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Asthma und Untauglichkeit für den Polizeivollzugsdienst

OVG NRW, Beschluss vom 10.11.21 - 1 E 869/20 -

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
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Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, dem Kläger für die Durchführung des Klageverfahrens Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
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Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO voraus, dass die Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht oder nur eingeschränkt aufbringen kann und dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
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Unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers bietet die Klage als beabsichtigte Rechtsverfolgung jedenfalls keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
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 Nach Aktenlage ist davon auszugehen, dass die Ablehnung der Einstellung des Klägers mit Bescheid vom 13. Februar 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 2020 rechtmäßig ist und diesen nicht in seinen Rechten beeinträchtigt. Die Beklagte ist aller Voraussicht nach rechtsfehlerfrei zu der Annahme gelangt, dass der Kläger für das angestrebte Amt gesundheitlich ungeeignet ist.
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Die Entscheidung über die Einstellung eines Bewerbers für den mittleren Bundespolizeivollzugsdienst als Beamter auf Widerruf in den Vorbereitungsdienst (vgl. §§ 3 bis 6 BPolLV) ist als laufbahnrechtliche Entscheidung gemäß §§ 1 BPolLV, 3 BLV in der Fassung vom 12. Februar 2009 u.a. nach dessen Eignung unter Berücksichtigung der §§ 9 BBG, 9 BGleiG zu treffen.
Das bedeutet mit Blick auf die angestrebte Verwendung im Polizeivollzugsdienst, dass der Bewerber den besonderen gesundheitlichen Anforderungen für den Polizeivollzugsdienst (vgl. insoweit auch die Regelung über die Polizeidienstunfähigkeit in § 4 Abs. 1 BPolBG) genügen, also polizeidiensttauglich sein muss.
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Der Begriff der Polizeidiensttauglichkeit wird maßgeblich konkretisiert durch die Polizeidienstvorschrift „Ärztliche Begutachtung der Polizeidiensttauglichkeit und der Polizeidienstfähigkeit“ – PDV 300 –. Diese PDV fasst die aufgrund besonderer Sachkunde gewonnenen, die spezifischen Anforderungen des Polizeivollzugsdienstes berücksichtigenden (ärztlichen) Erfahrungssätze zusammen.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. November 2013 – 6 B 1226/13 –, juris, Rn. 5.
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Es obliegt zunächst dem Dienstherrn, die körperlichen Anforderungen der jeweiligen Laufbahn zu bestimmen. Hierbei steht ihm ein weiter Einschätzungsspielraum zu, bei dessen Wahrnehmung er sich am typischen Aufgabenbereich der Ämter der Laufbahn zu orientieren hat.
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BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 – 2 C 12.11 –, juris, Rn. 12.
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Nach Ziffer 2.3.3 der PDV 300 ist ein Bewerber als polizeidienstuntauglich zu beurteilen, wenn ein oder mehrere die Polizeidiensttauglichkeit ausschließende Merkmale festgestellt werden, die in der Anlage 1 der PDV 300 unter einer Merkmalnummer aufgeführt sind. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte damit die Grenzen dieses Einschätzungsspielraums überschritten hat.
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Auch die prognostische, auf der Grundlage dieser Regelungen der PDV 300 ergangene Entscheidung der Beklagten, den Kläger als polizeidienstuntauglich einzustufen, dürfte nicht zu beanstanden sein.
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Unstreitig leidet der Kläger an einem Asthma bronchiale. Diese Erkrankung zählt zu den unter Ziffer 9.2.2. der der Anlage 1 der PVD 300 (Ausgabe 2020) aufgeführten chronischen oder rezidivierenden Krankheiten der Atmungsorgane, die die Polizeidiensttauglichkeit grundsätzlich ausschließen.
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Auf der Basis der der polizeiärztlichen Feststellungen kann auch nicht festgestellt werden, dass der – insoweit beweisbelastete – Kläger derzeit polizeidiensttauglich ist, also zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder Stellung einsetzbar ist, die seinem statusrechtlichen Amt entspricht.
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Vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 6. November 2014 – 2 B 97.13 –, juris, Rn. 10, und OVG NRW, Beschluss vom 13. September 2012 – 1 A 644/12 –, juris, Rn. 13 f., m. w. N.
