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Beförderungsauswahl: Dienstliche Beurteilungen aus verschiedenen Statusämtern

Dienstliche Beurteilungen bilden die wichtigste Grundlage für eine Entscheidung unter mehreren für eine Beförderung in Betracht kommenden Beamten, also für die Bestenauslese. Dies ist die seit langem herrschende Auffassung.
Über den Grundsatz gibt es kaum noch Streit, Einzelheiten der Umsetzung können hinterfragt werden.

 Beurteilungen von Bewerbern aus unterschiedlichen Statusämtern

Je nach Art der Beförderungsauswahl bzw. den Vorgaben der Ausschreibung ist es möglich, dass die einzelnen Bewerber sich in verschiedenen Statusämtern befinden. Wenn nun zwei Bewerber in der Gesamtnote der Beurteilungen gleich stehen, der eine aber im einem höheren Statusamt (z.B. A12) als der andere (z.B. A11) beurteilt wurde, gelten beide Bewerber dann als gleich gut beurteilt?

Da das Bundesverwaltungsgericht fordert, dass den dienstlichen Beurteilungen als Maßstab die Anforderungen des jeweiligen Statusamtes (und nicht die Anforderungen des konkreten Dienstpostens) zugrunde gelegt werden, wird der Bewerber im höheren Statusamt an höheren Anforderungen gemessen worden sein als der Bewerber im niedrigeren Rang.
Bei dieser Konstellation geht man überwiegend davon aus, dass der im höheren Statusamt beurteilte Bewerber bei gleich gutem Prädikat besser beurteilt ist bzw. dass er - sofern schlechter beurteilt - bis zu einer Notenstufe "aufholen" kann.
Hierzu gibt es allerdings viele unterschiedliche Meinungen und alles endet dann wieder bei der Feststellung, dass es auf die Umstände des Einzelfalles (bzw. auf die Ansicht des jeweiligen Gerichts zu dieser Frage) ankommt.

Es gibt jedenfalls auch um diese Frage vielfältige Diskussionen.
In neuerer Zeit spricht man über die nachstehende Entscheidung, die noch komplizierter gelagert ist als der Regelfall, weil es hier u.a. um richterliche Statusämter geht.
Wir versuchen das aus den Ausführungen des Gerichts herauszuziehen, was das grundsätzliche Problem beleuchtet.

VGH München, Beschluss v. 01.02.22 – 6 CE 21.2708

Bewerbungsverfahrensanspruch – Beurteilung im höheren Statusamt bei formal gleicher Bewertung besser

Leitsätze:
1. Der Leistungsvergleich unter mehreren Bewerbern im Rahmen einer dienstrechtlichen Auswahlentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 GG hat – vor allem – anhand dienstlicher Beurteilungen zu erfolgen; hierbei ist darauf zu achten, dass die dem Vergleich der Konkurrenten zugrunde gelegten Beurteilungen untereinander vergleichbar sind.
2. Es obliegt hingegen weitgehend dem Einschätzungsspielraum des Dienstherrn, ob und wenn ja welchem der beiden Aufgabenkreise des Vizepräsidenten er bei der Formulierung des Anforderungsprofils sowie im Rahmen der anschließenden Auswahl des am besten geeigneten Bewerbers besonderes Gewicht beimisst; insbesondere ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn er die Verwaltungsaufgaben für bedeutsamer ansieht als die Rechtsprechungsaufgaben. [die bezieht sich auf andere Fragen als die hier behandelten]
3. Es ist in der Regel davon auszugehen, dass bei formal gleicher Bewertung die Beurteilung des Beamten oder Richters im höheren Statusamt besser ist als diejenige des in einem niedrigeren Statusamt befindlichen Konkurrenten. Das ergibt sich aus dem allgemeinen Erfahrungssatz, dass mit einem höheren Statusamt die Wahrnehmung höherwertiger Aufgaben verbunden ist, die im Allgemeinen gegenüber einem niedrigeren Statusamt gesteigerte Anforderungen beinhalten und mit einem größeren Maß an Verantwortung verbunden sind.

