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Dienstliche Beurteilungen als Grundlage der Beförderungsauswahl

Dienstliche Beurteilungen bilden die wichtigste Grundlage für eine Entscheidung unter mehreren für eine Beförderung in Betracht kommenden Beamten, also für die Bestenauslese. Dies ist die seit langem herrschende Auffassung.
Über den Grundsatz gibt es kaum noch Streit, Einzelheiten der Umsetzung können hinterfragt werden.
Strengt der abgelehnte Bewerber ein verwaltungsgerichtliches Eilverfahren an, dann werden die zugrunde gelegten dienstlichen Beurteilungen vom Verwaltungsgericht sehr genau geprüft.

In dem nachfolgenden Fall rügte ein Beamter, seine dienstliche Beurteilung sei rechtswidrig und er sei zu schlecht beurteilt.
Damit lässt ihn das Gericht abblitzen: Die ihm erteilte Beurteilung sei rechtmäßig.

Dennoch gewinnt der Beamte im Eilverfahren, die Auswahlentscheidung darf nicht umgesetzt werden.
Wie kann das sein?

Nun, das Gericht prüft von Amts wegen auch die dienstlichen Beurteilungen der ausgewählten Bewerber und entdeckt in ihnen in diesem Fall Mängel. Deshalb fehlt es insoweit an einer rechtmäßigen Grundlage für die Auswahlentscheidung.

Die Entscheidung ist ferner ein weiterer Beleg dafür, dass für den zu Unrecht abgelehnten Bewerber nicht nur eine Beförderungsstelle freizuhalten ist. Allerdings ist diese Auffassung umstritten, möglicherweise werden einzelne Gerichte anders entscheiden.

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 08.01.19 - 12 B 70/18

Tenor
1. Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die mit Schreiben vom 12.01.18 ausgeschriebenen zwei Beförderungsstellen der Besoldungsgruppe A 14 SHBesO am ……-Stadt vor einer bestandskräftigen Entscheidung über den Widerspruch des Antragstellers vom 28.09.18 endgültig zu besetzen.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selber tragen.
3. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 33.360,36 € festgesetzt.

Gründe
I.
1
Die Beteiligten streiten über die ordnungsgemäße Durchführung des Stellenbesetzungsverfahrens für zwei Beförderungsstellen der Besoldungsgruppe A 14 SHBesO am .….in .-Stadt.
2
Der Antragsteller steht als Studienrat (Besoldungsgruppe A 13 SHBesO) in Diensten des Landes Schleswig-Holstein. Er ist am  in -Stadt tätig.
3
Am 12.01.18 schrieb der Antragsgegner zwei Beförderungsstellen der Besoldungsgruppe A 14 SHBesO am  aus. Auf diese Stellen bewarben sich neben dem Antragsteller die Beigeladenen. Diese stehen ebenfalls als Studienräte (Besoldungsgruppe A 13 SHBesO) in Diensten des Landes Schleswig-Holstein und sind ebenfalls am ... tätig.
4
Der Schulleiter des s erstellte für die Bewerber Anlassbeurteilungen. Dabei beurteilte er den Beigeladenen zu 2. mit „sehr gut“, die Beigeladene zu 1. mit „gut“ und den Antragsteller mit „befriedigend“.
5
Der Antragsteller legte eine „Gegenvorstellung“ gegen seine Beurteilung ein. Diese sei in neun Punkten fehlerhaft bzw. unzutreffend. Insgesamt sei seine Leistung mit „gut“ zu bewerten.
6
Mit als „Bescheid“ bezeichnetem Schreiben vom 10.07.18 teilte der Schulleiter dem Antragsteller mit, dass er zwar einzelne Änderungen bzw. Ergänzungen an der Beurteilung vorgenommen habe. Das Gesamturteil „befriedigend“ habe jedoch auch bei deren Berücksichtigung Bestand.
7
Ausweislich des Auswahlvermerks des Antragsgegners vom 23.07.18 folgte der Antragsgegner dem Auswahlvorschlag des Schulleiters, die ausgeschriebenen Stellen mit den Beigeladenen zu besetzen. Es sei daher beabsichtigt, die Beigeladenen zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu befördern.
