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Disziplinarrecht der Bundesbeamten: Disziplinarklage

Inhaltliche Anforderungen an die Klageschrift des Dienstherrn

Die Disziplinarklageschrift, die der Dienstherr bei dem Verwaltungsgericht einreicht, legt verbindlich fest, worüber das Disziplinargericht befinden soll. Die Disziplinarklageschrift muss deshalb inhaltlich bestimmten Erwartungen gerecht werden, insbesondere die vorgeworfenen Taten hinreichend genau beschreiben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Urteil vom 25.01.07 - 2 A 3/05 - dazu ausgeführt.
Es hat allerdings auch deutlich gemacht, dass Fehler der Klageschrift den Beamten nicht unbedingt retten. Wenn nämlich weitere Handlungen hinreichend genau beschrieben sind, können diese ein Urteil selbst dann tragen, wenn einzelne Anschuldigungspunkte wegfallen.

Aus der Entscheidung:

3. Dagegen haftet der Klageschrift hinsichtlich des ersten Anschuldigungspunktes ein wesentlicher Mangel i. S. von § 55 BDG an, weil sie insoweit den Vorgaben des § 52 I 2 BDG nicht genügt.

Gemäß § 52 I 2 BDG muss die Klageschrift auch die Tatsachen, in denen ein Dienstvergehen gesehen wird, und die anderen Tatsachen und Beweismittel, die für die Entscheidung bedeutsam sind, geordnet darstellen.
Die Vorschrift knüpft an die weitgehend wortgleiche Vorgängerregelung des § 65 Halbsatz 2 BDO an. Sie überträgt die Anforderungen, die § 65 HS 2 BDO für die Anschuldigungsschrift festgelegt hat, inhaltlich unverändert auf die Klageschrift (vgl. BT-Drucksache 14/4659, S. 48). Daher kann die Rechtsprechung des Disziplinarsenats des BVerwG zum Bedeutungsgehalt des § 65 HS 2 BDO für die Auslegung des § 52 I 2 BDG herangezogen werden.

Ebenso wie früher die Anschuldigungsschrift muss die Klageschrift die Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, aus sich heraus verständlich darstellen. Dies erfordert, dass Ort und Zeit der einzelnen Handlungen möglichst genau angegeben sowie die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden. Nur eine inhaltlich derart bestimmte Klageschrift ermöglicht dem beklagten Beamten eine sachgerechte Verteidigung gegen die disziplinarischen Vorwürfe (BVerwG, Urteil vom 23.11.06 - 1 D 1/06 -; BVerwGE 76, 347 [349] = NJW 1986, 444).
Die inhaltlichen Vorgaben des § 52 I 2 BDG tragen auch dem Umstand Rechnung, dass die Klageschrift Umfang und Grenzen der gerichtlichen Disziplinarbefugnis festlegt. Denn gemäß § 60 II 1 BDG dürfen nur Handlungen zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht werden, die dem Beamten in der Klage als Dienstvergehen zur Last gelegt werden.

Soweit die Klägerin dem Beamten vorwirft, er habe ab Mitte Januar 2002 häufig gegen die Meldepflicht bei unvorhergesehenem Nichterscheinen zum Dienst verstoßen (Anschuldigungspunkt 1), werden in der Klageschrift keine konkreten Vorkommnisse dargestellt. Dies hätte vor allem deren zeitliche Bestimmung erfordert. Stattdessen hat sich die Klägerin darauf beschränkt, den Inhalt der dienstinternen Meldepflicht, die Art und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den groben zeitlichen Rahmen des Fehlverhaltens anzugeben. Der Verweis auf die in der Disziplinarakte befindliche Aufstellung einzelner Vorkommnisse kann die fehlende Substantiierung der disziplinarischen Vorwürfe in der Klageschrift nicht ersetzen. Gleiches gilt für das Angebot, Zeugenbeweis zu erheben.

Dennoch braucht der Klägerin keine Frist zur Beseitigung des wesentlichen Mangels der Klageschrift gern. § 55 III 1 BDG gesetzt zu werden. Die damit bezweckte Nachbesserung der Klageschrift erübrigt sich, weil bereits die hinreichend substantiierten Vorwürfe des unerlaubten Fernbleibens vom Dienst (Anschuldigungspunkt 2) für sich genommen zu der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führen.

