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Laufendes Ermittlungsverfahren - genügend für Ablehnung?

Wir würden Sie gerne mit einer recht differenzierten Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin vom 15.07.15 vertraut machen. Denn die recht aktuelle Entscheidung kann all denjenigen, die sich in ähnlicher Lage befinden, und vielleicht auch ihren Anwälten unter Umständen hilfreich sein.
Allerdings sollte nicht die Besonderheit des Falles übersehen werden, dass sich der Dienstherr selbst ein gewisses, in allen Fällen angewandtes Prüfschema vorgegeben hatte. Es ist also sorgfältig zu sondieren, in wie weit sich die Entscheidung darauf bezieht bzw. welche Überlegungen auf andere Fälle übertragen werden können.

VG Berlin, Beschluss vom 15.07.15 - 7 L 459.15

Der Antragsgegner wird im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, über die Bewerbung des Antragstellers zur Einstellung in den Vorbereitungsdienst für den gehobenen Polizeivollzugsdienst zum Einstellungstermin  01.10.15 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts unverzüglich erneut zu entscheiden. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.895,98 € festgesetzt.


Gründe
1
Der ... Antrag, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragsteller unter Wahrung seines Ranglistenplatzes aus dem PC-gestützten Auswahltest vorläufig zum weiteren Bewerbungsverfahren für die Einstellung in den gehobenen Dienst der Schutzpolizei des Landes Berlin zum  01.10.15 zuzulassen, ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
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Das Gericht trifft gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO eine einstweilige Anordnung, wenn – wie hier – glaubhaft gemacht ist, dass die Gefahr besteht, durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes könnte die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers (Anordnungsanspruch – dazu unter 1) vereitelt oder wesentlich erschwert (Anordnungsgrund – dazu unter 2) werden. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
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1. Einen Anordnungsanspruch hat der Antragsteller lediglich insoweit hinreichend glaubhaft gemacht, als er Anspruch auf erneute ermessensfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung hat.
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Ein sicherungsfähiger Anspruch auf eine erneute beurteilungs- und ermessensfehlerfreie Entscheidung kann auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren bestehen, soweit er zur Wahrung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes – GG –) erforderlich ist. Der Antragsteller hat in diesem Umfang einen Anordnungsanspruch auf unverzügliche erneute Entscheidung über seine Bewerbung im Auswahlverfahren zur Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst glaubhaft gemacht. Die mit Bescheiden des Polizeipräsidenten in Berlin ausgesprochene, auf eine fehlende charakterliche Eignung gestützte Ablehnung der Bewerbung des Antragstellers ist rechtswidrig.
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Weder Art. 33 Abs. 2 GG noch die zu seiner Konkretisierung ergangenen beamtenrechtlichen Vorschriften gewähren einen Rechtsanspruch auf Begründung eines Beamtenverhältnisses. Die Vorschriften gewähren nur das Recht, sich zu bewerben, und den Anspruch auf eine beurteilungsfehlerfreie Entscheidung unter Beachtung der in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Kriterien, wozu auch die charakterliche Eignung eines Bewerbers um ein öffentliches Amt gehört.
In Übereinstimmung hiermit präzisiert § 18 Nr. 4 der Verordnung über die Laufbahnen der Beamtinnen und Beamten des Polizeivollzugsdienstes – Schutzpolizei, Kriminalpolizei, Gewerbeaußendienst – vom 18.12.12 (GVBl. S. 532) – Pol-LVO –, dass (nur) eingestellt werden darf, wer nach dem Ergebnis eines Eignungsverfahrens unter anderem nach seiner Persönlichkeit für die Laufbahn geeignet ist. Die vom Dienstherrn insoweit zu treffenden Entscheidung ist ein Akt wertender Erkenntnis, der vom Gericht nur beschränkt darauf zu überprüfen ist, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff verkannt, der Beurteilung einen unrichtigen Tatbestand zu Grunde gelegt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt hat. Soweit der Dienstherr zur Ausfüllung seines insoweit bestehenden Beurteilungsspielraums in Verwaltungsvorschriften Beurteilungsvorgaben macht, unterliegt der gerichtlichen Überprüfung auch, ob diese Vorgaben im Einzelfall beurteilungsfehlerfrei angewendet worden sind (vgl. VG Berlin, Urteil vom 21.08.13 – VG 26 K 305.13 –).
