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Der Arbeitsversuch im Beamtenrecht / Betriebliche Wiedereingliederung (BEM)

Muss der Beamte ein Angebot für ein Wiedereingliederungsgspräch annehmen?

Nur wenige Juristen vertreten die Meinung, dass es eine Pflicht des Arbeitnehmers / Beamten zur Teilnahme an Maßnahmen der Wiedereingliederung gebe. Überwiegend ist man der Auffassung, dass es dem Beschäftigten völlig freigestellt ist, ob er zustimmen und sich an dem Verfahren beteiligen möchte.
Eine erteilte Zustimmung kann jederzeit widerrufen, die Mitarbeit kann eingestellt werden.
Einer Begründung bedarf es nicht.
Wir möchten Sie aber durchaus ermuntern, solche Gesprächsangebote und das Angebot einer Wiedereingliederungsmaßnahme anzunehmen.

Worum geht es beim Betrieblichen Eingliederungsmanagement? Erläuterungen des BMI und der FHH

Auszug aus
Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zum Verfahren der Dienstunfähigkeit sowie zur Feststellung der begrenzten Dienstfähigkeit Stand: 16.07.2021

1.4. Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)
Das BEM (§ 167 Absatz 2 SGB IX) legt Arbeitgebern die gesetzliche Verpflichtung auf, sich um Beschäftigte zu kümmern, die innerhalb eines Jahres ununterbrochen oder in der Summe einzelner Fehlzeiten insgesamt mehr als sechs Wochen krank waren oder sind. Dem BEM liegen somit der Rehabilitations- und Präventionsgedanke im Rahmen der Fürsorgepflicht zugrunde. Die Beschäftigten sollen durch individuell auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Maßnahmen dabei unterstützt werden, ihre Tätigkeit wiederaufzunehmen und ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen ggf. unter geänderten Rahmenbedingungen weiter fortführen zu können. Wegen dieser Zielstellung ist das BEM auch auf Beamtinnen und Beamte anzuwenden.
Die Entscheidung über die Teilnahme am Verfahren obliegt der Beamtin oder dem Beamten und ist freiwillig.
Das BEM ist auch kein zwingender Bestandteil des Verfahrens zur Dienstunfähigkeit. Somit ist die Durchführung eines BEM keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit. Es besteht jedoch die Option, dass der Dienststelle bei einem ordnungsgemäß erfolglos durchgeführtem BEM-Verfahren im Anschluss hinreichende Anhaltspunkte für die Einleitung eines DU-Verfahrens vorliegen.

BEM-Leitfaden der Hansestadt Hamburg aus dem Jahr 2013


Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Betrieblichen Wiedereingliederung

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 05.06.14, 2 C 22.13

1. Die Verpflichtung des Arbeitgebers, bei krankheitsbedingten Fehlzeiten von mehr als sechs Wochen innerhalb eines Jahres die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (im Folgenden: BEM) anzubieten (§ 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX), gilt auch gegenüber Beamten. Das BEM ist aber keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für eine Verfügung, mit der ein Beamter wegen dauernder Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt wird.

2. In Fällen krankheitsbedingter Fehlzeiten stehen das betriebliche Eingliederungsmanagement und das Zurruhesetzungsverfahren in einem zeitlich gestaffelten Stufenverhältnis. Ist ein betriebliches Eingliederungsmanagement ordnungsgemäß, aber erfolglos durchgeführt worden, liegen regelmäßig hinreichende Anhaltspunkte für eine an den Beamten gerichtete Weisung vor, sich auf eine mögliche Dienstunfähigkeit ärztlich untersuchen zu lassen.
Informieren Sie sich hier etwas umfassender über das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts 2 C 22.13.

Die Zielrichtung des BEM

Als Betroffene(r) wollen Sie während einer Erkrankung vielleicht von dem Dienstherrn in Ruhe gelassen werden.
Der Gesetzgeber hat dem Arbeitgeber / Dienstherrn aber aus Gründen der Fürsorgepflicht aufgegeben, Ihnen einen Wiedereinstieg zu ermöglichen und Ihnen dafür bestimmte Angebote zu machen. Dazu gehört das Angebot, ein BEM-Gespräch zu führen, und die Bereitschaft, Ihnen einen stufenweisen Wiedereinstieg zu ermöglichen.
Sie können diese Angebote ablehnen, ohne dass Ihnen das zum Nachteil gereicht. Dauert die Dienstunfähigkeit weiter an, müssen Sie einige Wochen später aber mit der Einleitung eines förmlicheren Verfahrens zur Untersuchung der Dienstfähigkeit rechnen.
Bitte beachten Sie, dass BMI und Bundesverwaltungsgericht davon ausgehen, dass bei einem Scheitern des Wiedereingliederungsversuchs begründeter Anlass für eine Untersuchung durch den Amtsarzt gegeben ist.


