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Disziplinarrecht der Bundesrepublik: Akteneinsichtsrecht

Der Gesetzgeber hat es nicht für notwendig erachtet, eines der fundamentalen Rechte jedes Betroffenen zu regeln, nämlich das Recht, die Akte einzusehen bzw. durch seinen Verteidiger einsehen zu lassen.
Man begnügt sich mit einer Verweisung auf das Verwaltungsverfahrensgesetz (im außergerichtlichen Verfahren § 29 VwVfG) bzw. auf die Verwaltungsgerichtsordnung (§ 100 VwGO) mit ihren jeweiligen Regelungen.
Dies Verweisung scheint für einige Ermittlungsführer zu kompliziert zu sein: sie missachten das Recht des Beamten.

Zur Bedeutung des Akteneinsichtsrechts ist einiges gesagt in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Wehrdisziplinarrecht:

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.07.04 - 2 WDB 4.03 -

Leitsätze:


1. ...

2. Wird einem Soldaten oder seinem Verteidiger vor Ergehen der Einleitungsverfügung das Recht auf Akteneinsicht und damit auf rechtliches Gehör durch die Einleitungsbehörde unberechtigterweise vorenthalten, so stellt dies einen schweren Verfahrensmangel dar.

3. Für den Nachweis der Verteidigerbestellung genügt im gerichtlichen Disziplinarverfahren grundsätzlich die entsprechende Anzeige des Beschuldigten oder Verteidigers; bestehen im Einzelfall Zweifel an der Bevollmächtigung, kann die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht verlangt werden.

4. Der Verfahrensmangel einer vor Ergehen der Einleitungsverfügung unterbliebenen Anhörung des Soldaten durch die Einleitungsbehörde kann längstens bis zur Vorlage der Anschuldigungsschrift beim Truppendienstgericht geheilt werden (Fortführung der Rechtsprechung des Senats).


Noch deutlicher bzw. mehr auf den Punkt vielleicht eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.05.06 - BVerwG 1 DB 1.06 -:

Aus den Gründen:


Die Bundesdisziplinarordnung vermittelt Beamten Ansprüche auf Einsicht in die Unterlagen, die aus Anlass eines gegen sie geführten Disziplinarverfahrens gebildet worden sind (Disziplinarakte), solange dieses Verfahren läuft. Während des Vorermittlungsverfahrens konnte der Beamte Einsicht in die Vorermittlungsakten, nach Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens kann er Einsicht in die Akten der Untersuchung nehmen, soweit dies ohne Gefährdung des Ermittlungs- bzw. Untersuchungszwecks möglich ist (§ 26 Abs. 3, § 61 Abs. 3 BDO). In gleichem Umfang steht während der Untersuchung dem Verteidiger Akteneinsicht zu (§ 40 Abs. 1 Satz 5 BDO).
Die Akteneinsicht erstreckt sich jeweils auf sämtliche Unterlagen, die seit Beginn der disziplinarischen Ermittlungen angefallen sind.
Sobald das förmliche Disziplinarverfahren beim Gericht anhängig ist, können der Beamte und sein Verteidiger die dem Gericht vorliegenden Akten einsehen (§§ 70, 40 Abs. 1 Satz 5 BDO).
Entsprechendes gilt nunmehr für die Akteneinsicht während eines behördlichen Disziplinarverfahrens gemäß §§ 17 ff. BDG (§ 3 BDG, § 29 VwVfG) .


So lange das Disziplinarverfahren im Gange ist, wird die Disziplinarakte formell gesondert geführt. Akteneinsicht wird auf der Grundlage der Disziplinargesetze gewährt. Nach Abschluss des Disziplinarverfahrens ist die Disziplinarakte zur Personalakte zu nehmen. Nunmehr umfasst der Anspruch des Beamten auf Einsicht in seine vollständige Personalakte gemäß § 90 Abs. 1 BBG auch die Einsicht in die vollständige Disziplinarakte, d. h. in alle aus Anlass der disziplinarischen Ermittlungen angefallenen Unterlagen. Hierzu gehören auch Unterlagen, die aufgrund von informellen Ermittlungen vor Einleitung eines Vorermittlungsverfahrens gemäß §§ 26 ff. BDO oder eines behördlichen Disziplinarverfahrens gemäß §§ 17 ff. BDG entstanden sind.
Der Beamte kann das Einsichtsrecht bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs wiederholt ausüben, ohne ein berechtigtes Interesse darlegen zu müssen.


Im vorliegenden Fall ist die Einstellung des förmlichen Disziplinarverfahrens unanfechtbar.
Nach alledem hat der Ruhestandsbeamte nunmehr einen Anspruch auf Einsicht in die frühere Disziplinarakte gemäß § 90 c Abs. 1 BBG. Dabei kann er auch Einsicht in solche Unterlagen der gegen ihn durchgeführten disziplinarischen Ermittlungen verlangen, die sich nicht in dem Disziplinarsonderheft seiner Personalakte befinden. Hierzu gehören Unterlagen, die aufgrund der Ermittlungen des Ermittlungsführers "gegen Unbekannt" angefallen sind, soweit sie nach ihrem Inhalt den Ruhestandsbeamten betreffen. Formell wie auch materiell handelt es sich dabei allerdings nicht um einen im Disziplinarrecht wurzelnden Anspruch auf Einsicht in die Disziplinarakte. Für die gerichtliche Durchsetzung der Akteneinsicht gemäß § 90 c BBG ist der allgemeine Verwaltungsrechtsweg gegeben (§ 126 Abs. 1 BRRG).


Nach Abschluss des Disziplinarverfahrens richtet sich die Einsicht in die Unterlagen dieses Verfahrens (Disziplinarakte) also nach den beamtenrechtlichen Bestimmungen über die Einsicht in die Personalakte.
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