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Verwaltungsgerichtliches Eilverfahren im Konkurrentenstreit unter Beamten bzw. Einstellungsbewerbern


Der Bewerbungsverfahrensanspruch ist im gerichtlichen Eilverfahren zu sichern.

Neben der Hauptsache (dem Widerspruchs- / Klagverfahren) ist zur Sicherung des Bewerberverfahrensanspruchs ein verwaltungsgerichtliches Eilverfahren notwendig. Denn Widerspruch und Klage gegen die Auswahlentscheidung hindern nicht die Beförderung des ausgewählten Beamten, weil sie keine aufschiebende Wirkung haben.

Aus rechtlichen Gründen muss die Beförderung des ausgewählten Bewerbers verhindert bzw. zumindest vorher eine entsprechende gerichtliche Entscheidung erwirkt werden, sofern nicht der Dienstherr zur Vermeidung eines solchen Verfahrens eine verbindliche Erklärung abgibt, dass er die Beförderung nicht vornehmen werde.
Zur Erinnerung: Es gibt im Regelfall ein Zeitfenster von 14 Tagen nach Zugang der Negativmitteilung.

1. Voraussetzung für einen Erfolg: Ein Anordnungsgrund muss gegeben sein.

Die Verwaltungsgerichte erlassen einstweilige Anordnungen in beamtenrechtlichen Angelegenheiten nur, wenn eine gerichtliche Entscheidung wirklich dringlich notwendig ist, um Rechtspositionen zu sichern. Sie fragen, ob ein Anordnungsgrund gegeben ist. Diese Frage stellt sich im Konkurrentenstreit, wenn die Auswahlentscheidung bekannt gegeben wurde und durch Beförderung des / der Ausgewählten oder zumindest durch eine Besetzung des Dienstpostens realisiert werden soll.
In diesem Bereich gab es ab 2015 Rechtsprechung mit einigem Hin und Her. Die Wogen haben sich allerdings weitgehend geglättet. Derzeit ergeben sich bei der Voraussetzung "Anordnungsgrund" nur selten Probleme.

In der überwiegenden Zahl der Verfahren ist der Anordnungsgrund (wieder) unproblematisch.

In einer Entscheidung vom 08.10.07 hatte das Bundesverfassungsgericht dargelegt, dass einstweiliger Rechtsschutz zumindest unter gewissen Voraussetzungen schon vor der Umsetzung des ausgewählten Bewerbers erlangt werden kann.

Deshalb gewähren die Gerichte Rechtsschutz häufig schon im Vorfeld einer Beförderung,
nämlich gegen eine Umsetzung des ausgewählten Bewerbers auf die höherwertige Stelle, auf der er sich bewähren (und bei einer Wiederholung der Auswahl deshalb einen Vorteil haben) könnte. Es wird also nicht (erst) die Beförderung verhindert, sondern vorher schon die Umsetzung auf die ausgeschriebene Position, also die Übertragung der Aufgaben.
Hierzu gab es etwa ab 2015 unterschiedliche Auffassungen, aber jetzt arbeitet die Praxis ganz überwiegend wieder nach diesem Modell.
Beispiel: OVG NRW, Beschluss vom 11.02.16 - 1 B 1206/15 - Beispiel: VG Kassel, Beschluss vom 11.01.16 - 2 BvR 1846/07 u. a. -

Vielleicht kann man die Dinge so zusammenfassen:

Das OVG Berlin-Brandenburg hat die Voraussetzungen in einem Beschluss vom 14.04.14 - OVG 7 S 19.14 - unter der Fragestellung, ob ein Anordnungsgrund gegeben sei, wie folgt dargestellt:

... Das Verwaltungsgericht verneint den Anordnungsgrund in einer Dienstpostenkonkurrenz nicht schlechthin, sondern nach zutreffender Anwendung der in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Fallgruppen in beamtenrechtlichen Auswahlentscheidungen.
Danach besteht ein Anordnungsgrund
- erstens bei einer unmittelbar nach Abschluss des Auswahlverfahrens vorgesehenen Beförderung des Ausgewählten (BVerwG, Urteil vom 04.11.10 – 2 C 16.09 – BVerwGE 138, 102 Rn. 31),
- zweitens bei einer vorweggenommenen Beförderungsentscheidung, die nach einer erfolgreich absolvierten Erprobungszeit (§ 22 Abs. 2 BBG, §§ 2 Abs. 7, 32 Nr. 2, 34 BLV) des Ausgewählten vollzogen wird (vgl. den Beschluss vom 25.10.11 – 2 VR 4.11 – Rn. 11),
- drittens bei der Auswahl für einen höherwertigen Dienstposten ohne gegenwärtige Beförderungsabsicht des Dienstherrn, die dem Ausgewählten, nicht aber dem Abgelehnten das Absolvieren der Erprobungszeit ermöglicht (Beschluss vom 20.06.13 – 2 VR 1.13 – BVerwGE 147, 20 Rn. 14 bis 16) und
- viertens bei der Auswahl für einen Dienstposten, auf dem der Ausgewählte einen Erfahrungsvorsprung gewinnt, der bei einer nochmaligen Auswahlentscheidung zu seinen Gunsten zu berücksichtigen wäre (Beschlüsse vom 27.09.11 – 2 VR 3.11 – Rn. 17 und vom 12.04.13 – 1 WDS-VR 1.13 –).
Daneben ist in der bisherigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg als Fallgruppe für einen Anordnungsgrund noch – fünftens – der Bewährungsvorsprung anerkannt, der auf einem (ausschließlich) höherwertigen Dienstposten erlangt werden kann und beurteilungsrelevant ist (Beschluss vom 31.03.08 – OVG 6 S 1.08 – Rn. 8 f. mit weiteren Nachweisen und einer Ausnahme vom Grundsatz).