Vorinstanz: VG München, Beschluss vom 14.10.2021 – M 5 E 21.1307
Fundstellen:
DRiZ 2022, 226
NVwZ 2022, 1143

Tenor
I. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 14.10.21 - M 5 E 21.1307 - wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 35.597,40 € festgesetzt.

Gründe
I.

...
Dem Ministerium lagen zuletzt sieben Bewerbungen vor, darunter die des Antragstellers und der Beigeladenen.
Der Antragsteller ist seit 2006 Richter (Besoldungsgruppe R 6) und seit 2018 Vorsitzender Richter am Bundesfinanzhof (Besoldungsgruppe R 8). Er erhielt mit Anlassbeurteilung vom 15.12.20 für den Beurteilungszeitraum 01.11.15 bis 31.10.20 sowohl bezogen auf das zuletzt ausgeübte Amt eines Vorsitzenden Richters als auch hinsichtlich der Eignung für das angestrebte Amt des Vizepräsidenten das bestmögliche Gesamturteil „hervorragend“.
Die Beigeladene ist seit dem 01.08.17 Präsidentin des Finanzgerichts des Saarlandes (Besoldungsgruppe R 5). Zuvor war sie von Mai 2012 bis Mai 2017 Staatssekretärin (Besoldungsgruppe B 8) im Ministerium der Justiz des Saarlandes. In der dienstlichen Beurteilung vom 06.07.20, die anlässlich des Vorschlags für die Wahl zur Richterin am Bundesfinanzhof durch den Richterwahlausschuss erstellt wurde, erhielt sie für den Beurteilungszeitraum vom 01.08.17 bis 30.06.20 sowohl bezogen auf das ausgeübte Amt der Gerichtspräsidentin als auch hinsichtlich der Eignungsprognose für das Amt der Vizepräsidentin des Bundesfinanzhofs das bestmögliche Gesamturteil „sehr gut (obere Grenze)“.
Der Präsidialrat des Bundesfinanzhofs hielt die Beigeladene mit Stellungnahme vom 29.09.20 für die Wahl zur Richterin am Bundesfinanzhof in fachlicher und persönlicher Hinsicht für geeignet, für das Amt der Vizepräsidentin des Bundesfinanzhofs jedoch mangels richterlicher Bewährung am Bundesfinanzhof für nicht geeignet.
Am 08.10.20 wurde die Beigeladene zur Richterin am Bundesfinanzhof gewählt; die Ernennung steht noch aus.
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... Die Entscheidung wurde den unterlegenen Bewerbern mit Schreiben vom 22.02.21 mitgeteilt.
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2. Der Antragsteller hat am 09.03.21 beim Verwaltungsgericht München den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel beantragt, der Antragsgegnerin zu untersagen, die in Rede stehende Stelle mit der Beigeladenen zu besetzen, bis über seine Bewerbung erneut entschieden worden ist.
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Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 14.10.21 dem Antrag stattgegeben. Es hat der Antragsgegnerin untersagt, die Stelle der/des Vizepräsidenten/in mit der Beigeladenen zu besetzen, solange über die Bewerbung des Antragstellers keine neue Auswahlentscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts getroffen worden ist. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Auswahlentscheidung zugunsten der Beigeladenen verletze den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers. Rechtsfehlerhaft sei der Leistungsvergleich, bei dem die Antragsgegnerin von einem Gleichstand der jeweils mit der Spitzennote beurteilten Bewerber ausgegangen sei und bei ausschärfender Betrachtung der Beigeladenen unter Leistungsgesichtspunkten einen Vorsprung vor dem Antragsteller zugesprochen habe. Denn es finde der Grundsatz Anwendung, dass der in einem höheren Statusamt erteilten Beurteilung ein größeres Gewicht zukomme als der gleichlautenden Beurteilung eines Mitbewerbers in einem niedrigeren Amt. Besonders gelagerte Umstände, die den Schluss zuließen, trotz der wesentlich unterschiedlichen Statusämter der beiden Bewerber sei von einer im Wesentlichen gleichwertigen Leistung auszugehen, lägen nicht vor.
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3. Die Antragsgegnerin hat gegen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung Beschwerde eingelegt und beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweilen Anordnung abzulehnen. ...
11
...