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Gerichtlich ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner für den Polizeivollzugsdienst besonders hohe Anforderungen an die charakterliche Stabilität stellt. Die Verhinderung sowie Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten gehört zu den Kernaufgaben des Polizeivollzugsdienstes. Eigene Verstöße in diesem Bereich sind grundsätzlich geeignet, Zweifel an der persönlichen Eignung des Bewerbers zu begründen. Dies umfasst auch Verstöße, die nicht zu einer Verurteilung geführt haben, sondern bei denen das Ermittlungsverfahren eingestellt worden ist. Allerdings kann die charakterliche Eignung unter diesem Gesichtspunkt in einem Klageverfahren regelmäßig nur dann verneint werden, wenn die vorliegenden Erkenntnisse den Schluss auf eine Verfehlung rechtfertigen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18.05.15 – OVG 4 S 10.15 –). Dem entspricht es, dass in einem Eilverfahren die vorläufige Zulassung zum Vorbereitungsdienst nur dann angeordnet werden kann, wenn für die vom Antragsgegner geltend gemachten Zweifel an der charakterlichen Eignung in tatsächlicher Hinsicht keine greifbaren Anhaltspunkte im Sinne eines berechtigten Verdachts der Begehung einer Straftat bestehen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O., S. 4). Darüber hinaus kann ein Anordnungsanspruch, der lediglich auf Neubescheidung gerichtet ist, schon dann bestehen, wenn die Ablehnungs­entscheidung beurteilungsfehlerhaft ergangen ist und eine Auswahl des Antragstellers bei Neuentscheidung zumindest möglich erscheint. Denn in dieser Konstellation müsste der Bewerber zumindest mit dem Neubescheidungs­begehren in der Hauptsache obsiegen. Droht der Hauptsacheanspruch aufgrund der Dauer des Hauptsachverfahrens unterzugehen, muss effektiver Rechtsschutz insoweit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren möglich sein. So liegt es hier.
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Der Antragsgegner bedient sich in ständiger, auf alle Bewerber angewandter gleichmäßiger Verwaltungspraxis (vgl. hierzu u.a. VG Berlin, Beschluss vom 27.02.15 – VG 7 L 151.15 - und Urteil vom 21.08.13, a.a.O.) eines internen Prüfungsschemas, um die charakterliche Eignung der Bewerber in Fällen strafrechtlicher Ermittlungsverfahren zu bewerten. Dieses Schema sieht bei Einstellungen auf der Grundlage des § 170 Abs. 2 StPO eine Prüfung vor, ob besondere Ablehnungsgründe vorliegen. Bei Einstellungen auf der Grundlage des § 153 StPO wird danach differenziert, ob bereits drei Jahre nach Tatbegehung vergangen sind, und sodann eine umfassende, im Einzelnen näher spezifizierte Würdigung verlangt. Auch bei einer Einstellung nach JGG ist eine solche umfassende Würdigung vorgesehen. Dem genügt die Ablehnungsentscheidung des Antragsgegners nicht.
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Im aktuellen Einstellungsverfahren hat der Antragsgegner auf den Ausschluss des Antragstellers aus dem Bewerbungs­verfahren zum 01.10.14 Bezug genommen und mitgeteilt, dass die dortigen Ablehnungsgründe auch derzeit nicht ausgeräumt werden könnten. In den Verwaltungsvorgängen zu dem früheren Bewerbungsverfahren befindet sich ein Vermerk vom 23.07.14, in dem die Ermittlungsakten hinsichtlich eines Verfahrens wegen gefährlicher Körperverletzung (Tatzeit 03.12.11) und Sachbeschädigung (Tatzeit 19.02.12) ausgewertet werden und in der Folge die Ablehnung der Bewerbung des Antragstellers empfohlen wird. Das von dem Antragsgegner in ständiger Praxis angewandte Schema ist in doppelter Ausführung hinter den Vermerk geheftet und jeweils für die Körperverletzung und für die Sachbeschädigung (teilweise) ausgefüllt.
