 Abs. 2 Satz 1, 61 BBesG). Dieser beläuft sich wegen des hier angestrebten Status eines Anwärters im mittleren Dienst nach § 61 BBesG i. V. m. Anlage VIII BBesG für die Zeit von Januar bis März 2021 auf 3.806,97 Euro (3 x 1.268,99 Euro) und für den Rest des Jahres auf 11.557,98 Euro (9 x 1.284,22 Euro), bezogen auf das gesamte Jahr also auf 15.364,95 Euro, was bei Halbierung dieses Betrages abgerundet auf den festgesetzten Streitwert von 7.682,47 Euro führt. Von einer Reduzierung dieses Wertes mit Blick auf die Vorläufigkeit der angestrebten Regelung sieht der Senat ab, weil der Antragsteller faktisch eine Vorwegnahme der Hauptsache begehrt.
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Dieser Beschluss ist hinsichtlich der Streitwertfestsetzung gemäß §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG und im Übrigen nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
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