Zwar folgt aus dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens, dass das Gericht alle seiner Disziplinarbefugnis unterliegenden Tatvorwürfe prüfen und die entsprechenden Sachverhalte feststellen muss, soweit es nicht von einer gesetzlichen Beschränkungsmöglichkeit Gebrauch macht (vgl. nunmehr § 56 BDG). Steht jedoch fest, dass auf Grund der nachgewiesenen Pflichtenverstöße die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis auszusprechen ist, so bedarf es hinsichtlich weiterer Tatvorwürfe einer Sachaufklärung und damit einer Ergänzung der Klageschrift nicht mehr (vgl. BVerwGE 113, 32 [35 f.] = NVwZ 1997, 1220 L).

4. Der Beklagte hat seine Dienstleistungspflicht dadurch verletzt, dass er an den in der Klageschrift aufgeführten Arbeitstagen zwischen dem 20.03.02 und dem 07.05.04 dem Dienst vorsätzlich unerlaubt ferngeblieben ist (§§ 73 I 1, 77 I 1 BBG). Es handelt sich ausschließlich um Abwesenheitszeiten, die nicht durch ärztliche Dienstunfähigkeitsbescheinigungen abgedeckt sind. Für die Zeit nach dem 07.05.04 kann den Beamten der Vorwurf des unerlaubten Fernbleibens vom Dienst nicht mehr treffen. Denn seit der Entziehung des Sicherheitsbescheides war er auf Grund des Verbots, die Liegenschaften des BND zu betreten, gehindert, Dienst zu leisten.

Unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst i. S. von § 73 I 1 BBG setzt voraus, dass der Beamte nicht zum Dienst erscheint, obwohl er dienstfähig ist. Das Erfordernis der Dienstfähigkeit während der Abwesenheit stellt ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 73 I 1 BBG dar. Solange ein Beamter nicht dienstfähig ist, ist er von der Dienstleistungspflicht entbunden, weil er sie nicht erfüllen kann. Dienstunfähig ist der Beamte, wenn er auf Grund seines körperlichen oder geistigen Zustandes außer Stande ist, den ihm übertragenen dienstlichen Aufgaben nachzukommen.

Der Dienstherr kann dem Beamten aufgeben, bei der Feststellung seiner Dienstfähigkeit mitzuwirken, insbesondere Dienstunfähigkeit infolge Krankheit nachzuweisen (§ 73 I 2 BBG). Diese Mitwirkungspflicht wird regelmäßig durch dienstinterne Regelungen konkretisiert, die den Beamten verpflichten, ein unvorhergesehenes Fernbleiben alsbald anzuzeigen und im Krankheitsfall eine ärztliche Dienstunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen. Erfüllt der Beamte die Pflicht zur Vorlage einer Dienstunfähigkeitsbescheinigung, so kann der Nachweis seiner Dienstfähigkeit im Regelfall jedenfalls dann nur durch die Einschaltung des Amtsarztes geführt werden, wenn die Bescheinigungen eine Diagnose enthalten. Verstößt der Beamte gegen seine Mitwirkungspflichten, weil er seine Abwesenheit nicht hinreichend begründet, insbesondere trotz behaupteter Krankheit kein ärztliches Attest vorlegt, so kann daraus im Rahmen der Beweiswürdigung auf seine Dienstfähigkeit geschlossen werden. Die Dienstfähigkeit kann als nachgewiesen gelten, wenn der Beamte durch sein Verhalten die Feststellung seines Gesundheitszustandes bewusst verhindert (BVerwG,  NVwZ-RR 1998, 574; BVerwGE 111, 246 [248f.] = NVwZ 2001, 436).

Aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.11.08 - 2 B 63.08

"Der Klageschrift ... haftet kein wesentlicher Mangel im Sinne von § 55 Abs. 1 BDG an; sie genügt den Anforderungen des § 52 Abs. 1 Satz 2 BDG.
Danach muss sie die Tatsachen, in denen ein Dienstvergehen gesehen wird, und die anderen Tatsachen und Beweismittel, die für die Entscheidung bedeutsam sind, geordnet darstellen. Die Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, müssen aus sich heraus verständlich geschildert werden. Ort und Zeit der einzelnen Handlungen müssen möglichst genau angegeben, die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden. Dadurch soll sichergestellt werden, dass sich der Beamte gegen die disziplinarischen Vorwürfe sachgerecht verteidigen kann. Auch tragen die gesetzlichen Anforderungen an die Klageschrift dem Umstand Rechnung, dass sie Umfang und Grenzen der gerichtlichen Disziplinarbefugnis festlegt. Denn gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 BDG dürfen nur Handlungen zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht werden, die dem Beamten in der Klage als Dienstvergehen zur Last gelegt werden (Urteil vom 25.01.07 BVerwG 2 A 3.05). Nach alledem muss aus der Klageschrift unmissverständlich hervorgehen, welche Sachverhalte angeschuldigt werden. Dagegen fordert § 52 Abs. 1 Satz 2 BDG nicht, dass sie die erfassten Sachverhalte disziplinarrechtlich zutreffend würdigt."