II.
12
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, aber unbegründet.
13
...
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Dem Antragsteller steht nicht nur ein Anordnungsgrund, sondern auch ein Anordnungsanspruch für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Seite. Er hat glaubhaft gemacht, dass die von der Antragsgegnerin beabsichtigte, nach dem Grundsatz der Ämterstabilität irreversible Ernennung (§ 17 Abs. 2 Nr. 3 DRiG) der Beigeladenen zur Vizepräsidentin des Bundesfinanzhofs die Verwirklichung eigener Rechte vereiteln oder wesentlich erschweren könnte (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Der Antragsteller wird, wie das Verwaltungsgericht zu Recht entschieden hat, durch die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin in seinem Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt (1). Im Fall einer fehlerfreien Wiederholung des Auswahlverfahrens erscheint seine Auswahl möglich (2).
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1. Die Auswahlentscheidung, das Vizepräsidentenamt mit der Beigeladenen zu besetzen, verletzt den Antragsteller in seinem Bewerbungsverfahrensanspruch. Die zugrunde liegende Erwägung der Antragsgegnerin, der Antragsteller müsse nach Leistungsgesichtspunkten hinter der Beigeladenen zurückstehen, ist mit Art. 33 Abs. 2 GG nicht vereinbar.
17
...
19
Bezugspunkt der Auswahlentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 GG ist das angestrebte Statusamt (BVerwG, U.v. 20.06.13 - 2 VR 1.13 - juris Rn. 28). Die Ermittlung des am besten geeigneten Bewerbers nach den Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung hat daher stets in Bezug auf das angestrebte Statusamt zu erfolgen. Maßgeblich ist insoweit der Aufgabenbereich des Statusamts, auf den bezogen die einzelnen Bewerber untereinander zu vergleichen sind und anhand dessen die Auswahlentscheidung vorzunehmen ist.
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Der Leistungsvergleich unter mehreren Bewerbern im Rahmen einer dienstrechtlichen Auswahlentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 GG hat - vor allem - anhand dienstlicher Beurteilungen zu erfolgen (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, U.v. 09.05.19 - 2 C 1.18 - juris Rn. 32 m.w.N.; BayVGH, B.v. 02.09.20 - 6 CE 20.1351 - juris Rn. 11). Hierbei ist darauf zu achten, dass die dem Vergleich der Konkurrenten zugrunde gelegten Beurteilungen untereinander vergleichbar sind (BayVGH, B.v. 24.04.17 - 3 CE 17.434 - juris Rn. 35). Eine dienstliche Beurteilung ist zu erstellen aufgrund der Erkenntnisse über die von dem jeweiligen Beamten oder Richter auf dem konkret innegehabten Dienstposten gezeigten Leistungen, gemessen an den (abstrakten) Anforderungen des Statusamts. Die Eignung von dienstlichen Beurteilungen als Grundlage für den Bewerbervergleich setzt voraus, dass diese zeitlich aktuell und inhaltlich aussagekräftig sind. Hierfür ist erforderlich, dass sie die dienstliche Tätigkeit im maßgebenden Beurteilungszeitraum vollständig erfassen, auf zuverlässige Erkenntnisquellen gestützt sind, das Leistungsvermögen hinreichend differenziert darstellen sowie auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhen
(BVerwG, B.v. 21.12.16 - 2 VR 1.16 - juris Rn. 24; U.v. 27.11.14 - 2 A 10.13 - juris Rn. 21).
