Startseite ⁄ Beamtenrecht ⁄ Konkurrentenschutz⁄ Anforderungsprofil in Ausschreibung ⁄ VG Schleswig 05.12.18, 12 B 59/18 und 02.04.20 - 12 B 11/20 -
Beschränkung des Bewerberkreises bei Beförderungsauswahl durch Anforderungsprofil

Nicht ganz unumstritten ist die Frage, ob im Zuge einer Ausschreibung der Bewerberkreis begrenzt werden darf.
Vom Dienstherrn gesteuert wird dies durch die Vorgabe eines Anforderungsprofils in der Ausschreibung.
Das Anforderungsprofil muss grundlegenden rechtlichen Vorgaben genügen, es darf den Bewerberkreis nicht unfair / aus unsachlichen Gründen einengen.
Das Verwaltungsgericht Schleswig äußert sich in einer brilliant geschriebenen Entscheidung vom 05.12.18 kritisch zu einem Anforderungsprofil.
Gegen den Beschluss hat der Dienstherr Beschwerde erhoben, die von dem OVG Schleswig durch Beschluss vom 17.06.19 - 2 MB 32 / 18 - zurückgewiesen wurden. Beide Beschlüsse finden Sie in der Rechtsprechungsdatenbank des Landes Schleswig-Holstein.

Dort finden Sie auch den Beschluss vom 02.04.20 in der Sache - 12 B 11/20 -, dem der Fall zugrunde liegt, dass der Dienstherr im Zuge des Auswahlverfahrens überraschend zwei weitere Anforderungskriterien aufstellte, über welche die Bewerber nicht unterrichtet wurden.

Verwaltungsgericht Schleswig, Beschluss vom 05.12.18, 12 B 59/18

Tenor
Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, den Antragsteller in das Auswahlverfahren betreffend die Besetzung der Stelle der Leiterin oder des Leiters der Justizvollzugsanstalt Kiel vorläufig weiter einzubeziehen.

Gründe

5 Dem Antragsteller steht ein Anordnungsgrund zur Seite. Nur im Fall seiner Einbeziehung in das weitere Auswahlverfahren können seine Rechte auf Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), insbesondere durch fristgerechte Benachrichtigung als Konkurrent im Falle einer für ihn negativen Auswahlentscheidung gewährleistet werden.

6 Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
7 Der Antragsteller ist durch seinen Ausschluss vom weiteren Auswahlverfahren des Antragsgegners betreffend die Besetzung der im Tenor genannten Stelle in seinem durch Art. 33 Abs. 2 GG gewährleisteten Recht auf chancengleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Maßgabe von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung verletzt worden. Sein Ausschluss vom weiteren Auswahlverfahren ist auf der Grundlage von auf den konkreten Dienstposten bezogenen unzulässigen Ausnahmeanforderungen getroffen worden.
8 Der Antragsgegner hat den Antragsteller vom weiteren Auswahlverfahren im Wesentlichen mit der Erwägung ausgeschlossen, dass er das Anforderungsprofil hinsichtlich der geforderten „umfassenden Kenntnisse im Vollzugs- und Verwaltungsrecht für den Bereich des Justizvollzuges“ sowie „Führungs- und Leitungsaufgaben im Justizvollzug und einer obersten Landesbehörde oder vergleichbaren Organisationseinheiten“ nicht erfülle. Er hat das erste Profilmerkmal als konstitutives Merkmal angesehen, weil die Aufgaben des ausgeschriebenen Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse erforderten, die nicht jeder Laufbahnbewerber regelmäßig mit sich bringe und die er sich nicht in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung verschaffen könne.
9 Damit wird die Entscheidung jedoch nicht den Maßgaben, die aus Art. 33 Abs. 2 GG im Hinblick auf die Bestimmung des Anforderungsprofils folgen, gerecht.

