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Der Dienstunfall des Beamten und seine Anerkennung durch Bescheid


Was als Dienstunfall anzuerkennen ist, so werden Sie vielleicht denken, sollte doch im Einzelfall klar sein.

Aber nein: die Ansichten und die Gepflogenheiten der Dienstherren sind sehr unterschiedlich.

Es geht nämlich nicht immer nur um die Frage, ob wirklich ein "Unfall" vorliegt.
Zwar waren wir es früher gewohnt, Bescheide zu erhalten, in denen lediglich festgehalten wurde, dass ein bestimmtes Geschehen als Dienstunfall anerkannt werde.
Dann gingen aber die Verwaltungen immer mehr dazu über, auch bestimmte Unfallfolgen festzustellen.
Daraus kann sich Streit ergeben. Denn das verknüpft die Feststellung eines Sachverhalts, also eines Dienstunfallgeschehens, unter Umständen mit komplizierten medizinischen Fragen.


Eine in diesem Zusammenhang lesenswerte Entscheidung ist ist ein Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16.03.11 mit dem Aktenzeichen 1 A 2808/09.
Aus der Entscheidung:

Leitsatz
Es besteht keine Verpflichtung des Dienstherrn, im Rahmen der gemäß § 45 Abs. 3 Satz 2 BeamtVG erforderlichen Entscheidung über das Vorliegen eines Dienstunfalls zugleich auch abschließende Feststellungen zu den durch den Unfall eingetretenen körperlichen Schädigungen im Einzelnen zu treffen. Der Entscheidung des Dienstherrn gemäß § 45 Abs. 3 Satz 2 BeamtVG kommt regelmäßig keine Bindungswirkung im Hinblick auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen von bestimmten dienstunfallbedingten Krankheitsfolgen zu.

Entscheidungsgründe

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die auf Anerkennung bestimmter gesundheitlicher Beeinträchtigungen als Dienstunfall gerichtete Klage nicht zulässig.

Der Klage fehlt es insoweit am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, da zugunsten der Klägerin ein entsprechender feststellender Bescheid schon ergangen ist. Denn die Beklagte hat mit Bescheid vom ... das Unfallereignis vom 13.09.01 als Dienstunfall anerkannt. Dieser Bescheid ist bestandskräftig geworden und entfaltet somit zwischen den Beteiligten Bindungswirkung, sodass für eine erneute Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung des Unfallereignisses als Dienstunfall kein Rechtsschutzbedürfnis besteht.

Es kann auch nicht angeführt werden, die Klägerin habe deshalb ein Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Klage, weil in dem Bescheid lediglich das Unfallereignis als solches als Dienstunfall anerkannt worden ist, nicht jedoch die Unfallfolgen. Zwar ist ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage allgemein dann anzunehmen, wenn die begehrte Feststellung von der Behörde nur in Teilen ausgesprochen wird und weitere, ebenfalls begehrte Feststellungen schlicht unbeschieden bleiben.

Allerdings stellt sich die Sachlage hier nicht in dieser Weise dar, denn die im Rahmen von § 45 Abs. 3 Satz 2 BeamtVG von der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle zu treffende Entscheidung über das Vorliegen eines Dienstunfalls kann sich auf die Feststellung, dass ein bestimmtes Unfallereignis, welches einen Körperschaden verursacht hat, in Ausübung des Dienstes erfolgt ist, beschränken. Eine darüber hinausgehende Feststellung der Verletzungsfolgen im Einzelnen ist in § 45 Abs. 3 Satz 2 BeamtVG nicht zwingend vorgesehen. Zwar definiert § 30 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG den Dienstunfall als ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Allerdings begründet dies allein noch nicht die Notwendigkeit, zugleich mit der Feststellung, dass ein Dienstunfall vorliegt, auch eine Feststellung über hiervon verursachte Körperschäden zu treffen.

