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Dienstunfähigkeit und Schwerbehinderung


Die Anerkennung als Schwerbehinderter schließt die Dienstfähigkeit des Beamten selbstverständlich nicht ohne Weiteres aus. Es obliegt den Behörden als besondere Verpflichtung, zur Eingliederung der Schwerbehinderten nach Kräften beizutragen. Das im SGB IX Teil 2 geregelte Schwerbehindertenrecht gilt ausdrücklich auch für Beamte, vgl. § 211 I SGB IX.

Bei vielen beamtenrechtlichen Fragen ist zu berücksichtigen, welche Konsequenzen für die beamtenrechtliche Sichtweise sich aus dem Schwerbehindertenrecht ergeben.
Wer als Schwerbehinderter anerkannt ist, gleichgestellt ist oder einen entsprechenden Antrag gestellt hat, sollte dies seiner Beschäftigungsbehörde mitteilen. Teils beeinflusst diese Mitteilung die formellen Abläufe, teils ergibt sich auch materiell-rechtlich eine Besserstellung. Dies gilt auch für Vollzugsbeamte.

Besondere Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber Schwerbehinderten bei Zweifeln an Dienstfähigkeit


Hier ein Beispiel dafür, dass man bei verschiedenen beamtenrechtlichen Konstellationen besondere Regelungen für Schwerbehinderte finden kann. In der sog. BeamtVwV des Landes Baden-Württemberg ist zur Zulässigkeit von Versetzungen ausgeführt:

BeamtVwV Baden-Württemberg

13.6
Für schwerbehinderte Beamtinnen und Beamte ist es je nach Art und Schwere der Behinderung schwieriger als für andere Beschäftigte, sich auf einen neuen Arbeitsplatz umzustellen. Sie sollen daher gegen ihren Willen nur aus dringenden dienstlichen Gründen versetzt werden, wenn ihnen hierbei mindestens gleichwertige oder bessere Arbeitsbedingungen oder Entwicklungsmöglichkeiten geboten werden. Bei Versetzungen von schwerbehinderten Beamtinnen und schwerbehinderten Beamten ist die Schwerbehindertenvertretung zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören. Die Entscheidung ist ihr unverzüglich mitzuteilen (§ 95 Absatz 2 Satz 1 SGB IX).



(Anmerkung: An die Stelle von § 95 SGB IX ist § 178 SGB IX getreten. Der maßgebliche Teil der Vorschrift ist oben zitiert.)

Die nachfolgende Entscheidung befasst sich mit Fragen der Suchpflicht des Dienstherrn, die im Recht der Dienstunfähigkeit in den meisten Fällen große Bedeutung hat, bei Vorliegen einer Schwerbehinderung aber noch weitgehender ausgeprägt sein kann.

VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.03.21, 4 S 2612/20

Leitsätze

Die Suchpflicht des Dienstherrn im Rahmen von § 44 Abs. 1 Satz 3 BBG geht bei einem schwerbehinderten Beamten, der behinderungsbedingt die Anforderungen eines nach der Wertigkeit in Betracht kommenden Dienstpostens nicht erfüllen kann, regelmäßig über die bloße Suche nach freien oder in absehbarer Zeit besetzbaren Dienstposten hinaus; mit Blick auf Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG hat der Dienstherr insbesondere zu prüfen, ob die dienstlichen Bedürfnisse eine behinderungsbedingt eingeschränkte dauerhafte Verwendung des Beamten zwingend ausschließen bzw. inwieweit der Arbeitsplatz mit zumutbarem Aufwand behindertengerecht gestaltet werden kann.

Ein kurzeer Auszug aus den Gründen:

8 ... verkennt die Beklagte allerdings die Besonderheit, dass der Kläger als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 50% anerkannt ist.
In einem Parallelurteil zu der ... Entscheidung (vom 26.03.09 - 2 C 46.08 -, Juris) hat das Bundesverwaltungsgericht im Fall der Zurruhesetzung eines schwerbehinderten Beamten den insoweit geltenden Umfang der Suchpflicht des Dienstherrn zunächst nahezu wortgleich wie in der von der Beklagten zitierten Entscheidung umschrieben (Rn. 30).
Unmittelbar im Anschluss relativiert das Gericht diese Maßstäbe jedoch für schwerbehinderte Beamte, die die Anforderungen eines nach der Wertigkeit für sie in Betracht kommenden Dienstpostens gerade aufgrund ihrer Behinderung nicht erfüllen können, substantiell:

