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Polizeivollzugsdienstfähigkeit

Es geht hier wieder einmal um die beamtenrechtlichen Folgen der mangelnden Polizeivollzugsdienstfähigkeit:
Weitere Verwendung im Polizeidienst, Wechsel in die allgemeine Verwaltung oder gar vorzeitige Pensionierung?

Beschluss des OVG NRW vom 31.03.22 - 1 A 1022 / 14


Vorinstanz: Verwaltungsgericht Köln, 15 K 6894/19

Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 42.097,44 Euro festgesetzt.

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G r ü n d e
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Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
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...
Hiervon ausgehend rechtfertigt das Zulassungsvorbringen aus der – fristgerecht vorgelegten – Begründungsschrift die begehrte Zulassung der Berufung nicht. Soweit es den Anforderungen an eine hinreichende Darlegung genügt, greift es der Sache nach nicht durch.
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Das Verwaltungsgericht hat der Klage, mit der der Kläger sich gegen seine Versetzung in den Ruhestand wegen (Polizei-) Dienstunfähigkeit wendet, im Kern mit der folgenden Begründung stattgegeben:
Der angefochtene Zurruhesetzungsbescheid vom 02.09.19 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.10.19 sei auf der Grundlage der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Er finde auch dann keine Stütze in § 44 BBG, §§ 2, 4 Abs. 1 BPolBG, wenn zugunsten der Beklagten angenommen werde, dass der Kläger die uneingeschränkte gesundheitliche Eignung für den Polizeivollzugsdienst bzw. für den allgemeinen Verwaltungsdienst nicht innerhalb des jeweils normierten Prognosezeitraums (zwei Jahre bzw. sechs Monate) wieder erreichen werde.
Die Beklagte sei nämlich (jedenfalls) nicht ihrer Verpflichtung nachgekommen, vor einer Zurruhesetzung des Klägers nach einem Dienstposten zu suchen, der eine dem Restleistungsvermögen des Klägers entsprechende Weiterverwendung i. S. v. § 4 Abs. 1 letzter Halbsatz BPolBG und i. S. v. § 44 (Abs. 1 Satz. 3, Abs. 2 bis 4) BBG ermöglicht.
Zwar dürfe der Dienstherr von einer solchen Suche ausnahmsweise absehen, wenn feststehe, dass der Polizeivollzugsbeamte in dem jeweils normierten Prognosezeitraum keinerlei Dienst leisten könne oder erhebliche Fehlzeiten zu erwarten seien. Diese Voraussetzungen lägen hier aber nicht vor. Nach dem sozialmedizinischen Gutachten des Dr. T. vom 25.10.18 sei der Kläger nämlich jeweils gesundheitlich für den Polizeivollzugsdienst und für den allgemeinen Verwaltungsdienst geeignet, wenn auch mit jeweils näher bezeichneten Einschränkungen.
Zwar könnten die in der Vergangenheit liegenden, sehr langen Zeiträume eines krankheitsbedingten Fernbleibens des Klägers vom Dienst eine entsprechende Prognose für die Zukunft nahelegen. Die Annahme einer im maßgeblichen Zeitpunkt (20.10.19) feststehend negativen Prognose rechtfertigten sie aber für sich genommen nicht.
Einer solchen (von der Beklagten auch nicht angestellten) tragfähigen Prognose stehe nämlich entgegen, dass das Gutachten keine näheren Feststellungen für den Fall enthalte, dass der Kläger unter Beachtung der sich aus dem Gutachten ergebenden Verwendungseinschränkungen beschäftigt wird. Die danach auch hier gebotene Suche nach einem für den Kläger geeigneten und verfügbaren Dienstposten sei offensichtlich ganz unterblieben. In den angefochtenen Bescheiden finde sich nur die pauschale, aber nicht nachvollziehbare Behauptung, dass es in der gesamten Verwaltung der Bundespolizei keine Funktionen im Innendienst gebe, die den nach dem Gutachten zu beachtenden Einschränkungen (nur geringer Publikumsverkehr, keine hohen Anforderungen an die Stressstabilität) entsprächen. Zudem fehle in den Bescheiden, in den Akten und im Vortrag der Beklagten jeder Hinweis auf eine erfolgte, aber vergeblich gebliebene deutschlandweite Suche nach Dienstposten bei anderen Behörden der Bundespolizei oder bei Bundesbehörden außerhalb der Bundespolizei. Diese mangelnde Darlegung von Vorgängen aus dem eigenen Verantwortungsbereich gehe zulasten der insoweit darlegungspflichtigen Beklagten und löse eine Ermittlungspflicht des Gerichts nicht aus.