Dies ergibt sich nach Auffassung des Senats aufgrund des Zusammenspiels der in § 45 BeamtVG enthaltenen Vorschriften über die Meldung von Dienstunfällen und das einzuhaltende Verfahren. Diese Vorschriften sind auch für die Geltendmachung der Leistungen der Unfallfürsorge bestimmend. So sind in § 45 Abs. 1 und 2 BeamtVG zwingende Regeln über die Meldung von Dienstunfällen vorgesehen, deren Nichteinhaltung zu einem Ausschluss der Gewährung von Leistungen führt. Insbesondere ist der Dienstunfall grundsätzlich innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren bei dem Dienstvorgesetzten zu melden. Dieser hat wiederum gem. § 45 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG den Dienstunfall sofort zu untersuchen. Die obere Dienstbehörde hat zu entscheiden, ob ein Dienstunfall vorliegt und muss diese Entscheidung dem Verletzten bekanntgeben (§ 45 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BeamtVG). Die Verpflichtung zum Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts ermöglicht dem Beamten wiederum, sich gegen eine ablehnende Entscheidung zeitnah zur Wehr setzen zu können. Aus diesem engen Zusammenhang zwischen der Meldung des Dienstunfalles, der sofortigen Untersuchung desselben und der anschließenden Feststellung über das Vorliegen eines Dienstunfalles ergibt sich jedoch zugleich, dass Gegenstand der Entscheidung nach § 45 Abs. 3 Satz 2 BeamtVG nur das sein kann, was in Ansehung der Pflicht zur sofortigen Untersuchung sowie der zweijährigen Ausschlussfrist von der obersten Dienstbehörde zu prüfen ist bzw. von ihr geprüft werden kann. Dies ist in erster Linie die Frage, ob ein Unfallereignis vorliegt, welches sich in Ausübung des Dienstes ereignet hat. Bezogen auf diese Merkmale rechtfertigt sich auch die Ausschlussfrist des § 45 Abs. 1 BeamtVG ebenso wie die Pflicht zur sofortigen Prüfung gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG, denn die Überprüfung, ob und unter welchen Umständen sich ein bestimmtes Unfallgeschehen ereignet hat, wird regelmäßig durch einen zunehmenden Zeitabstand erschwert. Für diese Prüfung wird es häufig auf rein tatsächliche Feststellungen ankommen, die unmittelbar zeitnah am Besten zu treffen sind. Die in § 45 Abs. 1 BeamtVG vorgesehene Ausschlussfrist bezweckt die alsbaldige Meldung des Unfallereignisses und damit die zeitnahe Prüfung, ob ein Dienstunfall vorliegt oder nicht. Dass dem Dienstunfall auch immanent ist, dass infolge des Unfallereignisses ein Körperschaden eingetreten ist, ergibt sich aus § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG. Demgemäß hat die oberste Dienstbehörde jedenfalls auch zu prüfen, ob es zu einer körperlichen Beschädigung gekommen ist. Diese Prüfung hat sich jedoch, da sie wie die Prüfung der Voraussetzungen des Dienstunfalls im Übrigen zeitnah zum Unfallgeschehen („sofort“) zu geschehen hat, allenfalls auf den bloßen Umstand, ob überhaupt eine körperliche Einwirkung im Sinne einer möglichen Beschädigung vorliegt, zu beschränken. Insbesondere komplexere schädigungsbedingte Krankheitsverläufe sind im Rahmen dieser kurzfristigen Prüfung nicht überprüfbar und es würde damit die dem Dienstherrn letztlich auch aus Fürsorgegesichtspunkten auferlegte Prüfungspflicht überspannt werden.

Dass nicht in allen Fällen entschieden werden kann bzw. muss, ob ein Kausalzusammenhang zwischen Dienstunfall und Schädigung besteht, ergibt sich auch aus den Regelungen der Unfallfürsorge für das Kind der Beamtin gem. § 30 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BeamtVG bzw. § 45 Abs. 4 Satz 5 BeamtVG. Nach diesen Vorschriften bedarf es nicht der Feststellung einer Schädigung, da allein die Möglichkeit einer Schädigung einen Anspruch auf Unfallfürsorgeleistungen begründen kann.