Mit Blick auf das unmittelbar geltende Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG darf danach die gesundheitliche Eignung eines schwerbehinderten Beamten nur verneint werden, wenn im Einzelfall zwingende Gründe für das Festhalten an den allgemeinen Anforderungen sprechen. Es muss geprüft werden, ob die dienstlichen Bedürfnisse eine entsprechend eingeschränkte dauerhafte Verwendung des Beamten zwingend ausschließen, bzw. inwieweit der Arbeitsplatz mit zumutbarem Aufwand behindertengerecht gestaltet werden kann (so auch bereits BVerwG, Urteil vom 21.06.07 - 2 A 6.06 -, Juris Rn. 20, 28; vgl. auch Bay. VGH, Urteil vom 26.09.19 - 3 BV 17.2302 -, Juris Rn. 56).

Anders als im Regelfall ist der Dienstherr folglich bei der Suche nach einer anderweitigen Verwendungsmöglichkeit für einen schwerbehinderten Beamten - unter Beachtung von Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten - verpflichtet, aktiv für Bedingungen zu sorgen, die ihm nach Möglichkeit trotz behinderungsbedingter Leistungseinschränkungen das Verbleiben im aktiven Dienst ermöglichen; dies erfordert regelmäßig mehr als die bloße Suche nach freien oder in absehbarer Zeit besetzbaren Dienstposten.


Schutz Schwerbehinderter durch besondere Verfahrensvorschriften auch bei Fragen der Dienstunfähigkeit.

Falls Sie Beamter oder Beamtin sind und eine Dienstunfähigkeit eintritt, gelten grundsätzlich die auch sonst üblichen Regelungen. Die Anerkennung als Schwerbehinderte(r) schützt Sie also nicht vor einer Versetzung in den Ruhestand durch sog. Zwangspensionierung.
Auch in diesem Zusammenhang gibt es aber gewisse Verfahrens- oder Beteiligungsrechte, die dem Schutz der Schwerbehinderten dienen. In § 178 SGB IX sind die Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung dargestellt. In Verfahren der Zurruhesetzung hat Absatz 2 des § 178 SGB IX besondere Bedeutung:

§ 178 SGB IX (Auszug)

(2) Der Arbeitgeber hat die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören; er hat ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen. Die Durchführung oder Vollziehung einer ohne Beteiligung nach Satz 1 getroffenen Entscheidung ist auszusetzen, die Beteiligung ist innerhalb von sieben Tagen nachzuholen; sodann ist endgültig zu entscheiden. Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung nach Satz 1 ausspricht, ist unwirksam. Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht auf Beteiligung am Verfahren nach § 164 Absatz 1 und beim Vorliegen von Vermittlungsvorschlägen der Bundesagentur für Arbeit nach § 164 Absatz 1 oder von Bewerbungen schwerbehinderter Menschen das Recht auf Einsicht in die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen und Teilnahme an Vorstellungsgesprächen.

Die Vorschrift (§ 178 SGB IX) ist noch wesentlich umfangreicher, wir zitieren hier nur einen von acht Absätzen.
Als Besucher unserer Seite ahnen Sie schon, dass es zur Auslegung dieser Vorschrift keine eindeutige Rechtsprechung gibt, man streitet sich über viele Fragen, nicht zuletzt darüber, welche rechtlichen Folgen eine unzureichende Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung haben sollte.
Eine arbeitsrechtliche Frage beantwortet das Gesetz jetzt eindeutig: "Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung nach Satz 1 ausspricht, ist unwirksam." Aber ob und wie sich dies auf das Beamtenrecht übertragen lässt und wann eine Schwerbehindertenvertretung angemessen beteiligt ist, das ist noch nicht verbindlich geklärt.
Zwei Beispiele:

Beamtenrecht / Übersicht Beamtengesetze
Schwerbehinderung Schwerbehinderung Gleichstellung ab GdB 30 nicht gleichgestellte Behinderte Die Beschäftigungsquote
Schwerbehinderung u. Eignung Regeln für Auswahlverfahren Vorstellungsgepräch Modifizierte Eignungskriterien
Dienstunfähigkeit Schwerbehindertenvertretung
Rechtsprechung Schwerbehinderung u. Eignung VGH BW 20.02.20 VGH BW 24.06.19 VG Mainz 2004 OVG Hamburg 2008 BVerwG 2008 Diskriminierung