10 Grundsätzlich fällt es zwar in das vom Gericht nur eingeschränkt überprüfbare Organisationsermessen des Dienstherrn, wie er seine Dienstposten zuschneidet und welche Fachkenntnisse er zur Erfüllung der daraus resultierenden Aufgaben für erforderlich ansieht. Ist jedoch mit der Dienstpostenvergabe auch – wie hier – eine statusrechtliche Entscheidung verbunden, sind die Vorgaben des Anforderungsprofils an den Maßstäben von Art. 33 Abs. 2 GG zu messen.
11 Mit dem Anforderungsprofil wird die Zusammensetzung des Bewerberfeldes gesteuert und eingeengt. Durch die Bestimmung des Anforderungsprofils legt der Dienstherr die Kriterien für die Auswahl der Bewerber fest, an ihnen werden die Eigenschaften und Fähigkeiten der Bewerber um den Dienstposten gemessen. Fehler im Anforderungsprofil führen daher grundsätzlich auch zur Fehlerhaftigkeit des Auswahlverfahrens, weil die Auswahlerwägungen dann auf sachfremden, nicht am Grundsatz der Bestenauswahl orientierten Gesichtspunkten beruhen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.06.13 – 2 VR 1.13 – Juris, Rdnr. 27).

12 Bei der Bestimmung des Anforderungsprofils ist der Dienstherr an die gesetzlichen Vorgaben gebunden und damit – soweit eine an Art. 33 Abs. 2 GG zu messende Dienstpostenvergabe in Rede steht – auch zur Einhaltung des Grundsatzes der Bestenauslese verpflichtet. Hiermit ist eine Einengung des Bewerberfeldes aufgrund der besonderen Anforderungen eines bestimmten Dienstpostens grundsätzlich nicht vereinbar. Einen Bewerber bereits in einer Vorauswahl vom weiteren Verfahren auszuschließen, ihn also gar nicht in den Leistungsvergleich einzubeziehen, weil er den besonderen Anforderungen des aktuell zu besetzenden Dienstpostens nicht entspricht, steht mit dem Laufbahnprinzip grundsätzlich nicht in Einklang (BVerwG, Beschlüsse vom 20.06.13, aaO, Rdnr. 28 und vom 19.12.14, aaO, Rdnr. 25). Denn nach dem Leistungsprinzip wird ein Beamter aufgrund seiner Befähigung für eine bestimmte Laufbahn regelmäßig als geeignet angesehen, jedenfalls diejenigen Dienstposten auszufüllen, die seinem Statusamt entsprechen oder dem nächsthöheren Statusamt zugeordnet sind; es kann grundsätzlich erwartet werden, dass der Beamte imstande ist, sich in die Aufgaben dieser Dienstposten einzuarbeiten (BVerwG, Beschlüsse vom 20.06.13, aaO, Rdnr. 28 und vom 19.12.14, Rdnr. 25).
13 Ausnahmen hiervon sind nur zulässig, wenn die Wahrnehmung der Aufgaben eines Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse und Fähigkeiten voraussetzt, die ein Laufbahnbewerber regelmäßig nicht mitbringt und sich in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung auch nicht verschaffen kann (BVerwG, Beschlüsse vom 20.06.13, aaO, Rdnr. 31 und vom 19.12.14, aaO, Rdnr. 20). Dienstpostenbezogene Ausnahmeanforderungen können sich dabei etwa aus dem Erfordernis bestimmter Fachausbildungen ergeben. Je stärker die fachliche Ausdifferenzierung der Organisationseinheiten ist und je höher die Anforderungen an die Spezialisierung der dort eingesetzten Beamten sind, desto eher kann es erforderlich werden, im Interesse der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung besondere Qualifikationsanforderungen an die künftigen Stelleninhaber zu stellen. Aus den besonderen Aufgaben eines Dienstpostens können sich auch über die Festlegung der Fachrichtung hinaus Anforderungen ergeben, ohne deren Vorhandensein zugeordneten Funktionen schlechterdings nicht wahrgenommen werden können (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20.06.13, aaO und vom 19.12.14, aaO, Rdnr. 28 ff.). Das Bundesverwaltungsgericht hat das Vorliegen solcher Ausnahmen etwa dann angenommen, wenn besondere fachspezifische (technische) Vorkenntnisse (Beschluss vom 20.06.13 aaO. Rdnr. 34 unter Hinweis auf OVG Koblenz, Beschluss vom 06.02.12 – 10 B 11334/11 – für einen Fachmann auf dem Gebiet Informationstechnik und Elektrotechnik) bzw. besondere Sprachkenntnisse (Beschluss vom 20.06.13, aaO, Rdnr. 36) oder ein wissenschaftlicher Hochschulabschluss aus einer bestimmten Fächergruppe (Beschluss vom 19..2014, aaO, Rdnr. 29) zwingend für die Aufgabenwahrnehmung erforderlich waren.
14 Voraussetzung für das Vorliegen einer solchen Ausnahme hat indes der Dienstherr darzulegen, sie unterliegen voller gerichtlicher Kontrolle.