8
AAm 10.08.18 legte der Antragsteller Widerspruch gegen die geänderte Beurteilung ein. Das Urteil „befriedigend“ bedeute eine grobe Fehleinschätzung, eine Missachtung seiner Person und habe neben dem sachlich falschen Charakter den Beigeschmack einer bewussten Herabwürdigung seiner Person.
9
Mit Schreiben vom 31.08.18 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass seiner Bewerbung nicht entsprochen werden könne. Gemäß dem Prinzip der Bestenauslese müsse die Bewerbung mit der besten Note zum Zuge kommen.
10
Gegen diese Negativmitteilung legte der Antragsteller mit Schreiben vom 28.09.18 Widerspruch ein. Der Antragsgegner hat den Widerspruch bislang nicht beschieden.
11
Ebenfalls am 28.09.18 hat der Antragsteller um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ersucht.
12
Die Anlassbeurteilungen der Beigeladenen seien fehlerhaft und verstießen gegen die Beurteilungsgrundsätze des Antragsgegners. Unter anderem fehle bei der Beurteilung der Beigeladenen ein zusammenfassendes Gesamturteil.
13
Auch seine eigene dienstliche Beurteilung sei fehlerhaft. Insoweit verweist er auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren.
14
Er beantragt sinngemäß,
15
dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die mit Schreiben vom 12.01.18 ausgeschriebenen zwei Beförderungsstellen der Besoldungsgruppe A 14 SHBesO am  .-Stadt vor einer bestandskräftigen Entscheidung über seinen Widerspruch vom 28.09.18 endgültig zu besetzen.
16
Der Antragsgegner beantragt,
17
den Antrag abzulehnen.
18
Er hat mit Schriftsatz vom 18.12.18 überarbeitete Beurteilungen der Beigeladenen vorgelegt. Die Erfolgsaussichten des Antragstellers bei einer erneuten Auswahl seien nicht offen. Seine Auswahl erscheine nicht möglich.
19
Das Gesamturteil der Beigeladenen habe entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht ausführlicher begründet werden müssen, weil sich bei der Beigeladenen zu 1. aus den einzelnen Ausführungen im Beurteilungstext schlüssig ein „gut“, beim Beigeladenen zu 2. aus den Ausführungen in seiner Beurteilung unter Berücksichtigung eines Beurteilungsbeitrags ein „sehr gut“ ergebe. Nur das Gesamturteil des Antragstellers habe näher begründet werden müssen, weil aufgrund seiner Vornote „gut“ und eines „sehr guten“ Beurteilungsbeitrags eine nähere Begründung des Gesamturteils „befriedigend“ erforderlich gewesen sei.
20
...

II.
22
1. Der gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 VwGO statthafte Antrag ist zulässig und begründet.
23
...
24
a) Ein Anordnungsgrund gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist gegeben, weil es um die Vergabe von Beförderungsstellen geht (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 2.09.16 – 2 MB 21/​16 –, Rn. 9). Der Antragsgegner beabsichtigt, die Beigeladenen zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu befördern.
25
b) Dem Antragsteller steht auch ein Anordnungsanspruch zu.
26
Ein bei der Beförderungsauswahl unterlegener Bewerber muss seinen Anspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG durch vorläufigen Rechtsschutz wirksam sichern können. Art. 19 Abs. 4 GG garantiert eine effektive gerichtliche Kontrolle. Einstweiliger Rechtsschutz ist deswegen unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Bewerbungsverfahrensanspruchs zu gewähren. Ein abgelehnter Bewerber, dessen subjektives Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt worden ist, kann eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung zumindest dann beanspruchen, wenn seine Erfolgsaussichten bei einer erneuten Auswahl offen sind, seine Auswahl also möglich erscheint (OVG Schleswig, Beschluss vom 02.08.16 – 2 MB 16/16 –, Rn. 16 m. w. N.; VG Schleswig, Beschluss vom 04.09.18 – 12 B 49/18 – Rn. 26). Das ist vorliegend der Fall.
27
aa) Der Antragsgegner hat den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers verletzt.