2. Voraussetzung für einen Erfolg des abgelehnten Bewerbers im Eilverfahren: Anordnungsanspruch

Neben dem Anordnungsgrund muss ein Anordnungsanspruch gegeben sein. Hinter diesem Begriff versteckt sich eine ganze Prüfungsfolge, denn ein Anordnungsanspruch besteht, wenn das Beförderungsauswahlverfahren mit Rechtsfehlern behaftet ist. Das Gericht prüft anhand der Akten des Auswahlverfahrens, ob alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Mit den verschiedenen Aspekten befasst sich ein großer Teil unserer Ausführungen.
Es handelt sich um eine sehr komplizierte rechtliche Materie.
Deshalb meinen wir:

Falls Sie als unterlegener Bewerber ein Eilverfahren in Betracht ziehen, sollten Sie schnell anwaltliche Hilfe suchen und einiges erwägen.






Rückblick: Die Wirrungen nach 2016 in der Frage des Anordnungsgrundes dürften überwunden sein.

Falls Sie - sozusagen rechtsgeschichtlich - die Entwicklung trotzdem noch einmal aufarbeiten wollen, sind insbesondere die beiden nachstehenden Entscheidungen von Bedeutung.
Der zweite Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat in einem Beschluss vom 10.05.16 - 2 VR 2.15 - seine Rechtsprechung zur Frage, wann ein gerichtliches Eilverfahren angestrengt werden kann, in einem wichtigen Punkt ausdrücklich geändert. Wir mussten umdenken.
Sie finden den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.05.16 hier. Wichtige Ergänzung dazu durch Beschluss vom 21.12.16 - 2 VR 1.16 -
Allerdings wussten wir alle nicht, wie wir umdenken sollten. Denn das Bundesverwaltungsgericht hatte seine Weisheiten nur undeutlich formuliert und uns Praktikern kein deutliches, brauchbares Konzept vorgegeben.
Mehrere Gerichte orientierten sich an dieser Änderung der Rechtsprechung und ließen es zu, dass der ausgewählte Bewerber / die ausgewählte Bewerberin vorläufig die ausgeschriebene Stelle besetzte. Grund für ein gerichtliches Einschreiten bestand nach dieser Rechtsprechung erst dann, wenn der Dienstherr die Beförderung vornehmen wollte. Aber auch das war noch nicht der Weisheit letzter Schluss.

Weitere Entscheidungen im Zusammenhang mit der damaligen Änderung der Rechtsprechung, heute nicht mehr relevant: Beschluss des VGH BW vom 27.07.16 - 4 S 1083 / 16 - Das OVG Lüneburg vertritt auch in 2017 noch eine andere Auffassung. Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg vom 05.01.17 - 4 S 40.16 - VGH München 09.01.17 VGH Kassel 28.04.17 - 1 B 947/17 - = NVwZ 2017, 1144 ff OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 05.05.17 - 2 B 10279/17.OVG
Beamtenrecht / Übersicht Beamtengesetze
Konkurrentenschutz Konkurrentenschutz A - Z
Bewerbungsverfahrensanspruch
Organisationsentscheidung Organisationshoheit des Dienstherrn Dienst in höherwertiger Funktion wertgleiche Umsetzung Auswahl unter BewerbernKonkurrenz nach Art. 33 II GG gesundheitliche Eignung Disziplinarverfahren Laufbahnbefähigung Beförderungsverbote Stehzeit im Amt als Voraussetzung Beförderungsplanstelle Dienst in höherwertiger Funktion wertgleiche Umsetzung Leistungsprinzip Beurteilung als Grundlage Hochschulrecht / Professur Konkurrenz um Richterstelle § 9 BBG (und AGG) spezielle Gesetze Beförderungsrichtlinien
Die Handhabung faires Auswahlverfahren Stellenausschreibung Pflicht? Ausschreibung / Kriterien Ausschreibung/ Anforderungsprofil Das weitere Auswahlverfahren Bewerbungsfrist Auswahl- / Vorstellungsgespräch Assessmentcenter Persönlichkeitstest Abbruch des Auswahlverfahrens Mitteilung von Ablehnung
Was tun im Streitfall? Überprüfung ist eilig Akteneinsichtsrecht Inhalt der Akten Umfang der Akteneinsicht Widerspruch und/oder Klage
Eilverfahren Eilverfahren 2 Eilverfahren 3 Gerichtliche Zuständigkeit BVerfG - 2 BvR 1586/07 - BVerfG - 2 BvR 1846/07 - BVerfG - 2 BvR 706/09 Zum Anordnungsgrund BVerwG 10.05.16 - 2 VR 2.15 BVerwG 21.12.16 - 2 VR 1.16 - Sehr klar: VG Schleswig 12.09.19 VGH BW 27.07.16 OVG Lüneburg 03.01.17 OVG BB 05.01.17 VGH München 09.01.17 VGH Kassel 28.04.17 VG Wiesbaden 20.03.17 OVG Rh-Pf 05.05.17 Beteiligter im Eilverfahren Der / die Beigeladene
Weitere Informationen Mehrfachbewerbung des Beamten Bewährungsaufstieg Besondere Testverfahren? Persönlichkeitstest BIP Aufstieg nur für Ältere? Aufstieg: Länge der Dienstzeit Schadensersatz rechtswidrige Vergabe der Stelle Rechtsprechung Bundeslaufbahnverordnung



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