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Die Beklagte macht hiergegen das Folgende geltend: Es sei entbehrlich gewesen, nach einem Dienstposten zur anderweitigen Verwendung des Klägers zu suchen. Es habe nämlich entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts bei Erlass des Widerspruchsbescheides auf der Grundlage des sozialmedizinischen Gutachtens festgestanden, dass der Kläger in den Prognosezeiträumen der §§ 44 BBG, 4 Abs. 1 letzter Halbsatz BPolBG keinerlei Dienst leisten könne bzw. erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten entwickeln werde. Eine solche negative Prognose habe ausweislich der im Gutachten insoweit formulierten Verwendungseinschränkungen und des Abstellens auf den bisherigen Krankheitsverlauf zunächst hinsichtlich der Ausübung polizeivollzugstypischer Aufgaben festgestanden. Darüber hinaus habe das Verwaltungsgericht insoweit verkannt, dass auch ein im Innendienst der Bundespolizei eingesetzter Polizeivollzugsbeamter uneingeschränkt polizeidienstfähig sein müsse, um die generelle Einsatzfähigkeit der Bundespolizei aufrechterhalten zu können. Fehl gehe die Begründung des Verwaltungsgerichts, die krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers in der Vergangenheit erlaubten keine entsprechende Prognose. Prognosen müssten nämlich notwendig auch auf Erkenntnisse aus der Vergangenheit gestützt werden. Zudem habe der Kläger "bis heute" nicht den Versuch eines Dienstantritts unternommen. Auch habe das Verwaltungsgericht nicht beachtet, dass eine spätere Besserung des Gesundheitszustands des Beamten, die im maßgeblichen Zeitpunkt nicht zu erwarten gewesen sei, die Zurruhesetzung nicht rechtswidrig mache, sondern nur zur Anwendung des § 46 BBG führen könne. Ferner habe das Verwaltungsgericht fehlerhaft angenommen, dass es einen Polizeiverwaltungsdienst gebe. Außerdem sei der Dienstherr auch nicht verpflichtet, entsprechende Einsatzmöglichkeiten für eine Weiterverwendung erst zu schaffen. Schließlich könne die Annahme, der Kläger könne im allgemeinen Verwaltungsdienst eingesetzt werden, nicht mit Erfolg auf den bloßen, nicht näher begründeten Hinweis gestützt werden, es sei nicht nachvollziehbar, dass "an alle Dienstposten gleichermaßen Anforderungen an die Stressstabilität gestellt würden". Das Verwaltungsgericht hätte angeben müssen, aus welchen Gründen sich die von ihm gehegten diesbezüglichen Zweifel ergäben.
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Aus diesem (weitgehend ungeordneten) Zulassungsvorbringen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Der Beklagten ist es nicht gelungen, die Einschätzung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage zu stellen, nach der die Zurruhesetzungsverfügung jedenfalls deshalb rechtswidrig und daher aufzuheben ist, weil die Beklagte es pflichtwidrig unterlassen hat, in den Bereichen der Bundespolizei sowie der sonstigen Bundesverwaltung nach einem Dienstposten zu suchen, dessen Aufgaben der Kläger entsprechend seinem gutachterlich festgestellten Restleistungsvermögen dauerhaft bewältigen kann. Ihr Vorbringen, mit dem sie allein geltend macht, eine Suchpflicht habe vorliegend (ausnahmsweise) nicht bestanden, greift nämlich ausgehend von den nachfolgend dargestellten rechtlichen Vorgaben (dazu 1.) erkennbar nicht durch (dazu 2.).