28
Ein Beamter hat zwar keinen Anspruch auf Übertragung eines Beförderungsamtes, er hat aber ein Recht darauf, dass der Dienstherr eine rechts-, insbesondere ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Vergabe des Beförderungsamtes trifft. Materiell-rechtlich hat der Dienstherr bei seiner Entscheidung darüber, wem er die Stelle übertragen will, das Prinzip der Bestenauslese zu beachten und Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Konkurrentinnen und Konkurrenten zu bewerten und zu vergleichen (Art. 33 Abs. 2 GG, § 9 BeamtStG). Bei diesen Kriterien handelt es sich um Gesichtspunkte, die Aufschluss darüber geben, in welchem Maße der Beamte den Anforderungen seines Amtes genügt und sich in einem höheren Amt voraussichtlich bewähren wird. Diese inhaltlichen Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG für die Vergabe höherwertiger Ämter machen eine Bewerberauswahl notwendig. Der Dienstherr muss Bewerbungen von Beamten um das höherwertige Amt zulassen und darf das Amt nur demjenigen Bewerber verleihen, den er aufgrund eines den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG entsprechenden Qualifikationsvergleichs als den am besten geeigneten ausgewählt hat (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 25.11.10 – 6 B 749/10 –, Rn. 4; VG Schleswig, Beschluss vom 26.07.18 – 12 B 49.17 –, Rn. 22).
29
Ausgehend von diesen Maßstäben hat der Antragsgegner den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers verletzt. Seine Auswahlentscheidung ist fehlerhaft, weil sie auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage beruht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.12.16 – 2 VR 1.16 –, Rn. 20). Die dem Qualitätsvergleich zwischen den Bewerbern im Rahmen der Auswahlentscheidung des Antragsgegners zu Grunde gelegten dienstlichen Beurteilungen der Beigeladenen, auf die es hier alleine ankommt (hierzu 1) sind rechtswidrig (hierzu 2). Die Beurteilung des Antragstellers hingegen war rechtmäßig (hierzu 3), sodass daraus keine weitere Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Antragsteller folgt.
30
(1) Für die Frage der Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung des Antragsgegners kommt es auf die dienstlichen Beurteilungen des Antragstellers und der Beigeladenen an, die dem Antragsgegner zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung vorlagen.
Der maßgebliche Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung der Auswahlentscheidung ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. Denn allein die Erwägungen, die der Dienstherr bei der Auswahlentscheidung angestellt hat, sind für die Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit relevant (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.01.10 – 1 WB 52.08 –, Rn. 37; OVG Bremen, Urteil vom 17.10.18 – 2 LB 228/​17 –, Rn. 45; OVG Münster, Beschluss vom 17.08.11 – 6 B 600/11 – Rn. 2 m. w. N.).
31
So wie eine erst im gerichtlichen Verfahren nachträglich gegebene Begründung der Auswahlentscheidung nicht berücksichtigt werden kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.10.17 – 1 WB 41.16 –, Rn. 32; VG Schleswig, Beschluss vom 04.09.18 – 12 B 49/18 –, Rn. 53), können auch nach dem Zeitpunkt der Auswahlentscheidung erstellte oder überarbeitete Beurteilungen grundsätzlich nicht in die gerichtliche Überprüfung der Auswahlentscheidung einbezogen werden (zum möglichen Ausnahmefall einer nachträglichen Plausibilisierung von Einzelbewertungen in der dienstlichen Beurteilung vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.12.16 – 2 VR 1.16 –, Rn. 41).
32
(2) Die Beurteilungen der Beigeladenen zu 1. und des Beigeladenen zu 2. sind rechtswidrig.