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Der Vermerk enthält zunächst eine wertungsneutrale Schilderung des Sachverhalts. In dem sich anschließenden Fazit stellt der Antragsgegner zunächst fest, dass im Fall der Sachbeschädigung weitere Nachforschungen unterbleiben könnten, da die Entscheidung aus dem Verfahren wegen Körperverletzung allein die Ablehnung zur Folge habe. Denn dieses Verfahren sei zwar eingestellt worden, dem Antragsteller sei jedoch trotzdem ein Fehlverhalten in Form eines Unterlassens vorzuwerfen. Denn dieser habe nicht versucht, die massiven Körperverletzungen durch die Täter zu unterbinden und damit „eventuell“ dazu beizutragen, die Verletzungen des Geschädigten zu minimieren, und er sei „offensichtlich nicht auf die Idee gekommen“, Hilfe zu holen. Der Antragsteller könne sich vor diesem Hintergrund glücklich schätzen, dass dieses Unterlassen keine weiteren strafrechtlichen Konsequenzen zur Folge gehabt hätte. Einer Einstellung in den Polizeivollzugsdienst stünde dieses Fehlverhalten des Antragstellers jedoch entgegen, „soll er doch gerade solche Auseinandersetzungen, bei denen die körperliche Unversehrtheit Dritter gefährdet ist, unterbinden und verhindern“. Im gerichtlichen Verfahren hat der Antragsgegner diese Erwägungen damit ergänzt, dass das Unterlassen des Antragstellers Anlass gegeben hätte, die Straftatbestände der unterlassenen Hilfeleistung und der Strafvereitelung in Betracht zu ziehen. Eine mäßigende Einwirkung des Antragstellers auf die Täter wäre ohne Selbstgefährdung möglich gewesen, da er diese gekannt habe und diese ohnehin nur an dem Geschädigten interessiert gewesen seien. Schließlich spreche auch gegen den Antragsteller, dass er bereits sechs Wochen später unter erheblichem Alkoholeinfluss eine Sachbeschädigung begangen habe. Angesichts der kurz nach dem Vorfall im Dezember 2011 begangenen Sachbeschädigung und der Tatsache, dass er sich erst nach über einem Jahr gemeldet und die Täter benannt habe, sei es nicht glaubhaft, dass dieser Vorfall bei ihm den Berufswunsch Polizist geweckt haben solle.
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Diese Erwägungen sind beurteilungsfehlerhaft.
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a) Soweit der Antragsgegner das Verhalten des Antragstellers bei dem Vorfall im Dezember 2011 für strafbar und damit die Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO für fehlerhaft hält, trägt der zugrundegelegte Sachverhalt diese Beurteilung bei summarischer Prüfung nicht. Zwar ist dem Antragsgegner grundsätzlich im Rahmen der Eignungsbeurteilung eine solche von der der Strafverfolgungsbehörden abweichende Wertung möglich. Angesichts der größeren Sachnähe der Ermittlungsbehörden und der sich daraus ergebenden Indizwirkung des durch sie angenommenen mangelnden Tatverdachts müssen sich hierfür aus dem ermittelten Sachverhalt jedoch besondere Umstände ergeben, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen. Dem trägt der Antragsgegner auch grundsätzlich Rechnung, indem er im Rahmen seines Prüfschemas sodann das Vorliegen besonderer Ablehnungsgründe fordert. Im vorliegenden Fall sind solche besonderen Umstände jedoch nicht erkennbar.
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Eine mögliche Strafbarkeit wegen Körperverletzung durch Unterlassen scheidet schon deshalb aus, weil eine hierfür erforderliche Garantenpflicht nicht ersichtlich ist. Insbesondere ist diese – wie dies die Erwägungen des Antragsgegners nahelegen – nicht daraus herzuleiten, dass der Antragsteller als Polizist zu einem Einschreiten verpflichtet wäre. Denn zum Zeitpunkt des Vorfalls war der Antragsteller Schüler und kein Polizist. Ebenso scheidet eine Strafbarkeit wegen Strafvereitelung durch Unterlassen schon deshalb aus, weil dies voraussetzt, dass dem Täter eine Garantenpflicht obliegt, die sich konkret auf das Rechtsgut der Strafvereitelung bezieht, was auf Privatpersonen grundsätzlich nicht zutrifft (vgl. Stree/Hecker in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 29. Auflage Rn. 17, § 