Aber auch sonst sind Fälle denkbar, in denen durch den Dienstunfall bedingte körperliche Schäden oder Beschwerden erst sehr viel später auftreten. In diesen Fällen kann eine zeitnah zum Unfallereignis erstellte Anerkennung keine Bindungswirkung im Hinblick auf den bei der Geltendmachung von einzelnen Unfallfürsorgeleistungen erforderlichen Nachweis der Kausalität des Unfallereignisses für die konkrete körperliche Beeinträchtigung entfalten. Es bedarf in diesen Fällen jeweils der erneuten Prüfung, ob das Unfallereignis ursächlich für die nunmehr aufgetretene Erkrankung ist, so dass der vom Verwaltungsgericht angeführte Zweck eines sog. Grundlagenbescheides, aus Gründen der Rechtssicherheit eine verbindliche und abschließende Klärung zu erreichen, in diesen Fällen ohnehin nicht verwirklicht werden kann. Auch in diesem Fall für den Beamten jeweils eine Abänderung des ursprünglich ergangenen Grundlagenbescheides erforderlich, die ihrerseits nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 48 VwVfG möglich wäre. Damit wäre jedoch für den Beamten in den Fällen, in denen Krankheitsfolgen erst spät auftreten oder sich allmählich entwickeln, keine Erleichterung, sondern eine Erschwernis verbunden.

Für die Klägerin sind damit auf der Grundlage der vom Senat vertretenen Auffassung aus Rechtsschutzgesichtspunkten keine Einschränkungen verbunden. Erschöpft sich die Prüfung des Dienstherrn, wie vorstehend dargelegt, im Hinblick auf das Vorliegen eines dienstunfallbedingten Körperschadens auf eine nicht abschließende Prüfung, ob es zu einer körperlichen Schädigung gekommen ist, kommt der Entscheidung gem. § 45 Abs. 3 Satz 2 BeamtVG von der Beklagten getroffenen Entscheidung ... keine Bindungswirkung im Hinblick auf das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen von bestimmten dienstunfallbedingten Krankheitsfolgen zu (ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.09.09 - 1 A 3343/07 -). Danach ist die Klägerin nicht gehindert, das Vorliegen einzelner Körperschäden, insbesondere auch später zu Tage getretener Unfallfolgen jeweils bei Beantragung einzelner Unfallfürsorgeleistungen geltend zu machen.

Im vorliegenden Fall ist zudem darauf hinzuweisen, dass die körperlichen Beeinträchtigungen, zu deren Feststellung die Beklagte vom Verwaltungsgericht verpflichtet worden ist, fast wörtlich schon im Bescheid vom 18.11.04 ausdrücklich als unfallbedingt benannt worden sind. Wenngleich dieser Bescheid die Ablehnung der Gewährung von Unfallfürsorgeleistungen und nicht die ausdrückliche Anerkennung bestimmter Krankheiten als Unfallfolgen zum Gegenstand hat, so bedeutet dies jedoch nicht, dass diese Feststellungen in späteren Verfahren unbeachtlich wären. Zwar beschränkt sich der Umfang der Bindungswirkung eines Verwaltungsaktes auf den Tenor dieser Entscheidung, jedoch ist dieser Tenor zur näheren Bestimmung dessen, was durch den Verwaltungsakt oder dessen Ablehnung geregelt wird, unter Heranziehung der Gründe auszulegen (vgl. Kopp/Ramsauer VwVfG, § 43 Rn.15). Die Beklagte wäre danach in späteren Verfahren jedenfalls daran gehindert, dass Vorliegen der in dem Bescheid vom 18.11.04 benannten unfallbedingten gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Abrede zu stellen, sodass sich aus Rechtsschutzgesichtspunkten keine Notwendigkeit für die begehrte Feststellung über die in vorgenanntem Bescheid erfolgte Weise ergibt.
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