Hamburger Modell: Betrieblichen Wiedereingliederung auf Vorschlag der Ärzte

Auszug aus
Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zum Verfahren der Dienstunfähigkeit sowie zur Feststellung der begrenzten Dienstfähigkeit Stand: 16.07.2021

1.5. Durchführung der stufenweisen Wiedereingliederung (Hamburger Modell)

Die Wiedereingliederung - auch Hamburger Modell - hat das Ziel, erkrankte Beschäftigte anhand eines von der Ärztin bzw. vom Arzt individuell erarbeiteten Stufenplans wieder an ihrem alten Arbeitsplatz zu integrieren. Sie kann auch am Ende eines BEM stehen.
Anders als das BEM, zu dessen Angebot der Arbeitsgeber gegenüber seinen Beschäftigten verpflichtet ist, beruht das Hamburger Model auf der Initiative bzw. dem Antrag der bzw. des Beschäftigten an den Arbeitgeber und wird oftmals durch die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt angeregt. Geregelt ist das Hamburger Modell in § 74 SGB V und gleichlautend für den Fall behinderter oder konkret von Behinderung bedrohter Menschen in § 44 SGB IX. Im Beamtenrecht gibt es für das Hamburger Modell zwar keine vergleichbare gesetzliche Grundlage. In der Praxis hat es sich jedoch auch für Beamtinnen und Beamte bewährt. ...


Im Beamtenrecht gab es früher nur dienstfähige oder dienstunfähige Beamte, aber noch kein abgestuftes Instrumentarium. Inzwischen kennen wir die "begrenzte Dienstfähigkeit" bzw. Teildienstfähigkeit und auch den

Arbeitsversuch im Sinne von § 2 IV AZVO.

Auch einem Beamten kann nach einer längeren Erkrankung für einen Zeitraum von längstens sechs Monaten eine Ermäßigung der regelmäßigen Arbeitszeit unter Fortzahlung der Dienstbezüge gewährt werden, wenn dies nach amtsärztlicher / personalärztlicher Feststellung zur Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess geboten ist.
Der aus gesundheitlichen Gründen in seiner Leistungsfähigkeit noch beeinträchtigte Beamte soll sich nach und nach wieder an die Anforderungen seines Amtes anpassen und die volle Dienstfähigkeit wieder erlangen können.
Fürsorgepflicht und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz können nach unserer Auffassung einen solchen Arbeitsversuch gebieten, bevor an andere Maßnahmen (Pensionierung) gedacht wird.
Dies ist in den Einzelheiten allerdings umstritten.

Bisweilen wird eine Frage gestellt, die das Bundesverwaltungsgericht in einem Beschluss vom 11.06.15 - 2 B 64.14 - wie folgt beantwortet hat:
"Arbeitet ein bei der Deutschen Post AG beschäftigter Beamter, der wegen einer Erkrankung vorübergehend dienstunfähig ist, im Rahmen einer Wiedereingliederungsmaßnahme entsprechend § 74 SGB V stundenweise, so leistet er keinen aktiven Dienst im Sinne von § 12 Satz 1 PostLEntgV."
Salopp: Während einer BEM ist der Beamte / Arbeitnehmer noch krank bzw. dienstunfähig.
Aber hierüber gibt es Streit.

Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hat sich in einem Beschluss vom 22.05.18 - 5 Bs 80/18 - ausführlich dazu geäußert, wie es die BEM rechtlich einordnet. Der Beschluss ist abgedruckt in NVwZ-RR 2018, 816 ff.
Sie finden ihn auch im Internet in der Entscheidungssammlung der hamburger Justiz.
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.05.18 - 5 Bs 80/18 -

§ 167 SGB IX (Sozialgesetzbuch)

Im Sozialgesetzbuch (§ 167 SGB IX) finden sich Regeln über die betriebliche Wiedereingliederung. Ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) regelt die Bedingungen, unter denen im Zusammenspiel mehrerer Beteiligter (der betroffene Beamte selbst, die Dienststelle, die Mediziner, der Personalrat, die Behindertenvertretung, ...) der ernsthafte Versuch unternommen werden soll, den Beamten behutsam wieder an die Dienstfähigkeit heran zu führen.
Dabei gelten die Regeln des SGB insoweit nicht nur für Beamte, sondern für alle Arbeitnehmer, und zwar unabhängig von einer anerkannten Schwerbehinderung oder der entsprechenden Gleichstellung.