258, Rn. 17). Von einer Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung kann deshalb nicht ausgegangen werden, weil in dem Ermittlungsverfahren keine hinreichenden Feststellungen dazu getroffen wurden, inwieweit dem Antragsteller ein Eingreifen zumutbar gewesen wäre. Eine Unzumutbarkeit im Sinne des § 323 c StGB wird u.a. dann bejaht, wenn dem in einer Notlage befindlichen Opfer ein Schaden droht, der für den potentiellen Helfer voraussichtlich nur um den Preis eines gleich schweren oder höheren Schadens abwendbar ist (vgl. Sternberg-Lieben/Hecker in: Schönke/Schröder, a.a.O., § 323 c, Rn. 19). Zudem entfällt der subjektive Tatbestand bei irriger Annahme von Umständen, die das Handeln unzumutbar erscheinen lassen (vgl. Sternberg-Lieben/Hecker, a.a.O., Rn. 25). Soweit der Antragsgegner hier davon ausgeht, dass eine Selbstgefährdung des Antragstellers nicht bestanden hätte, stellt er lediglich Vermutungen hinsichtlich der Art der Beziehung des Antragstellers zu den Tätern an, die so in den Ermittlungsakten keine Stütze finden und von dem Antragsteller auch in Abrede gestellt werden. Soweit er auf die von einem anderen Zeugen geschilderte Fokussierung der Täter auf den Geschädigten verweist, ergibt sich hieraus nichts anderes, da dieser Eindruck einen allenfalls beschränkten Aussagewert für die elementar veränderte Situation einer Einmischung zugunsten des Geschädigten haben kann. Da der Sachverhalt in dieser Hinsicht nicht weiter aufgeklärt wurde und der Antragsteller in seiner E-Mail an das Einstellungsbüro vom 28.07.14 unwiderlegt angegeben hat, dass die Situation unübersichtlich gewesen sei und er sich nicht getraut habe einzugreifen, ist die Annahme strafbaren Verhaltens auf dieser Grundlage nicht haltbar. Ebenso verhält es sich mit dem Vorwurf, der Antragsteller habe keinen Notruf abgesetzt, da schon die Erforderlichkeit der Hilfeleistung nicht feststeht. Nicht erforderlich ist die Hilfe im Sinne des § 323 c StGB, wenn von anderer Seite bereits ausreichend Hilfe geleistet wird (vgl. Sternberg-Lieben/Hecker, a.a.O., Rn. 15). Sowohl aus den Angaben des Antragstellers als auch aus der eines weiteren Zeugen ergibt sich, dass der Mitarbeiter aus dem Imbiss eingegriffen und die Polizei gerufen habe, woraufhin die Täter von dem Geschädigten abgelassen hätten. Dabei bleibt unklar, wie viel Zeit zwischen dem Beginn des Angriffs und der Absetzung des Notrufs bzw. der Beendigung des Angriffs verstrichen ist und ob der Antragsteller – wie er unwiderlegt behauptet – das Absetzen des Notrufes gehört hat. Auf dieser Grundlage kann von einem strafbaren Unterlassen des Antragstellers nicht ohne weiteres ausgegangen werden.
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Selbst wenn man entgegen der hier vertretenen Auffassung jedoch die Strafbarkeit des Verhaltens des Antragstellers unterstellte, hätte der Antragsgegner in seine Überlegungen jedoch einbeziehen müssen, dass die Tatbegehung dann mittlerweile über drei Jahre zurückliegen würde. Da dies ein Umstand ist, der nach dem Prüfschema des Antragsgegners im Rahmen der Einstellung nach § 153 StPO, bei der nicht von mangelndem Tatverdacht ausgegangen wird, zu berücksichtigen und in der Folge eine umfassende Würdigung durchzuführen ist, muss dies erst recht dann gelten, wenn der Antragsgegner einen Tatverdacht trotz Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO bejaht. Anderenfalls verstieße der Antragsgegner gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, da angesichts der dann vergleichbaren Gruppen keine sachliche Rechtfertigung für eine solche Ungleichbehandlung ersichtlich ist. Hierzu hat der Antragsgegner jedoch keine Erwägungen angestellt. Dem Vermerk vom 23.07.14 lag die damalige Sachlage zugrunde, wonach nach Tatbegehung noch keine drei Jahre vergangen waren, so dass hierzu keine Erwägungen angestellt werden. Auch ansonsten ist nichts vorgetragen oder ersichtlich, dass der Antragsgegner eine solche umfassende Würdigung durchgeführt hat, so dass die Ablehnung auch auf diesem Hintergrund beurteilungsfehlerhaft wäre.
