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Disziplinarrecht: Amtsarztuntersuchung als zulässige Beweiserhebung?

Wir haben es erlebt, dass eine Ermittlungsführerin in Hamburg einem Beamten die Weisung erteilte, sich durch den Personalärztlichen Dienst untersuchen zu lassen, damit geklärt werde, ob der Beamte zwei Jahre zuvor für ein oder zwei Monate wirklich dienstunfähig gewesen sei.
Offensichtlich setzte die Ermittlungsführerin auch voraus, der Beamte müsse dem Arzt Rede und Antwort stehen und vielleicht sogar seinen Hausarzt von der Schweigepflicht entbinden.
Nach heftigen Beanstandungen von unserer Seite nahm die Ermittlungsführerin dann davon Abstand.

Als generelles Problem sehen wir es an, dass - zumindest in Hamburg - bisweilen personalärztliche Befunde von Personalabteilungen an Disziplinarsachbearbeiter weitergegeben werden.
Das halten wir eindeutig für rechtswidrig.


Oberverwaltungsgericht Koblenz, Urteil vom 15.05.13 - 3 A 10001/13.OVG  -


a) Über die Ausführungen des Verwaltungsgerichts hinaus kann dieser Vorwurf auch aus folgenden Gründen nicht auf das Gutachten von Prof. Dr. B. und seine ergänzenden Stellungnahmen hierzu gestützt werden:

Der Kläger hat den Beklagten in der Ausdehnungsverfügung vom 11.11.09 ausdrücklich und unter Androhung disziplinarrechtlicher Konsequenzen darauf hingewiesen, er sei verpflichtet, sich der angeordneten fachärztlichen Untersuchung durch Prof. Dr. B. zu unterziehen.
Dadurch hat er gegen den Grundsatz verstoßen, wonach einem Beamten nicht die aktive Mitwirkung an einer Sachverhaltsaufklärung auferlegt werden darf, die darauf abzielt, ihn eines Dienstvergehens zu überführen
(vgl. BVerwG, Urteil vom 16.12.1980 - 1 D 129.79 -, BVerwGE 73, 118).

Aus der an § 52 des Dienstordnungsgesetzes Rheinland-Pfalz - DOG - (vom 20.06.1974, GVBl. S. 52) und § 60 der Bundesdisziplinarordnung - BDO - angelehnten Ausnahmeregelung des § 33 Abs. 1 LDG, wonach das Verwaltungsgericht zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beamten die Unterbringung und Untersuchung eines Beamten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer sonstigen geeigneten Krankenanstalt anordnen kann, folgt für den vorliegenden Fall nichts anderes. Weder ging es um eine Untersuchung des psychischen Zustands im Hinblick auf eine Schuld- bzw. Verhandlungsunfähigkeit des Beklagten, noch gab es einen entsprechenden Gerichtsbeschluss.

Ein Polizeibeamter ist zwar auch nach § 91 Abs. 2 LBG verpflichtet, sich zum Nachweis einer auf Krankheit beruhenden Dienstunfähigkeit amtsärztlich beziehungsweise, was hier nicht angeordnet wurde, polizeiärztlich (§ 113 Abs. 1 LBG) untersuchen zu lassen. Bei der am 11.11.09 angeordneten Begutachtung handelte es sich jedoch weder um eine amtsärztliche bzw. durch einen Amtsarzt angeordnete ergänzende fachärztliche Untersuchung, noch diente sie vorrangig dazu, die aktuelle krankheitsbedingte Dienstunfähigkeit nachzuweisen. Sie verfolgte vielmehr in erster Linie das Ziel, dem Beklagten die Verletzung seiner Dienstpflichten in der Vergangenheit nachzuweisen bzw. den insoweit gehegten Verdacht auszuräumen.
Das gilt umso mehr, als die Begutachtung im Rahmen des bereits laufenden Disziplinarverfahrens angeordnet wurde. Für eine Verpflichtung des Beklagten, hieran aktiv mitzuwirken, bietet § 91 Abs. 2 LBG keine Grundlage.

Es kann hier dahingestellt bleiben, wo genau die Grenze zwischen einer lediglich passiven Duldung einer Begutachtung - etwa durch einen bei der Anhörung des Beamten anwesenden, bloß beobachtenden Sachverständigen - und einer aktiven Mitwirkung an einer Untersuchung liegt. Da eine fachpsychiatrisch/ neurologische Untersuchung, wie sie hier angeordnet wurde, typischerweise eine Befragung der zu begutachtenden Person sowie Messungen oder Tests umfassen, musste der Beklagte den Hinweis des Klägers so verstehen, dass er verpflichtet sein sollte, aktiv hieran mitzuwirken.

Wegen der Verletzung des Grundsatzes, wonach ein Beamter nicht verpflichtet ist, aktiv am Nachweis einer Dienstpflichtverletzung mitzuwirken, darf das genannte Gutachten von Prof. Dr. B. nebst den ergänzenden Stellungnahmen in zumindest entsprechender Anwendung von § 20 Abs. 3 LDG nicht zum Nachteil des Beklagten verwendet werden.
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