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1. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 2 BBG ist die Beamtin auf Lebenszeit oder der Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie oder er wegen des körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung der Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist und nicht anderweitig verwendet werden kann. Maßstab für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit ist das der Beamtin oder dem Beamten zuletzt übertragene Amt im abstrakt-funktionellen Sinne, d. h. die Gesamtheit der bei der Beschäftigungsbehörde eingerichteten Dienstposten, auf denen sie oder er amtsangemessen eingesetzt werden kann.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. November 2014– 2 B 97.13 –, juris, Rn. 7 (zu der Parallelvorschrift des § 26 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 2 BeamtStG), m. w. N.
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Im Unterschied dazu ist ein Polizeivollzugsbeamter des Bundes nach der insoweit einschlägigen Sonderregelung des § 4 Abs. 1 BPolBG dienstunfähig, wenn er den besonderen gesundheitlichen Anforderungen für den Polizeivollzugsdienst nicht mehr genügt und nicht zu erwarten ist, dass er seine volle Verwendungsfähigkeit innerhalb zweier Jahre wiedererlangt (Polizeidienstunfähigkeit), es sei denn, die auszuübende Funktion erfordert bei Beamten auf Lebenszeit diese besonderen gesundheitlichen Anforderungen auf Dauer nicht mehr uneingeschränkt. Nach Halbsatz 1 dieser Regelung ist die Polizeidienstfähigkeit nicht an dem abstrakt-funktionellen Amt eines Polizeibeamten bei seiner Beschäftigungsbehörde zu messen, sondern an sämtlichen Ämtern der Laufbahn des Polizeivollzugsdienstes, so dass polizeidienstfähig nur der Polizeivollzugsbeamte ist, der zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder Stellung einsetzbar ist, die seinem statusrechtlichen Amt entspricht.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. November 2014– 2 B 97.13 –, juris, Rn. 8 bis 10, m. w. N., und Urteil vom 26. April 2012 – 2 C 17.10 –, juris, Rn. 10.
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Diese Anforderungen an die Polizeidienstfähigkeit schränkt Halbsatz 2 der Regelung ["es sei denn, (…) uneingeschränkt"] nicht ein. Er ermächtigt jedoch den Dienstherrn, den polizeidienstunfähig gewordenen, aber noch allgemein dienstfähigen Beamten unter den von ihm aufgestellten weiteren Voraussetzungen weiter im Polizeivollzugsdienst zu verwenden. Die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand scheidet mithin trotz Polizeidienstunfähigkeit aus, wenn der Polizeivollzugsbeamte in einer zur Verfügung stehenden Funktion (Dienstposten) des Polizeidienstes verwendet werden kann, deren Aufgaben er dauerhaft, d. h. voraussichtlich bis zum Erreichen der besonderen Altersgrenze, bewältigen kann, ohne polizeidienstfähig zu sein.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. November 2014– 2 B 97.13 –, juris, Rn. 10 bis 12, m. w. N., und Urteil vom 3. März 2005 – 2 C 4.04 –, juris, Rn. 9 bis 13; ferner OVG NRW, Beschluss vom 13.09.12 – 1 A 644/12 –, juris, Rn. 22 bis 27, m. w. N., und Wehr, BPolBG, 3. Online-Auflage 2018, § 4 Rn. 7 f.