§ 167 SGB IX lautet:

§ 167 SGB IX: Prävention

(1) Der Arbeitgeber schaltet bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen können, möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung und die in § 176 genannten Vertretungen sowie das Integrationsamt ein, um mit ihnen alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können und das Arbeits- oder sonstige Beschäftigungsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann.
(2) Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 176, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement). Beschäftigte können zusätzlich eine Vertrauensperson eigener Wahl hinzuziehen. Soweit erforderlich, wird der Werks- oder Betriebsarzt hinzugezogen. Die betroffene Person oder ihr gesetzlicher Vertreter ist zuvor auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen. Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, werden vom Arbeitgeber die Rehabilitationsträger oder bei schwerbehinderten Beschäftigten das Integrationsamt hinzugezogen. Diese wirken darauf hin, dass die erforderlichen Leistungen oder Hilfen unverzüglich beantragt und innerhalb der Frist des § 14 Absatz 2 Satz 2 erbracht werden. 6Die zuständige Interessenvertretung im Sinne des § 176, bei schwerbehinderten Menschen außerdem die Schwerbehindertenvertretung, können die Klärung verlangen. Sie wachen darüber, dass der Arbeitgeber die ihm nach dieser Vorschrift obliegenden Verpflichtungen erfüllt.
(3) Die Rehabilitationsträger und die Integrationsämter können Arbeitgeber, die ein betriebliches Eingliederungsmanagement einführen, durch Prämien oder einen Bonus fördern.


Nach § 167 Absatz 2 SGB IX) soll ein Betriebliches Eingliederungsmanagement in Betracht kommen, wenn ein Arbeitnehmer oder Beamter in den vergangenen zwölf Monaten insgesamt länger als sechs Wochen arbeitsunfähig war. Auf die Art der Erkrankung(en) kommt es nicht an.
Der / die Betroffene soll umfassend über das BEM informiert werden.
Er / sie hat keine Mitwirkungspflicht, kann sich also für oder gegen die Wiedereingliederungsmaßnahme entscheiden.
Die Maßnahme wird nur betrieben (und sie macht nur Sinn), wenn der / die Betroffene freiwillig mitwirkt.
Es wird dann ein Eingliederungsplan erstellt.
Vergleichen Sie aber bitte unten auf dieser Seite den Text von § 46 IV BBG!

In Hamburg gibt es eine Vereinbarung nach § 94 HmbPersVG zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) vom 26.11.12, abgedruckt in den MittVw 2013, 171 ff.
Dort sind "Mindeststandards" beschrieben, die eingehalten werden sollten, es heißt aber auch: "In den Behörden haben sich in den vergangenen Jahren verschiedene BEM-Verfahren etabliert. Diese Vielfalt ist gewollt, ..."

Es kann in diesem Zusammenhang Informationsrechte des Personalrats geben, die nicht von der Zustimmung des / der Betroffenen abhängig sind.

Kündigung / Entlassung / Pensionierung ohne Durchführung einer BEM?

A: Beamte - Vorzeitige Pensionierung ohne vorheriges BEM-Verfahren

Das Verwaltungsgericht Kassel hat die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Jahr 2020 wie folgt kurz auf den Punkt gebracht:
"Die Rechtswidrigkeit der Zurruhesetzungsverfügung vermag schließlich auch der Umstand nicht zu begründen, dass der Beklagte im Fall des Klägers keine Maßnahmen im Hinblick auf die Durchführung einer Wiedereingliederungsmaßnahme unternommen hat, die von Seiten des Polizeiarztes für möglich angesehen wurden.
Die Durchführung von Wiedereingliederungsmaßnahmen, etwa in Form eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) gem. § 167 Abs. 2 SGB IX, ist nicht Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für eine Versetzung in den Ruhestand, da es insoweit an einer gesetzlichen Regelung fehlt.