33
Dienstliche Beurteilungen sind von den Verwaltungsgerichten nur eingeschränkt überprüfbar. Denn die Entscheidung des Dienstherrn darüber, ob und in welchem Grad ein Beamter die für sein Amt und für seine Laufbahn erforderliche Befähigung und fachlichen Leistungen aufweist, ist ein dem Dienstherrn von der Rechtsordnung vorbehaltener Akt wertender Erkenntnis. Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich deshalb darauf zu beschränken, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Hat der Dienstherr Richtlinien für die Abgabe dienstlicher Beurteilungen erlassen (wie hier die Beurteilungsgrundsätze für die Besetzung von Beförderungsstellen der Bes.Gr. A 14 SHBesO/​Eingruppierungen in die Entgeltgruppe 14 TV-L vom 11.01.18 , im Folgenden: „Beurteilungsgrundsätze“), dann sind die Beurteilenden an diese Richtlinien hinsichtlich des anzuwendenden Verfahrens und der einzuhaltenden Maßstäbe nach dem Gleichheitsgrundsatz gebunden; das Gericht kann insoweit nur prüfen, ob die Richtlinien eingehalten sind und ob sie mit den gesetzlichen Regelungen in Einklang stehen (BVerwG, Urteil vom 30.01.03 – 2 A 1.02 –, Rn. 11; OVG Lüneburg, Beschluss vom 29.07.15 – 5 ME 107/15 –, Rn. 8; OVG Schleswig, Urteil vom 06.09.00 – 3 L 221/98, Rn. 54). Die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung kann dagegen nicht dazu führen, dass das Gericht die fachliche und persönliche Beurteilung des Beamten durch seinen Dienstvorgesetzten in vollem Umfang nachvollzieht oder diese gar durch eine eigene Beurteilung ersetzt (BVerwG, Urteil vom 26. Juli 1980 – 2 C 8.78 –, Rn. 18; OVG Lüneburg, Beschluss vom 12. April 2016 – 5 ME 14/16 –, Rn. 20).
34
Ausgehend von diesen Maßstäben ergibt sich die Rechtswidrigkeit der Beurteilungen der Beigeladenen aus Verstößen gegen die Beurteilungsgrundsätze (hierzu a) und aus einem Verstoß gegen die allgemeine Verpflichtung, das Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung grundsätzlich zu begründen (hierzu b).
Die Beurteilung der Beigeladenen zu 1. ist zudem rechtswidrig, weil sie einen unzutreffenden Sachverhalt zugrunde legt (hierzu c).
Der Umstand, dass die Beurteilung des Beigeladenen zu 1. keinen konkreten Beurteilungszeitraum angibt, ist hingegen unschädlich (hierzu d).
35
(a) Die Beurteilungen der Beigeladenen verstoßen gegen die Beurteilungsgrundsätze.
36
(aa) Die Beurteilungen der Beigeladenen basieren zunächst nicht vollständig auf den in den Beurteilungsgrundsätzen genannten Beurteilungsmerkmalen (Allgemeine Befähigungsmerkmale, Unterrichtgestaltung, Fachkenntnisse, sonstige Arbeitsleistung, Dienstauffassung, Belastbarkeit, Soziales Verhalten, Kooperationsfähigkeit). Teilweise fehlen Ausführungen zu einzelnen Kriterien, teilweise werden Kriterien anders bezeichnet, teilweise finden sich Kriterien, die in den Beurteilungsgrundsätzen nicht vorgesehen sind. Die Beurteilung der Beigeladenen zu 1. ist in die Punkte „Fachkenntnisse“, „Soziales Verhalten, Kooperationsfähigkeit“, „Unterrichtliche Leistungen“, „Pädagogisches Handeln“, „Außerunterrichtliches Engagement“, „Dienstauffassung“ unterteilt, die Beurteilung des Beigeladenen zu 2. in die Punkte „Allgemeine Befähigungsmerkmale“, „Soziales Verhalten, Kooperationsfähigkeit“, „Unterrichtliche Leistungen“, „Pädagogisches Handeln“, „Außerunterrichtliches Engagement“, „Dienstauffassung“.
37
Damit stellten die Anlassbeurteilungen schon keine ausreichende Vergleichsgrundlage für den Qualifikationsvergleich zwischen den Bewerbern dar (vgl. VG Schleswig, Beschluss vom 04.09.18 – 12 B 49/18 –, Rn. 34). Das hat auch der Antragsgegner erkannt und die überarbeiteten – hier jedoch irrelevanten – Beurteilungen der Beigeladenen entsprechend der Beurteilungsmerkmale der Beurteilungsgrundsätze gestaltet.