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Zwar begründet diese Vorschrift keinen Rechtsanspruch der betroffenen Beamten auf Verbleib im Polizeivollzugsdienst. Aus ihr ergibt sich aber die Pflicht des Dienstherrn, aktiv nach einer derartigen Funktion zu suchen (Grundsatz "Weiterverwendung vor Versorgung", § 2 BPolBG i. V. m. § 44 Abs. 1 Satz 3 BBG),
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vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. November 2014– 2 B 97.13 –, juris, Rn. 11, und Wehr, BPolBG, 3. Online-Auflage 2018, § 4 Rn. 8,
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wobei insoweit die Anforderungen zu beachten sind, die das Bundesverwaltungsgericht für die Suchpflicht nach § 42 Abs. 3 BBG a. F. bzw. nach § 44 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 bis 4 BBG aufgestellt hat.
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Vgl. insoweit etwa die Darstellung dieser Rechtsprechung von Koch, in: Plog/Wiedow, BBG, Werkstand: März 2022, BBG 2009 § 44 Rn. 50 ff.
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Von der mithin grundsätzlich gebotenen Suche nach einer Funktion für die Weiterverwendung i. S d. § 4 Abs. 1 Halbsatz 2 BPolBG ist der Dienstherr nur dann entbunden, wenn deren Zweck von vornherein nicht erreicht werden kann. Dies ist anzunehmen, wenn feststeht, dass der Polizeivollzugsbeamte in dem von dieser Vorschrift vorgegebenen Zeitraum, d. h. in den nächsten zwei Jahren, keinerlei Dienst leisten kann oder erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten zu erwarten sind.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. November 2014– 2 B 97.13 –, juris, Rn. 13, unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 5. Juni 2014 – 2 C 22.13 –, juris, Rn. 34 f., zur Weiterverwendung nach § 44 Abs. 3 BBG.
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Entsprechendes gilt für die Pflicht zur Suche nach einer anderweitigen Verwendung gemäß § 44 Abs. 1 Satz 3 BBG. Auch insoweit ist der Dienstherr von der nach dieser Vorschrift grundsätzlich bestehenden Suchpflicht nur dann entbunden, wenn deren Zweck von vornherein nicht erreicht werden kann. Das ist der Fall, wenn feststeht, dass der Beamte im Prognosezeitraum generell nicht mehr oder nur mit erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten zur Dienstleistung imstande sein wird bzw. – nach einer neueren Formulierung des Bundesverwaltungsgerichts – wenn die Erkrankung des Beamten von solcher Art oder Schwere ist, dass dieser generell dienstunfähig ist und damit für sämtliche Dienstposten im gesamten Bereich des Dienstherrn der betreffenden oder einer anderen Laufbahn, in die der Beamte wechseln könnte, ersichtlich gesundheitlich ungeeignet ist.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juni 2014 – 2 C 22.13 –, juris, Rn. 34 f., Beschluss vom 6. November 2014– 2 B 97.13 –, juris, Rn. 13 und 15, Urteil vom 16. November 2017 – 2 A 5.16 –, juris, Rn. 32, und Beschluss vom 16. April 2020 – 2 B 5.19 –, juris, Rn. 43; ferner OVG NRW, Beschlüsse vom 8. Juni 2021 – 1 E 259/20 –, juris, Rn. 30, und vom 28. August 2018 – 1 A 2092/16 –, juris, Rn. 16 f., m. w. N.
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2. Gemessen an diesen Vorgaben ergibt sich auch in Ansehung des Zulassungsvorbringens nicht, dass die Beklagte hier ausnahmsweise von der sie grundsätzlich treffenden – unstreitig nicht erfüllten – Pflicht entbunden war, vor einer Zurruhesetzung des Klägers einen für diesen geeigneten leidensgerechten Dienstposten im Innendienst der Bundespolizei und im Bereich der Bundesbehörden außerhalb der Bundespolizei zu suchen.
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a) Nicht zielführend ist zunächst das Zulassungsvorbringen, die eine Suche rechtlich entbehrlich machende negative Prognose habe ausweislich der im Gutachten formulierten Verwendungseinschränkungen und des Abstellens auf den bisherigen Krankheitsverlauf zunächst hinsichtlich der Ausübung polizeivollzugstypischer Aufgaben festgestanden, die indes auch ein im Innendienst eingesetzter Polizeivollzugsbeamter bewältigen können müsse.