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Maßgebend für den Leistungsvergleich ist in erster Linie das abschließende Gesamturteil, das durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte zu bilden ist (BVerwG, B.v. 20.06.13 - 2 VR 1.13 - juris Rn. 21). Sind Bewerber nach ihren aktuellen Beurteilungen mit der gleichen Gesamtnote beurteilt worden, ist der Dienstherr nicht nur berechtigt, sondern im Grundsatz zugleich verpflichtet, die dienstlichen Beurteilungen der im Gesamturteil gleich bewerteten Bewerber inhaltlich auszuschöpfen, das heißt im Wege einer näheren „Ausschärfung“ des übrigen Beurteilungsinhalts der Frage nachzugehen, ob die jeweiligen Einzelfeststellungen eine gegebenenfalls unterschiedliche Prognose betreffend den Grad der Eignung für das Beförderungsamt, also für die künftige Bewährung in diesem (Status-) Amt ermöglichen. Bei der „Ausschärfung“ der dienstlichen Beurteilungen hat der Dienstherr auch darüber zu entscheiden, welchen der zur Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zählenden Umständen er bei der Auswahlentscheidung größeres Gewicht beimisst (vgl. BVerwG, B.v. 27.09.11 - 2 VR 3.11 - juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 05.09.19 - 6 CE 19.1508 - juris Rn. 13).
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b) Gemessen hieran verletzt der Leistungsvergleich, auf den die Antragsgegnerin ihre Auswahlentscheidung zugunsten der Beigeladenen gestützt hat, den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers.
23
aa) Bezugspunkt der streitigen Auswahlentscheidung ist das zu besetzende Amt der Vizepräsidentin des Bundesfinanzhofs, der als oberster Gerichtshof des Bundes für das Gebiet der Finanzgerichtsbarkeit (Art. 95 Abs. 1 GG) im zweistufigen Rechtszug (vgl. § 2 FGO) Rechtsmittelgericht (§ 36 FGO) ist. Dieses Statusamt umfasst nach den gesetzlichen Vorgaben sowohl richterliche Aufgaben als Vorsitzender eines Senats (vgl. § 10 FGO, § 4 FGO i.V.m. § 21f GVG) als auch Verwaltungsaufgaben als Vertreter des Gerichtspräsidenten vor allem im Rahmen der institutionalisierten Selbstverwaltung (§ 4 FGO i.V.m. § 21a
bis § 21j GVG) und der Gerichtsverwaltung (§§ 31 f. FGO, § 4 Abs. 2 Nr. 1 DRiG). Welchen inhaltlichen und zeitlichen Umfang die beiden Aufgabenbereiche im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben im Einzelnen einnehmen, ergibt sich aus der Geschäftsverteilung innerhalb des Gerichts (§ 21e GVG) und des jeweiligen Senats (§ 21g GVG) einerseits und der gerichtsinternen Organisation andererseits, ist also insoweit der Organisationsgewalt des Dienstherrn entzogen.
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Es obliegt hingegen weitgehend dem Einschätzungsspielraum des Dienstherrn, ob und wenn ja welchem der beiden Aufgabenkreise des Vizepräsidenten er bei der Formulierung des Anforderungsprofils sowie im Rahmen der anschließenden Auswahl des am besten geeigneten Bewerbers besonderes Gewicht beimisst; insbesondere ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn er die Verwaltungsaufgaben für bedeutsamer ansieht als die Rechtsprechungsaufgaben (vgl. BVerfG, B.v. 26.11.10 - 2 BvR 2345/10 - juris Rn. 16).
25
bb) Ausgehend von diesem Bezugspunkt leidet die Annahme der Antragsgegnerin, der Beigeladenen komme ein Leistungsvorsprung zu, an Rechtsfehlern zum Nachteil des Antragstellers.
26
Dabei kann dahinstehen, ob das Ministerium das Anforderungsprofil für das Vizepräsidentenamt - zumal erst im Verlauf des Auswahlverfahrens - von demjenigen für ein Vorsitzendenamt entkoppeln und bei ersterem auf richterliche Erfahrungszeit am Bundesfinanzhof als zwingendes Anforderungsmerkmal mit der Folge verzichten durfte, dass die Beigeladene als externe Bewerberin dadurch erst zur Auswahl zugelassen wurde. Denn unabhängig davon, ob der Bewerberkreis rechtmäßig auf externe Bewerber ausgedehnt worden ist, durfte das Ministerium bei dem Vergleich der jeweiligen Gesamturteile in den aktuellen dienstlichen (Anlass-)Beurteilungen nicht von einem Gleichstand zwischen Beigeladener und Antragsteller ausgehen. Denn die Beurteilungen mit der jeweiligen Bestnote sind nicht vergleichbar.