Die Verpflichtung zur Durchführung eines BEM gilt zwar auch gegenüber Beamten, jedoch sind das BEM und das Dienst­unfähigkeits­verfahren vom Gesetzgeber aber nicht miteinander verzahnt worden, so dass sich aus dem Unterlassen eines BEM keine unmittelbaren Auswirkungen für die Rechtmäßigkeit einer Zurruhesetzungsverfügung ergeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 05.06.14 - 2 C 22.13 -)."
(Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom  18.08.20 - 1 K 2834/18.KS -)

Ganz knackig auch VGH Baden-Württemberg Beschluss vom 27.02.20, 4 S 807/19, Leitsatz 2:
"Die Durchführung eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) ist weder ein förmlicher Verfahrensschritt des auf den Erlass einer Ruhestandsversetzung gerichteten Verwaltungsverfahrens noch sonstige Rechtmäßigkeits­voraussetzung hierfür."

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern hat mit Beschluss vom 08.04.22 - 2 LZ 537/21 OVG - entschieden:
"Leitsatz: Die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit steht nicht unter dem Vorbehalt, dass zuvor ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt worden ist."

B: Tarifbeschäftigte und BEM

Die Rechtsprechung akzeptiert eine Versetzung in den Ruhestand (bzw. im Arbeitsrecht: eine Kündigung) oft auch dann, wenn eine betriebliche Eingliederungsmaßnahme nicht versucht wurde. Das hat das Bundesverwaltungsgericht, wie oben erwähnt, auch bestätigt.
Dies gilt gleichermaßen für das Beamtenrecht wie für das Kündigungsschutzrecht der Arbeitnehmer. Doch wird in jedem Fall eine besondere Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geboten sein, sofern eine mögliche und erfolgversprechende Eingliederungsmaßnahme unterlassen wurde.
Insbesondere dürfte es im Arbeitsrecht auch darauf ankommen, dass die Kündigung nur das letzte Mittel sein kann und vorher andere Möglichkeiten bedacht werden müssen, etwa eine Umgestaltung des Arbeitsplatzes.
Wichtig ist hierfür ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20.05.20 - 7 AZR 100/19 -, das wir noch nicht in unsere Seite eingearbeitet haben.

Zu dieser Problematik hier ein Urteil vom 20.03.14 - 2 AZR 565 / 12 -, in NJW 2014, 2219 ff.:

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.03.14, 2 AZR 565/12

cc) Das Landesarbeitsgericht hat nicht geprüft, ob die Beklagte vor der Kündigung ein betriebliches Eingliederungs­management iSv. § 84 Abs. 2 SGB IX (bEM) durchgeführt hat.
[Anmerkung: § 84 SGB IX nach Gesetzesänderung jetzt § 167 SGB IX]
Das Versäumnis ist nicht entscheidungserheblich.

(1) Zugunsten des Klägers kann davon ausgegangen werden, dass bei Alkoholismus ein bEM grundsätzlich in Betracht kommt und seine Durchführung sich nicht wegen des Krankheitsbildes generell als überflüssig darstellt (zur Problematik vgl. Brose DB 2013, 1727, 1728). Gleichwohl erscheint fraglich, ob die gesetzlichen Voraussetzungen des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX im Streitfall vorliegen.
[Anmerkung: § 84 SGB IX nach Gesetzesänderung jetzt § 167 SGB IX]
Zwar war ein bEM nicht deshalb entbehrlich, weil bei der Beklagten keine betriebliche Interessenvertretung iSd. § 93 SGB IX bestand (vgl. BAG 30.09.10 - 2 AZR 88/09 - Rn. 28, BAGE 135, 361). Es ist aber weder festgestellt noch vom Kläger behauptet, dass er vor der Kündigung innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt wegen seiner Alkoholerkrankung arbeitsunfähig war. Seine Beschäftigung mag der Beklagten unzumutbar gewesen sein. Dies steht einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit aber nicht ohne Weiteres gleich (ähnlich BAG 20.12.12 - 2 AZR 32/11 - Rn. 31). Soweit der Kläger im Frühjahr 2010 Krankengeld bezogen hat, bleibt unklar, für welche Dauer er die Sozialleistung erhielt.

(2) Abgesehen davon führte das Unterlassen eines bEM nicht zu der Annahme, die Kündigung sei unverhältnismäßig. Dies vermag der Senat selbst zu entscheiden.