15 Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben ist nicht zu erkennen, dass ausnahmsweise die Voraussetzungen vorliegen, unter denen dienstpostenspezifische Anforderungsmerkmale für eine statusrechtlich-relevante Auswahlentscheidung zulässig wären. Der Antragsgegner hat dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass nur aufgrund des Vorhandenseins umfassender Kenntnisse im Vollzugs- und Verwaltungsrecht für den Bereich des Justizvollzuges eine Aufgabenwahrnehmung überhaupt möglich wäre und in besonderen Einzelfällen, in denen eine schnelle Entscheidung getroffen werden müsse (sicherheitsrelevante Vorkommnisse, auch verbunden mit einer Unterbringung eines Gefangenen in einer anderen Anstalt, Meuterei etc.) und dieses Wissen dringend notwendig sei, um den rechtlichen Rahmen sowie die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gewährleisten zu können bzw. dass die Gesamtverantwortung für den Vollzug in einer Anstalt dem Anstaltsleiter/der Anstaltsleiterin dabei vom ersten Tag obliege und eine Übergangsphase angesichts dessen, dass gerade lediglich eine Anstaltsleitung pro Anstalt existiere, nicht vorgesehen und auch nicht realisierbar sei. Sowohl dieses Vorbringen als auch die übrige Begründung des Antragsgegners, die sich sich im Wesentlichen in Feststellungen und Behauptungen erschöpft, sind indes nicht geeignet, die zwingende Notwendigkeit der Erfüllung des von ihm so bezeichneten konstitutiven Anforderungsprofilmerkmals begründen zu können.

16 Die Kammer hält bereits das vorliegend maßgeblich zum Ausschluss des Antragstellers herangezogene Profilmerkmal nicht für konstitutiv. Konstitutiv sind nur solche Kriterien, die objektiv überprüfbar, insbesondere ohne die ansonsten gebotene Rücksichtnahme auf Wertungsspielräume des Dienstherrn eindeutig und unschwer festzustellen sind. Demgegenüber kennzeichnet das fakultative/nicht konstitutive Anforderungsprofil solche Qualifikationsmerkmale, die entweder ausdrücklich nicht zwingend vorliegen müssen, weil sie beispielsweise nur „erwünscht“, „erwartet werden“ oder „vorhanden sein sollen“, oder die ihrer Art nach nicht allein anhand objektiv überprüfbarer Faktoren festgestellt werden können (vgl. OVG Bautzen, Beschluss vom 27.03.15 – 2 B 308/14 – Juris, Rdnr. 13).
Die Abgrenzung zwischen dem konstitutiven und dem fakultativen Teil des Anforderungsprofils ist eine Frage der Auslegung des Ausschreibungstextes, welche entsprechend § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) danach zu erfolgen hat, wie die Erklärung aus Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtung zu verstehen ist (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 22.08.2014 – 2 MB 17/14 – Juris, Rdnr. 28).