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Die Anlassbeurteilung der Beigeladenen vom 06.07.20 und diejenige des Antragstellers vom 15.12.20 stammen von verschiedenen Dienstherren und sind von dem jeweils zuständigen Beurteiler nach unterschiedlichen Beurteilungssystemen bezogen auf verschiedene richterliche Statusämter erstellt worden. Das Ministerium hat diese Unterschiede zwar im Ausgangspunkt erkannt, aber nicht ausreichend beachtet. Zwar mögen die jeweils maßgeblichen inhaltlichen Beurteilungskriterien und Notenstufen der Sache nach im Wesentlichen vergleichbar sein. Rechtfehlerhaft ist aber die weitere - tragende - Annahme, der Antragsteller und die Beigeladene seien im Gesamturteil mit den jeweiligen Spitzennoten gleich gut beurteilt worden, ersterer müsse aber bei aus­schärfender Betrachtung nach Leistungs­gesichtspunkten hinter letzterer zurückstehen (S. 16 bis 21 des Auswahlvermerks).
28
Diese Annahme ist - unter Beachtung der dem Dienstherrn zustehenden Organisationsgewalt, seines Beurteilungsspielraums und Auswahlermessens, die allesamt gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar sind - aus zwei Gründen rechtsfehlerhaft:
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(1) Bei der lediglich formalen Gegenüberstellung der jeweils erzielten Notenstufen wird der Eignungsprognose für die Beigeladene ohne Begründung ein Gewicht zugesprochen, das ihr im Vergleich zu derjenigen für den Antragsteller nicht zukommen kann.
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Die Eignungsprognose für die Beigeladene kann schon deshalb einen Vergleich nicht tragen, weil die Bewertung von einem Beurteiler des Landesdienstherrn abgegeben wurde, der einerseits die Beurteilungsrichtlinien für die Landesrichterinnen und -richter anzuwenden hatte und zum Vergleich nur auf den (kleinen) Kreis „seiner“ Landesfinanzrichter zurückgreifen konnte, der andererseits aber die Eignung für ein außerhalb seines Zuständigkeitsbereichs angesiedeltes richterliches Spitzenamt an einem obersten Gerichtshof des Bundes bewertet hat. Die von ihm „aus Landessicht“ vergebene beste Eignungsstufe für das Vizepräsidentenamt am Bundesfinanzhof stützt sich zwar auf die allgemeinen Leistungs- und Befähigungskriterien. Gleichwohl bleibt sowohl mit Blick auf die Verwaltungsaufgaben wie erst recht hinsichtlich der richterlichen Aufgaben unklar, welches Anforderungsprofil bei der Beurteilung vom 6.07.20 zugrunde gelegt worden ist und ob ein solches mit demjenigen übereinstimmt, das von dem allein zuständigen Ministerium vorzugeben und erst mit Schreiben vom 26.10.20 schriftlich festgelegt sowie mit Vermerk vom 10./16.12.20 präzisiert worden ist.
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Demgegenüber wurde die Beurteilung für den Antragsteller mit der Eignungsprognose vom Vertreter des Gerichtspräsidenten (aus Sicht des Bundesdienstherrn also gleichsam „vor Ort“) und zudem in einer Konkurrenzsituation mit weiteren gerichtsinternen Bewerbern um das Vizepräsidentenamt abgegeben. Sie ist auf das maßgebliche Anforderungsprofil bezogen und gewinnt besondere Aussagekraft aus dem Umstand, dass der Antragsteller seine mit der Bestnote beurteilten Leistungen bereits im Amt eines Vorsitzenden Richter am Bundesfinanzhof erbracht hat, also in demselben richterlichen Aufgabenbereich, der im Amt der Vizepräsidentin in erheblichem zeitlichem Umfang (nach Einschätzung der früheren Vizepräsidentin etwa 80%) neben den Verwaltungsaufgaben wahrzunehmen ist. Jedenfalls insoweit lässt die Leistungsbeurteilung für das bisherige Amt unmittelbar und ohne Einschränkung auf die entsprechende Eignung für das angestrebte Amt schließen.
32
Daher erweist sich schon bei einem bloß formalen Notenvergleich das Gewicht der Eignungsprognose auf Seiten der Beigeladenen als so gering, dass sie im Vergleich zum Antragsteller die Annahme eines Gleichstands nicht tragen kann.