38
(bb) Darüber hinaus verstoßen die Beurteilungen der Beigeladenen (auch die nachgereichten) dadurch gegen die Beurteilungsgrundsätze, dass sie keine „abschließende Würdigung“ enthalten. Ausweislich Punkt 6. der Beurteilungsgrundsätze sind die Einzelwertungen der Beurteilung „in einer abschließenden Würdigung […] und einem Gesamturteil zusammenzufassen“. Ausnahmen vom Erfordernis einer abschließenden Würdigung sehen die Beurteilungsgrundsätze nicht vor. Es reicht deshalb – unabhängig von der Frage, ob dies tatsächlich der Fall ist – nicht aus, wenn sich, wie der Antragsgegner meint, das Gesamturteil schlüssig aus dem Beurteilungstext ergibt.
39
Eine solche individuelle abschließende Würdigung enthalten die Beurteilungen der Beigeladenen nicht. Die Beurteilung der Beigeladenen zu 1. schließt mit dem Satz „Unter Einbeziehung der oben genannten Aspekte beurteile ich die dienstlichen Leistungen von […] mit gut“. Die Beurteilung des Beigeladenen zu 2. schließt mit dem Satz „Unter Einbeziehung des oben genannten Beurteilungsbeitrags beurteile [ich] die dienstlichen Leistungen von […] mit sehr gut“. Dabei handelt es sich nicht um die geforderte Würdigung, Gewichtung und Abwägung der Beurteilungsmerkmale der Beigeladenen. Die abgegebene formelhafte Begründung kommt einem Begründungsausfall gleich (vgl. VG Freiburg, Beschluss vom 08.10.18 – 3 K 3258/18 –, Rn. 31).
40
(b) Die Beurteilungen der Beigeladenen (auch die nachgereichten) verstoßen auch gegen die allgemeine Pflicht, das Gesamturteil einer dienstlichen Beurteilung grundsätzlich zu begründen.
41
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich die Kammer anschließt, müssen Gesamturteil und Einzelbewertungen einer dienstlichen Beurteilung in dem Sinne miteinander übereinstimmen, dass sich das Gesamturteil nachvollziehbar und plausibel aus den Einzelbewertungen herleiten lässt. Dabei steht es im Ermessen des Dienstherrn, festzulegen, welches Gewicht er den einzelnen Merkmalen beimessen will (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.12.16 – 2 VR 1.16, Rn. 39).
42
Das abschließende Gesamturteil ist durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen bestenauswahlbezogenen Gesichtspunkte zu bilden (BVerwG, Beschluss vom 21.12.16 – 2 VR 1.16 –, Rn. 39; Beschluss vom 25.10.11 – 2 VR 4.11 –, Rn. 15 m. w. N.). Diese Gewichtung bedarf schon deshalb einer Begründung, weil nur so die Einhaltung gleicher Maßstäbe gewährleistet und das Gesamturteil nachvollzogen und einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden kann (BVerwG, Beschluss vom 21.12.16 – 2 VR 1.16 –, Rn. 39; Urteil vom 17.09.15 – 2 C 27.14 –, Rn. 32). Ein individuelles Begründungserfordernis für das Gesamturteil rechtfertigt sich auch aus dessen besonderer Bedeutung als primär maßgebliche Grundlage bei einem späteren Leistungsvergleich in einem an Art. 33 Abs. 2 GG zu messenden Auswahlverfahren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.12.16 – 2 VR 1.16, Rn. 40; Beschluss vom 20.06.13 – 2 VR 1.13 –, Rn. 21).
43
Eine solche individuelle Begründung des Gesamturteils enthalten die Beurteilungen der Beigeladenen nicht (s. o. ). Eine Begründung des Gesamturteils war vorliegend entgegen der Auffassung des Antragsgegners auch nicht entbehrlich. Das kann ausnahmsweise dann gegeben sein, wenn im konkreten Fall eine andere Note nicht in Betracht kommt, weil sich die vergebene Note – vergleichbar einer Ermessensreduzierung auf Null – geradezu aufdrängt (BVerwG, Beschluss vom 21.12.16 – 2 VR 1.16, Rn. 40; Urteil vom 17.09.15 – 2 C 27.14 –, Rn. 37). Das war vorliegend nicht der Fall.