Die Einschätzung, dass es sich bei der Wendung „Umfassende Kenntnisse im Vollzugs- und Verwaltungsrecht für den Bereich des Justizvollzuges“ um ein konstitutives Profilmerkmal handelt, begegnet deshalb Bedenken, weil bereits das Adjektiv „umfassend“ durchaus Wertungsspielräume eröffnet. Wann dieses Merkmal vorliegen soll, insbesondere in welchem Umfang, für welche Dauer und in welcher Tiefe solche Kenntnisse erworben worden sein müssen, hat der Antragsgegner weder in der Ausschreibung, noch im Ablehnungsbescheid, noch im gerichtlichen Verfahren näher dargelegt. Dazu hätte aber umso mehr Anlass bestanden, als der Antragsteller, wie er in seiner Stellungnahme vom 24.09.18 im Einzelnen ausgeführt hat, durchaus Kenntnisse im Vollzugs- und Verwaltungsrecht für den Bereich des Justizvollzuges aufweist. Er hat dazu insbesondere unter Beifügung eines Auszuges aus dem Internetauftritt der Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaft, wo er einschlägige Vorlesungen besucht und Seminare absolviert hat, dargelegt, dass er über einschlägige Kenntnisse verfügt, was im Übrigen auch der Antragsgegner ausweislich seiner Stellungnahme vom 02.11.18 eingeräumt hat, allerdings die Kenntnisse des Antragstellers nur auf Teilbereiche beschränkt wissen will. Allein die Auseinandersetzung der Beteiligten über die Bewertung des Begriffs „umfassend“ zeigt nach Auffassung der Kammer, dass dieses Profilmerkmal interpretations- bzw. ausfüllungsbedürftig, aber nicht konstitutiv in dem Sinne ist, dass der Erwerb entsprechender Kenntnisse (nach der Vorstellung des Antragsgegners) nicht (mehr) nachholbar ist bzw. ein Bewerber sie sich nicht mehr aneignen könnte.
17 Da sich neben dem Antragsteller ausschließlich Personen beworben haben, die bereits langjährige Tätigkeiten im Vollzug aufweisen, hat sich der Antragsgegner offenbar von der Vorstellung leiten lassen, dass nur das in diesen Funktionen erworbene theoretische und praktische Wissen als Maßstab für „umfassende Kenntnisse im Vollzugs- und Verwaltungsrecht“ dienen soll. Dann hätte der Antragsgegner dies aber - als (konkrete) Voraussetzung – in die Ausschreibung aufnehmen müssen.
18 Nach allem ist das Merkmal „umfassend“ nicht objektiv überprüfbar, sondern eröffnet Wertungsspielräume.
Es fehlt insgesamt an einem Orientierungsrahmen, um dieses Profilmerkmal als konstitutiv ansehen zu können.

19 Auch wenn das Vorbringen des Antragsgegners sein Interesse an der Auswahl eines schon in dem Sachgebiet, in dem der konkrete Dienstposten angesiedelt ist, eingearbeiteten Beamten nachvollziehbar macht, rechtfertigt es auch nicht ausnahmsweise die maßgebliche Berücksichtigung von insoweit dienstpostenbezogenen Ausnahmeanforderungen im Hinblick auf die Kenntnisse von Vollzugs- und Verwaltungsrecht im Bereich des Justizvollzuges. Für die Kammer ist auch nicht erkennbar, dass eine erforderliche Einarbeitung des Dienstposteninhabers für eine – zumutbare – Zeit nicht möglich sein soll. Dem gesamten Vortrag des Antragsgegners lässt sich nichts Substantielles für die (gerechtfertigte) Annahme entnehmen, dass diese Anforderungen in fachlicher Hinsicht grundsätzlich nicht durch einen Laufbahnangehörigen wie dem Antragsteller nach einer zumutbaren Zeit der Einarbeitung bewältigt werden können. Die vorgetragenen Gründe, die einer Einarbeitung in zumutbarer Zeit entgegenstehen sollen, sind nicht derart komplex und von besonderer fachspezifischer Natur, dass dafür eine besonders lange Einarbeitungszeit erforderlich wäre. In den Blick zu nehmen ist in diesem Zusammenhang auch die – vom Antragsgegner generell nicht in Abrede gestellte – Tatsache, dass der Antragsteller zumindest teilweise über die Kenntnisse im Vollzugs -und Verwaltungsrecht verfügt. Warum dann eine Einarbeitung, in Teilbereichen für den Antragsteller wohl nur eine Vertiefung seiner bisherigen Kenntnisse in einem überschaubaren Zeitraum, nicht möglich sein soll, erschließt sich der Kammer nicht.