In einer Entscheidung (BVerwG 2 B 101.09, Beschluss vom 21.04.10) hat das Bundesverwaltungsgericht dies noch einmal wie folgt zusammengefasst:

Die Klageschrift muss gemäß § 52 Abs. 1 Satz 2 BDG die Tatsachen, in denen ein Dienstvergehen gesehen wird, und die anderen Tatsachen und Beweismittel, die für die Entscheidung bedeutsam sind, geordnet und aus sich heraus verständlich darstellen. Dies erfordert, dass Ort und Zeit der einzelnen Handlungen möglichst genau angegeben sowie die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden (Urteil vom 23.11.06 - BVerwG 1 D 1.06 -; Beschluss vom 13.03.06 - BVerwG 1 D 3.06 -). Damit ist nicht gesagt, dass sämtliche für die zu treffende Maßnahme bedeutsamen Tatsachen und Umstände in der Klageschrift aufgeführt sein müssen. Das Gericht ist vielmehr gehalten, von Amts wegen den entscheidungserheblichen Sachverhalt zu ermitteln (§ 3 BDG, § 86 VwGO). Es hat dabei den Beteiligten das rechtliche Gehör zu gewähren und darf sein Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützen, zu denen sie sich äußern konnten (§ 108 Abs. 2 VwGO). Das ist hier geschehen.

Entsprechende Darlegungen finden sich auch in einem Urteil vom 29.07.10 - BVerwG 2 A 4.09 -:

Gemäß § 52 Abs. 1 Satz 2 BDG muss die Klageschrift die Tatsachen, in denen ein Dienstvergehen gesehen wird, und die anderen Tatsachen und Beweismittel, die für die Entscheidung bedeutsam sind, geordnet darstellen. Die Vorschrift knüpft an die weitgehend wortgleiche Vorgängerregelung des § 65 Halbs. 2 BDO an. Sie überträgt die Anforderungen, die § 65 Halbs. 2 BDO für die Anschuldigungsschrift festgelegt hat, inhaltlich unverändert auf die Klageschrift (vgl. BTDrucks 14/4659 S. 48; Beschluss vom 13.03.06 - BVerwG 1 D 3.06). Daher kann die Rechtsprechung des Disziplinarsenats des Bundesverwaltungsgerichts zum Bedeutungsgehalt des § 65 Halbs. 2 BDO für die Auslegung des § 52 Abs. 1 Satz 2 BDG herangezogen werden.
Ebenso wie früher die Anschuldigungsschrift muss die Klageschrift die Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, aus sich heraus verständlich darstellen. Dies erfordert, dass Ort und Zeit der einzelnen Handlungen möglichst genau angegeben sowie die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden.
Nur eine inhaltlich derart bestimmte Klageschrift ermöglicht dem beklagten Beamten eine sachgerechte Verteidigung gegen die disziplinarischen Vorwürfe
(Urteil vom 25.01.07 - BVerwG 2 A 3.05, vgl. auch Urteil vom 23.11.06 - BVerwG 1 D 1.06 -, Beschlüsse vom 08.03.1985 - BVerwG 1 DB 16.85 - BVerwGE 76, 347 <349> und vom 13.03.06 a.a.O. Rn. 13).
Die inhaltlichen Vorgaben des § 52 Abs. 1 Satz 2 BDG tragen auch dem Umstand Rechnung, dass die Klageschrift Umfang und Grenzen der gerichtlichen Disziplinarbefugnis festlegt. Denn gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 BDG dürfen nur Handlungen zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht werden, die dem Beamten in der Klage als Dienstvergehen zur Last gelegt werden.
Hieran gemessen weist die Klageschrift keine wesentlichen Mängel auf. In ihrem Aufbau weicht sie zwar insofern vom herkömmlichen Schema ab, als sie keinen zusammenhängenden, alle Vorwürfe bündelnden „Anklagesatz“ enthält, sondern die Vorwürfe nach Sachkomplexen geordnet abhandelt. Darin liegt aber kein Mangel. Es gibt keine Verfahrensvorschrift, die den Aufbau einer Disziplinarklage im Einzelnen vorschreibt. Der Klageschrift sind alle Tatsachen (einschließlich Ort und Zeit) in geordneter Folge zu entnehmen, auf die die Klage gestützt wird. Sie enthält die Beweismittel, insbesondere den wesentlichen Inhalt der Zeugenaussagen sowie eine Würdigung der erhobenen Beweise und eine rechtliche Bewertung der danach als erwiesen angesehenen Tatvorwürfe. Damit entspricht sie den sich aus § 52 Abs. 1 Satz 2 BDG ergebenden Anforderungen.