(a) § 84 Abs. 2 SGB IX stellt eine Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar. Das bEM ist zwar kein milderes Mittel gegenüber einer Kündigung. Mit seiner Hilfe können aber solche milderen Mittel, zB die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen, ggf. durch Umsetzungen „freizumachenden“ Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (BAG 10.12.09 - 2 AZR 400/08 - Rn. 18; 12.07.07 - 2 AZR 716/06 - Rn. 41, BAGE 123, 234). Möglich ist, dass selbst ein bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In einem solchen Fall kann dem Arbeitgeber aus dem Unterlassen eines bEM kein Nachteil entstehen. Erscheint demgegenüber ein positives Ergebnis denkbar, darf er sich nicht auf den pauschalen Vortrag beschränken, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer und es gebe keine leidensgerechten Arbeitsplätze, die der erkrankte Arbeitnehmer trotz seiner Erkrankung ausfüllen könne. Der Arbeitgeber hat vielmehr von sich aus denkbare oder vom Arbeitnehmer ggf. außergerichtlich genannte Alternativen zu würdigen und im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen weder eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen noch die Beschäftigung auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz in Betracht kommen (BAG 3009.10 - 2 AZR 88/09 - Rn. 35, BAGE 135, 361; 10.12.09 - 2 AZR 400/08 - Rn. 19).

(b) Im Streitfall erscheint es als ausgeschlossen, dass ein bEM zu einem positiven Ergebnis hätte führen können. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts beschäftigte die Beklagte im Kündigungszeitpunkt außer Hofarbeitern nur LKW-Fahrer und Verwaltungskräfte. Als LKW-Fahrer konnte der Kläger wegen seiner Alkoholabhängigkeit und auch deshalb nicht eingesetzt werden, weil ihm die dafür notwendige Fahrerlaubnis fehlte. Auch ein Einsatz im Bürobereich war der Beklagten angesichts der Alkoholabhängigkeit nicht zumutbar. Unabhängig davon fehlte dem Kläger hierfür offensichtlich die Qualifikation. Soweit er bis zum Ablauf der Kündigungsfrist gelegentlich und unter Berücksichtigung seiner Einschränkungen mit einfachen Hilfsarbeiten beschäftigt worden war, kann daraus nicht auf eine alternative Einsatzmöglichkeit iSd. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG geschlossen werden. Die Beklagte hat nachvollziehbar dargelegt, dass sie die fraglichen Tätigkeiten nach Ablauf der Kündigungsfrist - wie bereits zuvor - fremdvergeben habe. Allenfalls dann, wenn ihre Hofarbeiter nicht mit anderen Aufgaben ausgelastet gewesen seien, hätten diese - gelegentlich - die Arbeiten mit übernommen. Dieser Behauptung ist der Kläger nicht entgegengetreten. Im Übrigen stand der erfolgreichen Durchführung eines bEM die mangelnde Therapiewilligkeit des Klägers im Kündigungszeitpunkt entgegen.


§ 46 Absatz 4 Bundesbeamtengesetz

§ 46 Absatz 4 Bundesbeamtengesetz:

(4) Beamtinnen und Beamte sind verpflichtet, zur Wiederherstellung ihrer Dienstfähigkeit an geeigneten und zumutbaren gesundheitlichen und beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen teilzunehmen. Diese Verpflichtung gilt auch zur Vermeidung einer drohenden Dienstunfähigkeit. Vor der Versetzung in den Ruhestand sind sie auf diese Pflicht hinzuweisen, es sei denn, nach den Umständen des Einzelfalls kommt eine erneute Berufung in das Beamtenverhältnis nicht in Betracht. Der Dienstherr hat, sofern keine anderen Ansprüche bestehen, die Kosten für die erforderlichen gesundheitlichen und beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen zu tragen.

Man kann Betroffenen nur raten:

- Bereiten Sie mit Ihrem Arzt / Therapeuten alles gut vor.
- Informieren Sie sich bei Ihrem Personalrat / Betriebsrat und auch bei der Schwerbehindertenvertretung über Regularien und Gepflogenheiten. (Gibt es z. B. eine Betriebsvereinbarung?)
- Stellen Sie mit Hilfe Ihres Arztes einen schriftlichen Antrag auf stufenweise Wiedereingliederung.
- Und überlegen Sie, falls dieser Antrag abgelehnt wird, ob Sie Rechtsbehelfe ergreifen wollen.

Ein Hinweis:
Wenn Sie auf der Internetseite der Hansestadt Hamburg nach dem Stichwort "BEM" suchen, dann sollten Sie einen ganz ausführlichen und sehr instruktiven Leitfaden (als pdf) finden.
Wir würden Ihnen wirklich sehr empfehlen, sich dort zu informieren.
Aus der juristischen Literatur ist vielleicht hinzuweisen auf die Ausführungen von Dr. Torsten von Roetteken, "Präventionsverfahren und Betriebliches Eingliederungsmanagement im Beamten- und Richterdienstrecht", in ZBR 2013 / 325 ff. und 361 ff.
Mit Einzelheiten der Reaktivierung und in diesem Zusammenhang mit dem BEM befasst sich der bekannte Beamtenrechtler Dr. Andreas Reich in dem Aufsatz "Betriebliches Eingliederungsmanagement bei Reaktivierung", in: ZBR 2014, 245 ff.