20 Hinzu kommt ein weiterer Aspekt:
21 Der bisherige Anstaltsleiter ist mit Ablauf des 31.05.18 in den Ruhestand getreten. Seitdem, d. h., bereits über ein halbes Jahr, dürfte die Justizvollzugsanstalt Kiel (kommissarisch) durch den stellvertretenen Anstaltsleiter geführt worden sein. Dieser Umstand zeigt, dass der Betrieb der JVA Kiel auch ohne Vorhandensein eines Leiters aufrechterhalten werden kann, was auch dann möglich sein dürfte, wenn es (bei unterstellter Auswahl des Antragstellers) tatsächlich notwendig ist, ihn (durch den stellvertretenen Leiter und/oder die Abteilungsleiter der JVA) in einem begrenzten Zeitraum in einen Teilbereich seiner Aufgaben einzuarbeiten, ohne dass der Betrieb der JVA Schaden nimmt.

22 Der Ausschluss des Antragstellers aus dem weiteren Bewerbungsverfahren ist darüber hinaus auch deshalb rechtswidrig, weil der Antragsgegner in seiner Begründung (auch) darauf abgestellt hat, dass der Antragsteller keine Führungs- und Leitungsaufgaben im Justizvollzug wahrgenommen hat. Zwar wird in der Antragserwiderung vom 14.09.18 vom Antragsgegner zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich bei diesem Kriterium (ebenfalls) nicht um eine nach der Stellenausschreibung als konstitutives Element formulierte Anforderung handele und er – der Antragsgegner – in Anbetracht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschluss vom 20.06.13, aaO, Rdnr. 49) auf dieses Kriterium nicht maßgeblich für den Ausschluss des Antragstellers aus dem weiteren Bewerbungsverfahren abstelle.
23 Dies ist indes widersprüchlich und auch unzutreffend. Ausweislich des Ablehnungsbescheides vom 16.07.18 wird die Nichterfüllung dieses Merkmals als wesentlich für den Ausschluss des Antragstellers herangezogen. Es heißt dort ausdrücklich, dass der Antragsteller durch seine Tätigkeit im Polizeidienst nicht über Erfahrungen im Bereich des Justizvollzuges verfüge. Die Aufgabenstellung und die innere Organisation einer Vollzugsanstalt unterschieden sich erheblich von der Polizeiorganisation. Eine Vergleichbarkeit mit dem komplexen Aufbau des Justizvollzuges sei nicht gegeben. Erst im nächsten Absatz und als zusätzlicher Ablehnungsgrund, was durch das Wort „zudem“ verdeutlicht wird, wird auf das nach Auffassung des Antragsgegners vom Antragsteller nicht erfüllte konstitutive Profilmerkmal „umfassende Kenntnisse im Verwaltungs- und Vollzugsrecht für den Bereich des Justizvollzuges“ abgestellt.
24 Diese – selbständige – Ablehnung trägt nicht. Sie verkennt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungs­gerichts ein solches Kriterium (vorliegend handelt es sich nach den obigen Maßstäben um ein sogenanntes fakultatives/nicht konstitutives Profilmerkmal, was von den Beteiligten auch nicht in Zweifel gezogen wird) im Rahmen der Auswahlentscheidung erst, und nur dann herangezogen werden kann, wenn die Bewerber aufgrund des Vergleichs der Gesamturteile der dienstlichen Beurteilungen und gegebenenfalls nachfolgender Binnendifferenzierungen (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 22.09.16 – 2 B 598/08 Juris, Rdnr. 46 ff. und BVerwG, Beschluss vom 19.12.14, aaO, Rdnr. 35 ff.) als im Wesentlichen gleich geeignet anzusehen sind. Erst dann wechselt der Bezugspunkt der Entscheidung dergestalt, dass nunmehr das Amt im funktionellen Sinne maßgeblich wird (OVG Bremen, Beschluss vom 22.09.16, aaO, Rdnr. 49). Es gilt dann, dass sich leistungsbezogene Auswahlkriterien aus den aktuellen dienstlichen Beurteilungen ergeben können, wenn sich aus der Bewertung der einzelnen Beurteilungsmerkmale hinsichtlich Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung – insbesondere auch im Hinblick auf das mit dem zu besetzenden Dienstposten verbundene Anforderungsprofil – ein Leistungsunterschied ergibt. In diesem Fall wäre das konkret-funktionelle Amt für die Auswahlentscheidung maßgeblich.