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13.04.2021 - BVerwG 2 WDB 1.21 -

11 3. Nach § 99 Abs. 1 Satz 2 WDO "soll" die Anschuldigungsschrift die Tatsachen, in denen ein - schuldhaftes - Dienstvergehen erblickt wird, und die Beweismittel geordnet darstellen. Die gesetzliche Vorgabe ist trotz der als Sollvorschrift gestalteten Fassung des § 99 Abs. 1 Satz 2 WDO zwingend, soweit sie sich auf diesen notwendigen Inhalt der Anschuldigungsschrift bezieht (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.11.10 - 2 WD 25.09  juris Rn. 22). Der notwendige Inhalt ist vorliegend gewahrt.
12 a) Die Anschuldigungsschrift verfolgt einen doppelten Zweck. Zum einen hat sie eine Umgrenzungsfunktion. Sie legt Umfang und Grenzen des Prozessstoffes fest und bestimmt insoweit den Sachverhalt, der allein zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht werden darf (BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2009 - 2 WD 4.08  BVerwGE 133, 129 Rn. 12); damit bestimmt sie den Prozessgegenstand (Schneider, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 8. Aufl. 2019, § 200 Rn. 1). Diese Umgrenzungsfunktion ist nur gewahrt, wenn die dem Soldaten vorgeworfene Pflichtverletzung hinreichend konkretisiert ist, der Prozessgegenstand, über den das Gericht entscheiden soll, feststeht und zudem klar wird, welchen Umfang die Rechtskraft eines daraufhin ergangenen Urteils haben würde (zu § 200 StPO: BGH, Beschluss vom 4. April 2017 - 2 StR 409/16 - NStZ 2017, 551 Rn. 8 f. und Urteil vom 9. Januar 2018 - 1 StR 370/17 - NJW 2018, 878 Rn. 10). Zum anderen hat die Anschuldigungsschrift eine Informationsfunktion. Sie soll dem Soldaten die Vorbereitung seiner Verteidigung ermöglichen und dient somit der Gewährung rechtlichen Gehörs (Wenske, in: Münchener Kommentar, StPO, 1. Aufl. 2016, § 200 Rn. 5). Dies verlangt, dass der mit ihr erhobene Vorwurf für ihn so deutlich und so klar formuliert ist, dass er sich mit seiner Verteidigung darauf einstellen kann (BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2009 - 2 WD 4.08  BVerwGE 133, 129 Rn. 12). Diesbezügliche Mängel begründen jedoch nicht die Unwirksamkeit der Anklage (BGH, Urteil vom 24. Januar 2012 - 1 StR 412/11 - BGHSt 57, 88 Rn. 12). Nach Maßgabe dessen stellt das Fehlen der Tatortbezeichnung vorliegend weder die Informations- und vor allem nicht die Umgrenzungsfunktion der Anschuldigungsschrift in Frage.
13 b) Anders als § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO verlangt § 99 Abs. 1 Satz 2 WDO schon nicht ausdrücklich, dass der Ort des Dienstvergehens bezeichnet wird und selbst im Strafprozessrecht wird die Tatortbezeichnung zwar regelmäßig gefordert (Wenske, in: Münchener Kommentar, StPO, 1. Aufl. 2016, § 200 Rn. 16), auch dort jedoch nicht als unerlässliches und gleichsam konstitutives Merkmal des Anklagesatzes angesehen (BGH, Urteil vom 17. August 2017 - 4 StR 127/17 - NStZ-RR 2017, 352 Rn. 16; Schneider, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 8. Aufl. 2019, § 200 Rn. 3). Die Merkmale, die zur rechtlich hinreichenden Umgrenzung einer Tat benötigt werden, können variabel sein, solange die Anklageschrift ihre Aufgabe erfüllt, die Identität des geschichtlichen Vorgangs so klar darzustellen, dass erkennbar wird, welche bestimmte Tat gemeint ist. Das umschriebene Geschehen muss sich von möglichen anderen gleichartigen Handlungen des Täters unterscheiden lassen und umso konkreter geschildert sein, je größer die Gefahr verwechselbarer weiterer Taten ist (BGH, Urteile vom 28. April 2006 - 2 StR 174/05 - NStZ 2006, 649 f. und vom 24. Januar 2012 - 1 StR 412/11 - NJW 2012, 867 <868>).