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Nach der Stellungnahme des Polizeiärztlichen Dienstes vom 28. April 2020 war die durchgeführte inhalative Provokation mit Methacholin durch Dr. T.  beim Kläger im Sinne einer bronchialen Hyperreagibilität auffällig. Bereits bei einer geringen Dosis des Reizstoffs sei es zu Atemnot gekommen. Dies führe zur Polizeidienstuntauglichkeit. Polizeivollzugsbeamte seien in der Wahrnehmung ihrer Aufgaben einer Vielzahl von inhalativen Reizstoffen ausgesetzt (Rauchentwicklung bei Blockaden, Aerosolbelastung z. B. auf dem Flughafenvorfeld, Reizgase umgesetzter Pyrotechnik). Bei einem hyperreagiblen Bronchialsystem bestehe jederzeit die Gefahr, getriggert durch Umgebungsfaktoren, eine starke Verengung der Bronchien und damit einen Asthmaanfall zu erleiden. Dies berge unkalkulierbare Risiken sowohl für den Betroffenen als auch für den mit ihm eingesetzten Beamten.
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Der Kläger wendet hiergegen pauschal ein, die polizeiärztliche Beurteilung, dass das Asthma bronchiale seiner Polizeidiensttauglichkeit entgegenstehe, entspreche nicht mehr dem aktuellen Stand der Wissenschaft. Diese Behauptung stellt jedoch die auf den konkreten Fall des Klägers bezogene Einschätzung der Polizeiärztin, dieser sei aufgrund der bronchialen Hyperreagibilität polizeidienstuntauglich, nicht in Frage. Diese Einschätzung ist nämlich ohne weiteres nachvollziehbar und einleuchtend. Es trifft offenkundig sowohl zu, dass Polizeivollzugsbeamte in einer Vielzahl von Situationen verschiedenen Reizstoffen ausgesetzt sind, als auch, dass diese selbst unter solchen Umständen jederzeit einsatzbereit sein müssen. Dass der Kläger wegen der in einer derartigen Situation ständig gegebenen Gefahr, einen Asthmaanfall zu erleiden, voraussichtlich nicht jederzeit einsatzbereit sein wird, hat die Polizeiärztin nicht nur überzeugend dargelegt, sondern wurde durch die inhalative Provokation auch belegt.
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Die Einschätzung der behandelnden Ärzte des Klägers, er sei polizeidiensttauglich, stellt diese Beurteilung nicht in Frage. Der medizinischen Bewertung durch einen Polizeiarzt kommt besonderes Gewicht zu. Der Polizeiarzt hat besonderen Sachverstand, der einerseits auf der Kenntnis der Belange der öffentlichen Verwaltung sowie der gesundheitlichen Anforderungen, die an einen Beamten der jeweiligen Laufbahn gestellt werden, andererseits auf der Erfahrung aus einer Vielzahl von gleich- oder ähnlich gelagerten Fällen beruht.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2001 – 1 DB 8.01 –, juris, Rn. 12; Bay. VGH, Beschluss vom 30. Juli 2019 – 6 ZB 19.538 –, juris, Rn. 16.
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Der Kläger dringt auch nicht mit seinem Argument durch, im Bedarfsfall bestehe die Möglichkeit, ein Inhalativum einzunehmen. Es drängt sich nicht auf, dass und wie unter Einsatzbedingungen immer sichergestellt werden kann, dass der Kläger rechtzeitig ein entsprechendes Medikament einsetzen kann. Zudem lässt der Kläger außer Acht, dass seine Einsatzfähigkeit auch im Fall einer nur kurzen Atemnot bereits reduziert oder gänzlich aufgehoben sein kann. Dies kann zu Gefahren sowohl für ihn als auch für die übrigen mit ihm eingesetzten Beamten führen.
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Soweit der Kläger sich auf Umstände bezieht, die auf eine aktuell gute körperliche Leistungsfähigkeit schließen lassen, sind diese schon deswegen nicht geeignet, die Annahme der Polizeidienstuntauglichkeit in Zweifel zu ziehen, weil das Abstellen (allein) auf die derzeitige gesundheitliche Verfassung mit Blick auf die hier maßgebliche, eine Langzeitprognose verlangende Polizeidiensttauglichkeit zu kurz greift.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. November 2013 – 6 B 1226/13 –, juris, Rn. 8.
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Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht in dem in Bezug genommenen Beschluss vom 10. August 2020 in dem Verfahren 15 L 1083/20 bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass die gesundheitlichen Anforderungen des Polizeivollzugsdienstes nicht mit den sportlichen Aktivitäten des Klägers vergleichbar sind.
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