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(2) Der Leistungsvergleich anhand der abschließenden Gesamturteile ist insbesondere aber deshalb rechtsfehlerhaft, weil er sich lediglich auf die jeweiligen Notenstufen stützt, ohne dabei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller im Vergleich mit der Beigeladenen das deutlich höherwertige Statusamt innehat.
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Denn es ist in der Regel davon auszugehen, dass bei formal gleicher Bewertung die Beurteilung des Beamten oder Richters im höheren Statusamt besser ist als diejenige des in einem niedrigeren Statusamt befindlichen Konkurrenten. Das ergibt sich aus dem allgemeinen Erfahrungssatz, dass mit einem höheren Statusamt die Wahrnehmung höherwertiger Aufgaben verbunden ist, die im Allgemeinen gegenüber einem niedrigeren Statusamt gesteigerte Anforderungen beinhalten und mit einem größeren Maß an Verantwortung verbunden sind (vgl. BVerfG, B.v. 16.12.2015 - 2 BvR 1958/13 - juris Rn. 59; BVerwG, B.v. 20.6.2013 - 2 VR 1.13 - juris Rn. 52; BayVGH, U.v. 20.8.2020 - 6 B 18.2657 - juris Rn. 22).
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Dieser Grundsatz kann zwar nicht schematisch auf jeden Fall einer Beförderungskonkurrenz zwischen zwei Beamten oder Richtern unterschiedlicher Statusämter angewendet werden. Vielmehr hängt das zusätzlich zu berücksichtigende Gewicht der in einem höheren Statusamt erteilten Beurteilung von den Umständen des Einzelfalls ab (BVerfG, B.v. 04.07.18 - 2 BvR 1207/18 - juris Rn. 11 m.w.N.). Die Wertigkeit der betroffenen Ämter kann dabei genauso zu berücksichtigen sein wie weitere Kriterien, etwa der berufliche Werdegang, sofern die besonders gelagerten Umstände des Einzelfalls dies ausnahmsweise gebieten. Die Gewichtung der in dem höheren Statusamt erbrachten Leistungen ist daher konkret, einzelfallbezogen und sachangemessen vorzunehmen.
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Nach dem Grundsatz vom höheren Statusamt kommt der Beurteilung des Antragstellers beim Leistungsvergleich mit der Beigeladenen entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ein deutlich höheres Gewicht zu.
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Der Antragsteller hat ein weit höherwertiges Richteramt inne als die Beigeladene. Die Wertigkeit eines Amts richtet sich primär nach der Bedeutung und Schwierigkeit der mit ihm verbundenen Aufgaben. Die Einordnung mag schwierig erscheinen, weil die zu vergleichenden höheren richterlichen (Beförderungs-) Ämter mit verschiedenen Funktionen verbunden und unterschiedlichen Instanzen zugewiesen sind (Präsidentin eines Finanzgerichts einerseits, Vorsitzender Richter am Bundesfinanzhof andererseits), zumal das Richterdienstrecht - anders als das Beamtenrecht - keine Laufbahnen und dementsprechend auch keine regelmäßig zu durchlaufende Ämter mit einem Verbot von Sprungbeförderungen kennt (vgl. Schmidt-Räntsch, DRiG, 6. Auf. 2009, § 46 Rn. 21 e ff.). Die Anforderungen eines Amts werden jedoch durch dessen besoldungsrechtliche Einordnung nachgezeichnet, sodass die Höhe der Besoldung als Maßstab für die Wertigkeit des Amts herangezogen werden kann. Denn es gehört zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums, dass die Bezüge entsprechend der unterschiedlichen Wertigkeit der Ämter abgestuft sind.
Die Korrelation zwischen Wertigkeit des Amts und Bezügehöhe besteht dabei über Laufbahnen und Besoldungsgruppen hinweg im Verhältnis zwischen allen Beamten und Richtern (BayVGH, BayVGH. B.v. 24.04.17 - 3 CE 17.434 - juris Rn. 40 m.w.N.). Danach steht außer Frage, dass das dem Antragsteller übertragene Amt, das besoldungsrechtlich der (Bundes-)Besoldungsgruppe R 8 zugeordnet ist (Grundgehalt im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung: 11.373,67 €), im Vergleich zu dem in (Landes) Besoldungsgruppe R 5 eingestuften Amt der Beigeladenen (Grundgehalt im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung: 9.106,07 €) deutlich höherwertiger ist.