25 Eine solche Konstellation liegt aber nicht vor.
26 Es kann nämlich nicht von einer im Wesentlichen gleichen Eignung der Bewerber ausgegangen werden. Der Antragsgegner hat ausweislich seines Vermerks vom 08.02.18 selbst (zu Recht) festgestellt, dass der Antragsteller – im Gegensatz zu allen Beigeladenen – zum einen die in der Stellenausschreibung genannten Kriterien des Anforderungsprofils im Hinblick auf die vorliegenden dienstlichen Beurteilungen und nach Übertragung auf das Schleswig-Holsteinische Bewertungssystem mit einer Beurteilung zwischen „die Anforderungen werden hervorragend übertroffen“ und „die Anforderungen werden deutlich übertroffen“ und damit am besten erfüllt und darüber hinaus als einziger Bewerber auch eine Beurteilung aufweist, die dem Gesamturteil „die Anforderungen werden hervorragend übertroffen“ entspricht. Von einer im Wesentlichen gleichen Beurteilungslage kann danach allenfalls im Hinblick auf den Beigeladenen zu 3) gesprochen werden, dessen Beurteilungsgesamturteil ebenfalls nur auf „die Anforderungen werden deutlich übertroffen“, lautet, dies allerdings in dem statushöheren Amt eines Regierungsdirektors.
27 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, 162 Abs. 3 VwGO.
28 Der Wert des Streitgegenstandes ist gemäß §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 4 iVm Satz 1 Nr. 1 GKG festgesetzt worden. Er beträgt 1/4 der Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge des angestrebten Amtes mit Ausnahme nicht ruhegehaltfähiger Zulagen (OVG Schleswig, Beschluss vom 29.06.18 – 2 MB 3/18 -)


Verwaltungsgericht Schleswig, Beschluss vom 02.04.20 - 12 B 11/20 -
17
[Die in der Ausschreibung geforderten Anforderungen] erfüllt der Antragsteller.
18
Zur „Konkretisierung“ hat die Antragsgegnerin allerdings dann in Ihrer Email vom 04.11.19 – intern – über die in der Ausschreibung enthaltenen hinaus zwei weitere „Vorauswahlkriterien“ aufgestellt („mindestens fünf Jahre Einsatzkraft des Löschzuges“ sowie „Verwendung als Ausbilder in der Brandschutzausbildung innerhalb der letzten drei Jahre“). Sie hat den Antragsteller dann ohne nähere Begründung vom weiteren Verfahren ausgeschlossen.
19
Diese Einengung des Bewerberfeldes und der Ausschluss des Antragstellers durch die Aufstellung weiterer (neuer) Anforderungsmerkmale ist verfahrensfehlerhaft.