44
Die Beurteilungen der Beigeladenen enthalten – abgesehen von der Gesamtnote – ausschließlich „Fließtext“. Bei den einzelnen Beurteilungsmerkmalen findet – anders als dies etwa bei Beurteilungen im sogenannten Ankreuzverfahren (zu dessen Zulässigkeit vgl. BVerwG, Urteil vom 17.09.15 – 2 C 27.14 –, juris) der Fall ist – keine Würdigung anhand des Beurteilungsmaßstabes der Beurteilungsgrundsätze statt. Weder werden die einzelnen Beurteilungsmerkmale den Notenstufen des Beurteilungsmaßstabs („sehr gut“ bis „ungenügend“) zugeordnet, noch gehen sie auf die inhaltliche Bedeutung dieser Notenstufen ein, bewerten die jeweiligen Merkmale also nicht als etwa „die durchschnittlichen Anforderungen übertreffend“ oder „im Allgemeinen durchschnittlichen Anforderungen entsprechend“. Auch hinreichend klare andere Formulierungen, die die Einhaltung des von den Beurteilungsgrundsätzen vorgegebenen Beurteilungsmaßstabs gewährleisten würden, enthalten die Beurteilungen jedenfalls nicht durchgängig. Gerade in einem solchen Fall, in dem die textlichen Ausführungen zu den Beurteilungsmerkmalen keine ausreichend klaren Indizien für die Zuordnung zu einer Notenstufe enthalten, muss die geforderte Nachvollziehbarkeit und Plausibilität der Gesamtnote sich aus der Begründung des Gesamturteils ergeben. Selbst wenn sich die Gesamtnote „schlüssig“ aus den textlichen Ausführungen ergeben sollte, wäre das nicht mit der für den Verzicht auf eine Begründung erforderlichen Ermessensreduzierung auf Null gleichzusetzen.
45
(c) Die Beurteilung der Beigeladenen zu 1. ist zudem rechtswidrig, weil sie einen unzutreffenden Sachverhalt zugrunde legt. Die Beurteilung nennt als Beurteilungszeitraum ausdrücklich „Februar 2015 – Februar 2018“. In die Beurteilung wurde jedoch ein Unterrichtsbesuch am 16.03.18 mit einbezogen. Weil dieser – wenn auch nur geringfügig – außerhalb des genannten Beurteilungszeitraums lag, stellte er keinen für die Beurteilung der Leistungen der Beigeladenen in der Zeit von Februar 2015 bis Februar 2018 berücksichtigungsfähigen Sachverhalt dar.
46
(d) Der Umstand, dass die Beurteilung des Beigeladenen zu 2. keinen konkreten Beurteilungszeitraum angibt, ist hingegen unschädlich. Eine ausdrückliche Nennung des Beurteilungszeitraums ist solange unschädlich, wie dieser hinreichend sicher ermittelt werden kann (OVG Schleswig, Beschluss vom 19.10.18 – 2 MB 18/18 –, Rn. 15 m. w. N.).
47
Das ist vorliegend der Fall. Die Beurteilung benennt in Übereinstimmung mit den Beurteilungsgrundsätzen und § 8 Abs. 2 der Landesverordnung über die Laufbahn der Laufbahngruppe 2 in der Fachrichtung Bildung (LVO-Bildung) einen „zu beurteilenden Zeitraum von drei Jahren“. Daraus kann geschlossen werden, dass sich die Beurteilung auf den unmittelbar vor ihrem Datum liegenden Dreijahreszeitraum beziehen soll (vgl. wiederum § 8 Abs. 2 Satz 1 LVO-Bildung: „Der Beurteilungszeitraum soll die letzten drei Jahre vor dem Beurteilungszeitpunkt umfassen.“). Dem entgegenstehende Indizien – etwa eine Bezugnahme auf diesem Zeitpunkt vorangehende Leistungen (so bei OVG Schleswig, Beschluss vom 19.10.18 – 2 MB 18/18 –, Rn. 15 m. w. N.), vorangegangene Stellungnahmen (so bei OVG Hamburg, Beschluss vom 2.06.14 – 3 Bs 36/14 –, Rn. 15) oder ähnliches – enthält die Beurteilung nicht.