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Wegen dieser erheblichen Unterschiede in der Wertigkeit der innegehabten Richterämter lässt sich durch einen lediglich formalen Notenvergleich der Gesamturteile ein Leistungsgleichstand zwischen der Beigeladenen und dem Antragsteller nicht begründen. Dessen Spitzenbeurteilung hat ein deutlich größeres Gewicht als die formal gleich gute Beurteilung der Beigeladenen. Daher öffnet sich kein Raum für eine nähere „Ausschärfung“ der übrigen Beurteilungsinhalte, auf die das Ministerium die Auswahl der Beigeladenen stützt. Die im Auswahlvermerk hervorgehobenen Umstände rechtfertigen weder einzelnen noch bei einer Gesamtschau eine Ausnahme vom Grundsatz des höheren Gewichts einer im höheren Statusamt erzielten Beurteilung, wie das Verwaltungsgericht überzeugend ausgeführt hat.
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Eine Ausnahme lässt sich nicht damit begründen, dass die Beigeladene das höchstbewertete Richteramt innehat, das in der saarländischen Finanzgerichtsbarkeit zu vergeben ist; das stellt die Zuverlässigkeit der Besoldungshöhe als Indikator für die unterschiedliche Wertigkeit der beiden Statusämter bei einem Finanzgericht als einem oberen Landesgericht einerseits und bei dem Bundesfinanzhof als einem obersten Bundesgericht andererseits nicht infrage.
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Eine Ausnahme von dem Grundsatz des höheren Statusamts ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Beigeladene vor ihrer Ernennung zur Präsidentin des Finanzgerichts in der Zeit von 2012 bis 2017 das mit der Beamtenbesoldungsgruppe B 8 bewertete Amt einer Staatssekretärin im Landesjustizministerium ausgeübt hat und insoweit ebenfalls mit der Spitzennote beurteilt worden war. Abgesehen davon, dass dieses Amt als „politische Beamtin“ im Anwendungsbereich des § 30 Abs. 1 BeamtStG nicht ohne weiteres mit dem Richteramt des Antragstellers verglichen werden kann, kommt es für den Leistungsvergleich auf die aktuelle Beurteilung der Beigeladenen an, die sich allein auf die im Präsidentenamt der Besoldungsgruppe R 5 erbrachten Leistungen bezieht. Die zuvor in einem höher bewerteten Amt erbrachten Leistungen werten die im aktuellen Amt erbrachten und nunmehr allein beurteilten Leistungen nicht zusätzlich auf.
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Die statusrechtliche Besserstellung des Antragstellers gegenüber der Beigeladenen kann auch nicht mit der Erwägung eingeebnet werden, sie beschränke sich im Wesentlichen auf den Rechtsprechungsbereich, während das zu vergebende Vizepräsidentenamt aber zusätzlich Verwaltungsaufgaben umfasse, wie sie die Beigeladene als Präsidentin eines Finanzgerichts in größerem Umfang und auch insoweit mit Spitzenbeurteilung wahrgenommen habe. Denn das Besoldungsrecht misst den zusätzlichen Verwaltungsaufgaben des Vizepräsidenten im Vergleich zu seinen Rechtsprechungsaufgaben als Senatsvorsitzender nur geringes Gewicht bei. Es gewährt dem Vizepräsidenten gegenüber einem Senatsvorsitzenden (Besoldungsgruppe R 8) zusätzlich „nur“ eine Amtszulage (BBesG Anl. IX Nr. 154), also weniger als eine Besoldungsstufe. Mit Blick auf diesen geringen statusrechtlichen Abstand zwischen dem ausgeübten und dem angestrebten Amt auf Seiten des Antragstellers darf der erhebliche Abstand von drei Besoldungsstufen gegenüber dem Amt der Beigeladenen als Präsidentin eines Finanzgerichts nicht ausgeblendet werden.

42
2. Die Auswahl des Antragstellers bei fehlerfreier Wiederholung des Auswahlverfahrens erscheint möglich (zum Maßstab BayVGH, B.v. 24.7.2017 - 3 CE 17.434 - juris Rn. 50 m.w.N.).
...




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