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Zwar hat Medizinaldirektor Dr. T.      in seinem Sozialmedizinischen Gutachten vom 25.10.18 ausgeführt,
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-          dass der Kläger gesundheitlich nicht uneingeschränkt geeignet für den Polizeidienst sei, weil diesem aufgrund der eingangs des Gutachtens angeführten körperlichen und seelischen Störungen die Bewältigung der im uneingeschränkten Polizeivollzugsdienst auftretenden Belastungen und Anforderungen nicht mehr möglich wäre,
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-          dass etliche Verwendungseinschränkungen bestünden
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-          und dass aufgrund des bisherigen Krankheitsverlaufs innerhalb der nächsten zwei Jahre nicht zu erwarten sei, dass die uneingeschränkte gesundheitliche Eignung für den Polizeivollzugsdienst wiedererlangt werde.
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All dies hat das Verwaltungsgericht aber auch nicht in Zweifel gezogen. Es hat nämlich ausgeführt, dass zwar "eine uneingeschränkte Polizeidienstfähigkeit für den Kläger ausgeschlossen" (UA S. 6, vorletzter Absatz) werde, nicht aber eine Dienstfähigkeit mit Einschränkungen bezüglich einzelner im Gutachten aufgezählter Aufgaben und Belastungen. Diese Feststellungen treffen ersichtlich zu. Namentlich hat der Gutachter einen ausschließlichen Innendienst als Tagdienst mit fester Kernarbeitszeit und/oder Teilzeittätigkeit ohne Wechselschichtdienst und Nachtdienst empfohlen bzw. für (sofort) möglich erachtet. Angesichts dieses gutachterlich festgestellten Restleistungsvermögens wäre die Beklagte trotz der Polizeidienstunfähigkeit des Klägers (und trotz der hinsichtlich einer Verwendung im allgemeinen Verwaltungsdienst gutachterlich gesehenen Einschränkungen bezüglich des Publikumsverkehrs und der Stressstabilität) verpflichtet gewesen, für diesen nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 Halbsatz 2 BPolBG einen geeigneten und verfügbaren Dienstposten im Innendienst der Bundespolizei zu suchen. Das Argument, auch ein im Innendienst eingesetzter Polizeivollzugsbeamter müsse zur Aufrechterhaltung der Einsatzfähigkeit der Bundespolizei uneingeschränkt polizeidienstfähig sein, greift insoweit gerade nicht durch.
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b) Nicht zum Erfolg führt auch das weitere Zulassungsvorbringen, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, "dass die sehr umfangreichen Zeiträume krankheitsbedingter Fehlzeiten in der Vergangenheit keine Aussage darüber treffen lassen, der Kläger werde auch in Zukunft erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten produzieren", weil Prognosen stets auch auf Erkenntnisse aus der Vergangenheit gestützt werden müssten und der Kläger "bis heute nicht den Versuch eines Dienstantritts unternommen" habe.
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Das gilt schon deshalb, weil das Verwaltungsgericht eine solche pauschale Einschätzung nicht formuliert hat. Es hat vielmehr – zutreffend – ausgeführt, dass die Beklagte nicht schon "allein aufgrund dieser in der Vergangenheit liegenden Umstände" (UA S. 6, vorletzte Zeile; Hervorhebung nur hier), sondern erst bei Hinzutreten einer entsprechenden, aber nicht vorhandenen gutachterlichen Feststellung hätte annehmen dürfen, es sei auch bei einem (bislang nie erfolgten) Einsatz des Klägers auf einem leidensgerechten Dienstposten mit erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten zu rechnen gewesen. Auch der im vorliegenden Zusammenhang noch formulierte Vorhalt der Beklagten, der Kläger habe sich "bis heute", d. h. bis zum Tag der Abfassung der Zulassungsbegründungsschrift am 8.10.21, nicht um einen Dienstantritt bemüht, geht ersichtlich fehl. Der Kläger war an einem solchen Verhalten nämlich seit seinem durch die Zurruhesetzungsverfügung bewirkten Eintritt in den Ruhestand mit Ablauf des 30.09.19 gehindert, und in der Zeit davor fehlte es ersichtlich an einem leidensgerechten Dienstposten.