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b) Es kann vorliegend offen bleiben, ob der Antragsgegner die Nichteignung zusätzlich mit etwaigen sittlichen Vorwerfbarkeit des Verhaltens des Antragstellers unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit sowohl während des Angriffs als auch aufgrund seines Verschwindens danach und den Umständen seiner Aussage über ein Jahr später begründen wollte. Denn jedenfalls mit der ausdrücklichen Begründung, dass ein solches Verhalten deshalb der Einstellung entgegenstünde, weil der Antragsteller als Polizist verpflichtet wäre, solche Auseinandersetzungen zu unterbinden und zu verhindern, wäre dies beurteilungsfehlerhaft. Denn damit stellt der Antragsgegner ohne weitere Differenzierung oder Relativierung die gleichen Anforderungen an das Verhalten eines siebzehnjährigen Schülers wie an das eines Polizisten im Einsatz.
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c) Soweit der Antragsgegner die Ablehnung auch auf das Ermittlungsverfahren wegen Sachbeschädigung stützen will, ist auch dies beurteilungsfehlerhaft. Denn in dem Vermerk vom 23.07.14, auf den die Ablehnung im aktuellen Verfahren Bezug nimmt, wird die Ablehnung ausdrücklich nur mit dem Ermittlungsverfahren bezüglich der Körperverletzung begründet und ergänzend festgestellt, dass deshalb weitere Nachforschungen bezüglich dieses Vorgangs unterbleiben könnten. Im Übrigen würde auch dann gelten, dass der Antragsgegner die in seinem Prüfschema aufgestellten Richtlinien nicht eingehalten hätte. Denn auch diese Tat wäre mittlerweile mehr als drei Jahre her und der Antragsgegner hat dennoch nicht die für diesen Fall bei einer – wie hier vorgenommenen – Einstellung nach § 153 StPO bzw. JGG vorgesehen umfassende Würdigung vorgenommen.
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d) Ob der Antragsteller unter Zugrundelegung dieses Maßstabes charakterlich für den gehobenen Dienst der Berliner Schutzpolizei geeignet ist, wird der Antragsgegner unter erneuter Ausübung seines Beurteilungsermessens zu entscheiden haben. Die rechtsfehlerhafte Entscheidung führt nicht zur Verpflichtung des Antragsgegners im Wege einer einstweiligen Anordnung, den Antragsteller zur weiteren Teilnahme am Auswahlverfahren zuzulassen. Insoweit hätte der Antrag nur dann Erfolg, wenn es bei beurteilungsfehlerfreier Entscheidung zwingend oder nach anderer Ansicht schon dann, wenn es überwiegend wahrscheinlich wäre, den Antragsteller als charakterlich geeignet anzusehen (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 16.03.12 – VG 7 L 27.12, EA, S. 6 f.). Auch unter Berücksichtigung der konkreten Umstände erscheint jedoch schon angesichts möglicher weiterer Nachforschungen eine beurteilungsfehlerfreie Ablehnung möglich. Weil dem Antragsteller jedoch nur bei zeitnaher Neubescheidung die Chance erhalten bleibt, im aktuellen Einstellungstermin berücksichtigt zu werden, kann er jedoch im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG und seinen von Art. 33 Abs.2 GG geschützten Bewerbungsverfahrensanspruch eine Verpflichtung zur Neubescheidung im Rahmen des Eilverfahrens verlangen. Eine hiervon abweichende Beurteilung wäre nach Auffassung des Gerichts nur dann gerechtfertigt, wenn offenkundig ist, dass die von der Behörde zu treffende Ermessensentscheidung rechtsfehlerfrei zu Ungunsten des Antragstellers ausgehen wird und damit die Gefahr, dass die Folgen einer rechtswidrigen hoheitlichen Maßnahme nicht rückgängig gemacht werden können, nicht zu befürchten ist, oder wenn ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe dem entgegenstehen (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 16.03.12, a.a.O.). Dafür ist jedoch vorliegend nichts ersichtlich.
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2. Der erforderliche Anordnungsgrund liegt ebenfalls vor. Er folgt daraus, dass der Antragsteller mit dem Verstreichen des unmittelbar bevorstehenden Einstellungstermins und der Besetzung der Stellen durch andere Bewerber den von ihm im Hauptsacheverfahren VG 7 K 460.15 geltend gemachten Bewerbungsverfahrensanspruch ohne inhaltliche Prüfung durch die Kammer verlieren würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.02.10 - 2 C 22/09 -).
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Dem bedürftigen Antragsteller ist gem. § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO Prozesskostenhilfe zu gewähren, da die Rechtsverfolgung aus den genannten Gründen hinreichende Aussicht auf teilweisen Erfolg bietet und auch nicht mutwillig ist.
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