48
(3) Die Beurteilung des Antragstellers war hingegen rechtmäßig. Sie enthält ausdrücklich Ausführungen zu den in den Beurteilungsgrundsätzen genannten Beurteilungsmerkmalen und eine ausreichende abschließende Beurteilung.
49
...

51
Soweit der Antragsteller rügt, dass seine Unterrichtstunden nicht sachgerecht bewertet worden seien, ist diese Rüge einer Prüfung durch das Gericht entzogen. Es handelt sich dabei um subjektive Wertungen des Dienstvorgesetzten des Antragstellers, die vom Gericht weder in vollem Umfang überprüft werden, geschweige denn durch eine eigene Beurteilung ersetzt werden können. Gleiches gilt für die nach Auffassung des Antragstellers zu schlechte Bewertung seines Fachwissens. Auch im Übrigen stellt der Antragsteller dem Inhalt der Beurteilung durch den Schulleiter lediglich seine eigenen – besseren – Einschätzungen der eigenen Leistung und Befähigung gegenüber.
52
...
53
bb) Die Auswahl des Antragstellers im Rahmen einer erneuten Auswahlentscheidung erscheint zumindest möglich. Das gilt auch in Ansehung des Umstands, dass die Beurteilung des Antragstellers rechtmäßig war.
54
Zwar spricht einiges dafür, dass nach dem bei dieser Prognose zu berücksichtigenden Beurteilungsbild zum Zeitpunkt der neuen Auswahlentscheidung (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 04.12.17 – 6 B 1135/17 –, juris Rn. 22) der Antragsteller erneut nicht ausgewählt werden würde. Ausgeschlossen (zu einem solchen Fall vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 02.08.16 – 2 MB 16/16 –, Rn. 17 ff) ist dies jedoch nicht.
55br>Das ergibt sich daraus, dass auch die nachgereichten Beurteilungen der Beigeladenen keine den unter aa) (2) (a) (aa) und (b) dargestellten Maßstäben genügende plausible und nachvollziehbare Begründung des Gesamturteils der Beurteilungen enthalten. Das grundsätzliche Begründungserfordernis ist keine bloße Förmelei, sondern dient der Sicherstellung der materiellen Richtigkeit des Gesamturteils durch die Anwendung eines einheitlichen Beurteilungsmaßstabs sowie der Vergleichbarkeit der dienstlichen Beurteilungen. Es legt dem Beurteiler gerade in Fällen von reinen Textbeurteilungen eine abschließende (Selbst-)​Kontrolle auf, ob die einzelnen Beurteilungsmerkmale tatsächlich die von ihm beabsichtigte Gesamtnote stützen. Es kann deshalb angesichts des Umstands, dass sich vorliegend keine bestimmten Gesamturteile „im Sinne einer Ermessensreduzierung auf Null geradezu aufdrängten“ nicht ausgeschlossen werden, dass der Beurteiler bei einer ordnungsgemäßen Begründung des Gesamturteils zu einem anderen Gesamturteil kommt.
56
...
57
3. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG), § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. § 52 Abs. Abs. 6 Satz 4 GKG, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 und Sätze 2 und 3 GKG in Verbindung mit Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (https://​www.​bverwg.​de/​user/​data/​media/​streitwertkatalog.​pdf). Danach ist für den Antrag auf vorläufige Freihaltung der Beförderungsstelle ein Viertel der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge des angestrebten Amtes (hier Besoldungsgruppe A 14 SHBesO) in Ansatz zu bringen.
58
Weil das Begehren des Antragstellers auf die Freihaltung von zwei Beförderungsstellen der Besoldungsgruppe A 14 SHBesO gerichtet ist, ist der sich so ergebende Betrag aber zu verdoppeln (OVG Schleswig, Beschluss vom 25.03.11 – 3 O 5/11 –; VG Schleswig, Beschluss vom 23.11.17 – 12 B 17/17 –, Rn. 46; VG Hannover, Beschluss vom 21.12.09 – 13 B 6174/09 –, Rn. 33). Auf Grundlage der genannten Vorschriften und Grundsätze ergibt sich somit ein Streitwert in Höhe von 33.360,36 € (5.560,06 x 12 : 2 : 2 = 16.680,18 x 2 = 33.360,36 €).




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