Überaus empfehlenswert ist ein Buch aus dem Bund-Verlag: Sigrid Britschgi, BEM - Betriebliches Eingliederungs­management, 5. Auflage 2020.

Das oben erwähnte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.06.14, 2 C 22.13 Weitere, allerdings ältere Rechtsprechung zur betrieblichen Wiedereingliederung Informationsrechte des Personalrats
Beamtenrecht / Übersicht Beamtengesetze
Dienstunfähigkeit / Übersicht
Dienstunfähigkeit: Gesetze Beamtenstatusgesetz Bundesbeamtengesetz Hamburger Beamtengesetz LBG Niedersachsen LBG Schleswig-Holstein Rundschreiben BMI pdf Bremen: sehr gute Erläuterung VV Hamburg (pdf) Runderlass Niedersachsen VV Schleswig-Holstein (pdf)
Begriffe / Grundlagen Dienstfähigkeit/ Dienstunfähigkeit kurze aktuelle Dienstunfähigkeit Schwerbehinderung Nur Fehlbesetzung? Gründe für dauernde DU "Sonstige" gesundheitliche Gründe nicht nur bei Krankheitswert Psyche oder Faulheit? Verhaltensauffälligkeiten Mobbing oder Psyche?
Verfahren bei dauernder DU Zunächst ein Personalgespräch? Aufforderung, Dienst anzutreten? Diagnose bekanntgeben?
Betriebliche Eingliederung BEM BVerwG 05.06.14 OVG Hamburg 22.05.18 ältere Entscheidungen zu BEM Information des Personalrats
Das eigentliche DU-Verfahren Anordnung einer Untersuchung Anordnung gerichtlich angreifbar! Stimmen für Angreifbarkeit Stimmen für Angreifbarkeit Ist die Anordnung rechtmäßig? Einzelfall rechtswidriger Anordnung Amtsarzt: örtliche Zuständigkeit
Untersuchung verweigern? BVerwG 26.04.12 - 2 C 17.10 - Schwerbehindertenvertretung Disziplinarische Ahndung?
Schweigepflichtsentbindung? Anforderungen an Gutachten Amtsarzt / Privatarzt Betriebsarzt Untersuchung trotz BEM? trotz Sonderurlaub? ohne Beistand / Zeugen Neutralität der Ärzte
Umgang mit den Daten Personalakte 1 Personalakte 2 Personalakte 3
Vollzugsdienst / Feuerwehr Vollzugsdienstfähigkeit spezielle Regelungen PDV 300 im Jahr 2022 Bescheid anfechtbar? OVG NRW 29.06.16 VG Lüneburg: Reaktivierung Vollzugsdienstunfähig wg Diabetes Feuerwehrdiensttauglichkeit Amtsarztuntersuchung eingeschränkt vollzugsdienstfähig Bundesverfassungsgericht Pensionierung? BVerwG 06.11.14 OVG NRW 31.03.22 - 1 A 2351/21 OVG NRW 22.01.15 - 6 B 1022/14 Wechsel in Verwaltung - BVerwG Wechsel in Verwaltung - FHH
Rechtsfolgen Dienstunfähigkeit: Rechtliche Folgen Entscheidung des Dienstherrn Das Prüfschema 1. Andere Verwendung? Andere Verwendung / Suchpflicht 2. Begrenzte Dienstfähigkeit Teildienstfähigkeit VV zu § 47 a HmbBG § 8 BesoldungsG Hamburg § 12 Besoldungsgesetz NS § 6 a Bundesbesoldungsgesetz Rechtsprechung Besoldung BVerfG 28.11.18 BVerwG 18.06.15
Vorzeitige Pensionierung Rückernennung
Verschiedenes Beteiligung des Personalrats Beteiligung Integrationsamt Reaktivierung Berufsunfähigkeit Besitzstandwahrung Dienstordnungsangestellte im Arbeitsrecht
Weitere Themen aus dem Beamtenrecht:
Altersgrenze / Pensionierung amtsangemessener Dienst Beförderung Beurteilung, dienstlicheDienstunfall Dienstzeitverlängerung Eignung Entlassung usw. Konkurrentenschutz Rückforderung von Bezügen Schwerbehinderung Umsetzung, Versetzung usw. Zwangsbeurlaubung




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