14 Die Frage, welchen Anforderungen der Anklagesatz zur Wahrung seiner Umgrenzungsfunktion gerecht werden muss, ist folglich nicht in der Weise allgemein zu beantworten, dass hierfür unerlässliche tatindividualisierende Merkmale aufgestellt werden. Erforderlich ist stets eine Betrachtung der Umstände des Einzelfalls (Wenske, in: Münchener Kommentar, StPO, 1. Aufl. 2016, § 200 Rn. 18; Puppe, NStZ 1982, 230 <231>). Ist die Tat durch andere Tatumstände unverwechselbar bestimmt, kann die Angabe von dessen Zeit und Ort sogar verzichtbar sein oder sich auf einen möglichst kurz zu bemessenden Zeitraum oder eine allgemeinere Beschreibung der Tatorte beschränken (Stuckenberg, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl. 2018, § 200 Rn. 19). Dabei rechtfertigen es namentlich die in bestimmten Verfahren oft bestehenden Beweisschwierigkeiten, die idealtypischen Anforderungen an die realen Möglichkeiten der Tatkonkretisierung anzupassen (Schneider, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 8. Aufl. 2019, § 200 Rn. 3). Ansonsten drohen - strafrechtliche oder disziplinarische - Ahndungslücken (BGH, Urteil vom 11. Januar 1994 - 5 StR 682/93 - NJW 1994, 2556 f.). Strukturelle Beweisschwierigkeiten bestehen insbesondere im Betäubungsmittelstrafrecht (Wenske, in: Münchener Kommentar, StPO, 1. Aufl. 2016, StPO § 200 Rn. 22); ihnen sieht sich die Anschuldigungsbehörde insbesondere dann ausgesetzt, wenn ein Drogendelikt im Raum steht, dessen Tatort nach dem aktuellen Verfahrensstand allein durch eine Information des Angeschuldigten ermittelbar wäre.
15 Vor diesem Hintergrund reicht es aus, dass sich die Anschuldigungsschrift hinsichtlich des konkreten Tatorts vorliegend auf die Behauptung beschränkt, der Soldat habe jedenfalls außerhalb dienstlicher Unterkünfte und Anlagen Drogen konsumiert. Die Identität des geschichtlichen Vorgangs unter Ausschluss verwechselbarer weiterer Taten gleicher Art folgt daraus, dass sich die Anschuldigungsschrift zusätzlich auf zwei Drogenkonsumhandlungen beschränkt und sie sowohl zeitlich als auch von der Art des Drogenkonsums weiter eingegrenzt auf 39 bis 63 Stunden vor der Blutentnahme am 24.11.19 (Konsum von ca. 0,2 Gramm Crystal Meth) sowie auf den Zeitraum Juli 2019 bis 24.11.19 (Konsum von Cannabis). Da die Einlassungen des Soldaten keine weiteren Hinweise auf sonstigen Drogenkonsum enthalten, besteht auch keine Verwechselungsgefahr mit anderen Tathandlungen. Zudem findet der Vorwurf eines Dienstvergehens seinen Schwerpunkt nicht in dem Ort des Drogenkonsums, sondern in dem Drogenkonsum als solchem, der ausweislich Nr. 172 der Zentralrichtlinie A2-2630/0-0-2 im In- und Ausland unzulässig ist und gegen die Kernpflicht zum treuen Dienen verstößt (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.06.12 - 2 WD 34.10  Buchholz 450.2 § 91 WDO 2002 Nr. 6 Rn. 92).



Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in einem Beschluss vom 20.12.11 - 2 B 59.11 - insbesondere zu den Anforderungen an eine sog. Nachtragsklage geäußert.
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