20
Es ist nach den obigen Darlegungen unzulässig, die Auswahlkriterien nachträglich dergestalt zu ändern, dass sich der Bewerberkreis erweitern würde, ohne dass mögliche Interessenten davon Kenntnis erhielten (BVerwG, Beschluss vom 20.06.2013 a.a.O. Rn. 32). Gleiches gilt nach dem Vorstehenden, wenn dadurch der Bewerberkreis nachträglich eingeengt wird und so ggf. Bewerber ausgeschlossen würden, die nach der Beurteilungslage ggf. besser als die diese – neuen – Anforderungen erfüllenden Kandidaten sind. Die Antragsgegnerin hätte, wenn sie diese Merkmale für konstitutiv (zwingend) erachtet (was aus den nachfolgenden Gründen indes nicht der Fall ist), diese bereits in die Stellenausschreibung aufnehmen oder das Verfahren abbrechen und die Stelle neu (mit geänderten Anforderungen) ausschreiben müssen.
21
Bei dem – nachträglich – aufgestellten Profilmerkmal „Verwendung als Ausbilder in der Brandschutzausbildung innerhalb der letzten drei Jahre“, dessen Nichterfüllung nach den Ausführungen in der Antragserwiderung zum Ausschluss des Antragstellers vom weiteren Verfahren geführt hat, handelt es nicht um ein konstitutives Merkmal.
22
Die Antragsgegnerin selbst hält nämlich die Berufserfahrung als Ausbilder im Brandschutz lediglich für „wünschenswert“ (vgl. das sog. Formalprofil der ausgeschriebenen Stelle, Bl. 2 der Beiakte B). Es handelt sich demnach gerade um kein zwingendes Profilmerkmal, dessen Nichterfüllung einen Bewerber vom weiteren Verfahren ausschlösse. Die Antragsgegnerin hat bei ihrer Auswahl indes maßgeblich auf dieses Merkmal abgestellt und damit in unzulässiger Weise ein(bloß) deklaratorisches Profilmerkmal zum Anlass genommen, den Antragsteller vom weiteren Verfahren auszuschließen, insbesondere ihn nicht zu den im Anschluss daran durchgeführten Auswahlgesprächen einzuladen.
23
In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass nach dem Leistungsprinzip ein Beamter grundsätzlich aufgrund seiner Befähigung für eine bestimmte Laufbahn regelmäßig als geeignet angesehen wird, jedenfalls diejenigen Dienstposten auszufüllen, die seinem Statusamt entsprechen oder dem nächsthöheren Statusamt zugeordnet sind; es kann grundsätzlich erwartet werden, dass der Beamte imstande ist, sich in die Aufgaben dieser Dienstposten einzuarbeiten (BVerwG, Beschlüsse vom 20.06.2013 a.a.O. Rn. 28 und vom 19.12.2014 Rn. 25). Ausnahmen hiervon sind nur zulässig, wenn die Wahrnehmung der Aufgaben eines Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse und Fähigkeiten voraussetzt, die ein Laufbahnbewerber regelmäßig nicht mitbringt und sich in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung auch nicht verschaffen kann (BVerwG, Beschlüsse vom 20.06.2013, aaO, Rn. 31 und vom 19.12.2014, aaO, Rn. 20). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
24