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c) Offensichtlich irrelevant ist der Einwand der Beklagten, der die rechtlichen Folgen betrifft, die eine nach der letzten Verwaltungsentscheidung eintretende Besserung des Gesundheitszustands des wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzten Beamten nach sich zieht. Das Verwaltungsgericht hat sich nämlich allein mit der Frage befasst, ob eine negative, jeglicher Weiterverwendung entgegenstehende Prognose im Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruchsbescheid als feststehend angenommen werden konnte.
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d) Ebenfalls ohne Erfolg bleibt die Rüge, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass es einen Polizeiverwaltungsdienst nicht gebe. Zwar hat das Verwaltungsgericht diesen Begriff in dem angefochtenen Urteil tatsächlich verwendet (UA S. 7, zweiter Absatz). Hiermit gemeint hat es aber ersichtlich die Gesamtheit der innendienstlichen Funktionen innerhalb der Bundespolizei. Das ergibt sich schon aus dem unmittelbaren Kontext der gerügten Formulierung, die eine Suchpflicht der Beklagten einerseits im allgemeinen Verwaltungsdienst (§ 44 BBG) und andererseits im "Polizeiverwaltungsdienst" (§ 4 BPolBG) konstatiert. Dem entspricht auch, dass das Verwaltungsgericht seine anschließende Feststellung, nach der die gebotene Suche in Gänze unterblieben ist, u. a. auf die Erwägung gestützt hat, dass (schon) eine Überprüfung der "vorhandenen Dienstposten in der eigenen Behörde" auf ihre Eignung für eine Verwendung des Klägers nicht erkannt werden könne. Damit sind ersichtlich die bei der Bundespolizei vorhandenen Dienstposten des Innendienstes gemeint.
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e) Das Zulassungsvorbringen, der Dienstherr sei nicht verpflichtet, Einsatzmöglichkeiten für eine Weiterverwendung erst zu schaffen, ist irrelevant. Zwar trifft es zu, dass sich die Suche nach einer geeigneten anderweitigen Verwendung nur auf vorhandene Dienstposten (hier: im gesamten Bereich der Bundespolizei, soweit es um die Suchpflicht nach § 4 BPolBG geht, und im gesamten Bereich des Dienstherrn Bund, soweit die Suchpflicht nach § 44 BBG in Rede steht) beziehen muss, die vakant oder in absehbarer Zeit neu zu besetzen sind, und der Dienstherr nicht verpflichtet ist, personelle oder organisatorische Änderungen vorzunehmen, um eine Weiterverwendung zu ermöglichen.
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Vgl. etwa Koch, in: Plog/Wiedow, BBG, Werkstand: März 2022, BBG 2009 § 44 Rn. 52 bis 54, m. w. N.
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Das angefochtene Urteil enthält aber keine Aussage der gerügten Art.
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f) Schließlich greift auch die Rüge nicht durch, das Verwaltungsgericht habe die Annahme, der Kläger könne im allgemeinen Verwaltungsdienst eingesetzt werden, nicht mit Erfolg auf den bloßen, nicht näher begründeten Hinweis stützen dürfen, es sei nicht nachvollziehbar, dass "an alle Dienstposten gleichermaßen Anforderungen an die Stressstabilität gestellt würden", sondern hätte angeben müssen, aus welchen Gründen sich die von ihm gehegten diesbezüglichen Zweifel ergäben. Dieses Vorbringen verfehlt bereits die eingangs dieses Beschlusses dargestellten Anforderungen an eine hinreichende Darlegung. Es setzt sich nämlich nicht mit den einschlägigen Ausführungen im angefochtenen Urteil auseinander, dass und weshalb es dem Dienstherrn im Zurruhesetzungsstreit obliegt, die erfolglose Durchführung einer den gesetzlichen Vorgaben genügenden Suche nach einem für den Beamten geeigneten Dienstposten schlüssig darzulegen, und dass es im Verwaltungsprozess zu Lasten des Dienstherrn geht, wenn dieser – wie hier – nur pauschal das Vorhandensein entsprechender Dienstposten verneint und damit schon seiner Obliegenheit nicht genügt (UA S. 8, zweiter Absatz).
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Unabhängig davon sind diese Ausführungen des Verwaltungsgerichts auch nicht zu beanstanden. Ihnen liegt sowohl ein zutreffender rechtlicher Ansatz
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– vgl. insoweit etwa Koch, in: Plog/Wiedow, BBG, Werkstand: März 2022, BBG 2009 § 44 Rn. 60, m. w. N. –
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als auch eine überzeugende Subsumtion zugrunde. Es ist nämlich schlechterdings nicht nachvollziehbar, dass es, wie die Beklagte allenfalls und allein behauptet hat, (im gesamten Innendienst der Bundespolizei und) in der gesamten allgemeinen Verwaltung des Bundes überhaupt keine mit dem Kläger besetzbare Dienstposten gibt, die keine "hohen Anforderungen an die Stressstabilität" stellen und auf denen ihr jeweiliger Inhaber einem höchstens geringen Publikumsverkehr ausgesetzt ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 40, 52 Abs. 1 und 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 und 3 GKG. Bei der Ermittlung der danach anzusetzenden Summe der Bezüge, die dem Kläger im Kalenderjahr der Einlegung des Rechtsmittels (2021) als aktivem Beamten nach A 8 BBesO ohne Berücksichtigung der nach § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 und Satz 3 GKG ausgenommenen Besoldungsbestandteile zu zahlen wären, ist hier auf das bei Einlegung des Rechtsmittels (1.09.21) bekanntgemachte, für den betroffenen Beamten geltende Besoldungsrecht (hier: das Besoldungsrecht für Beamtinnen und Beamte des Bundes) abzustellen, also schon auf die Beträge nach den Regelungen desBBVAnpÄndG 2021/2022 vom 9. Juli 2021, BGBl. I S. 2444. Damit ergeben sich hier bei Zugrundelegung der Erfahrungsstufe 8 monatliche Bezüge i. H. v. 3.476,83 Euro (Januar, Februar und März 2021) bzw. i. H. v. 3.518,55 Euro (restliche Monate des Jahres); daraus resultiert ein Jahresbetrag i. H. v. 42.097,44 Euro.
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Von einer nach § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG möglichen Änderung der Streitwertfestsetzung für das erstinstanzliche Verfahren sieht der Senat ab. Zwar hat das Verwaltungsgericht bei seiner Festsetzung die erst beginnend mit dem Monat April 2019 höheren monatlichen Bezüge für das ganze Jahr 2019 angesetzt und damit einen zu hohen Streitwert ermittelt (12 x 3.440,36 Euro = 41.284,32 Euro). Der zutreffend festzusetzende Streitwert (40.974,96 Euro) fällt aber bereits in dieselbe Streitwertstufe (bis 45.000,00 Euro) wie der vom Verwaltungsgericht festgesetzte Streitwert.
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Dieser Beschluss ist hinsichtlich der Streitwertfestsetzung nach §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG und im Übrigen gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Das angefochtene Urteil ist nunmehr rechtskräftig, § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO.
Beamtenrecht / Übersicht Beamtengesetze
Dienstunfähigkeit / Übersicht
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Vorzeitige Pensionierung Rückernennung
Verschiedenes Beteiligung des Personalrats Beteiligung Integrationsamt Reaktivierung Berufsunfähigkeit Besitzstandwahrung Dienstordnungsangestellte im Arbeitsrecht