Ohne, dass es noch darauf ankäme, könnten auch die Ausführungen der Antragsgegnerin in ihrer Erwiderungsschrift, soweit sich ihnen entnehmen ließe, dass sie – nunmehr – die Anforderung „Berufserfahrung als Ausbilder“ als konstitutiv verstanden wissen will („notwendig“, „zwingend erforderlich“, vgl. S. 3 seiner Erwiderung), nicht zu einer anderen Entscheidung führen. Diese Erwägungen sind unerheblich. Ein „Nachschieben“ von Gründen, die – erstmalig – eine Nichteignung des Antragstellers wegen Nichterfüllung des genannten Profilmerkmals belegen sollen, wäre nicht zulässig.
25
Für die Nachholung der Begründung der Auswahlentscheidung gilt § 114 Satz 2 VwGO. Diese Vorschrift lässt aber nur die Ergänzung von Ermessenserwägungen im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens zu, nicht aber die vollständige Nachholung bzw. Auswechslung der die Ermessensentscheidung tragenden Gründe (BVerfG, Beschluss vom 9.7.2007 -2 BvR206/07 – juris Rn. 23). Deshalb dürfen die Auswahlerwägungen des Dienstherrn im gerichtlichen Verfahren lediglich ergänzt, nicht aber - wie hier - erstmals geltend gemacht werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.8.2003 - BVerwG 1 WB 23.03 - juris Rn. 6).
26
Nach allem sind die Aussichten des Antragstellers, und dies ist für den Erfolg des Antrages ausreichend, im Falle eines ordnungsgemäßen Auswahlverfahrens zum Zuge zu kommen, jedenfalls offen. Denn es erscheint möglich, dass die Antragsgegnerin seine Auswahl, nach einem Vergleich der Bewerber zugunsten des Antragstellers trifft.
Beamtenrecht / Übersicht Beamtengesetze
Konkurrentenschutz
Bewerbungsverfahrensanspruch
Organisationsentscheidung Organisationshoheit des Dienstherrn Dienst in höherwertiger Funktion wertgleiche Umsetzung Auswahl unter BewerbernKonkurrenz nach Art. 33 II GG gesundheitliche Eignung Disziplinarverfahren Laufbahnbefähigung Beförderungsverbote Stehzeit im Amt als Voraussetzung Beförderungsplanstelle Dienst in höherwertiger Funktion wertgleiche Umsetzung Einengung des Bewerberkreises Leistungsprinzip / Art. 33 II GG Beurteilung als Grundlage Hochschulrecht / Professur Konkurrenz um Richterstelle § 9 BBG (und AGG) Frauenförderung spezielle Gesetze Beförderungsrichtlinien
Die Handhabung faires Auswahlverfahren Stellenausschreibung Pflicht? Ausschreibung / Kriterien Ausschreibung/ Anforderungsprofil Bundesverfassungsgericht zulässige konstitutive Kriterien? Berufserfahrung notwendig? Erfahrungen im Voramt Mindest-Verwendungsbreite? Führungserfahrung / -eignung Erfahrungen im Abgabenrecht? Kenntnisse im Luftsicherheitsrecht? Kenntnisse im Völkerrecht EDV-Kenntnisse unabdingbar? BVerwG - nur mit Doktortitel? Befähigung zum Richteramt? NdsOVG - Landeskinderklausel Regional begrenzte Auswahl? nur aus dem Landgerichtsbezirk? Das weitere Auswahlverfahren Bewerbungsfrist Auswahl- / Vorstellungsgespräch Assessmentcenter Persönlichkeitstest Abbruch des Auswahlverfahrens Mitteilung von Ablehnung
Was tun im Streitfall? Überprüfung ist eilig Akteneinsichtsrecht Inhalt der Akten Widerspruch und/oder Klage Eilverfahren im Beförderungsstreit Der / die Beigeladene
Weitere Informationen Mehrfachbewerbung des Beamten Bewährungsaufstieg Besondere Testverfahren? Persönlichkeitstest BIP Aufstieg nur für Ältere? Aufstieg: Länge der Dienstzeit Schadensersatz rechtswidrige Vergabe der Stelle Rechtsprechung Bundeslaufbahnverordnung