Disziplinarrecht: sexuell gefärbtes Verhalten als Dienstvergehen
Wie das gesamte Recht, so wandelt sich auch das Disziplinarrecht mit den gesellschaftlichen Vorstellungen und
Konventionen. Es orientiert sich, zeitgemäß angewandt, nicht mehr an verstaubten Moralbegriffen.
Vielmehr sucht man auch bei der Bewertung eines Verhaltens als
Dienstvergehen nach rational nachvollziehbaren, möglichst objektiven
Kriterien.
Dies gilt auch für den (bisweilen) schwierigen Bereich des sexuell motivierten
menschlichen Verhaltens.
Im innerdienstlichen Bereich ist eine neue Sensibilität für den Begriff der
sexuellen Belästigung gewachsen.
Dabei hat insbesondere § 3 Absatz 4 AGG
(Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) große Bedeutung.
Außerdienstliches Verhalten wird hingegen meist
nur noch dann als ein Dienstvergehen angesehen, wenn es nach dem Strafgesetzbuch strafbar ist, sei
es nun als Sexualdelikt im engeren Sinne oder zum Beispiel als Beleidigung auf sexueller Basis.
Für die liberalere Auffassung, dass das private Sexualleben des Beamten den
Dienstherrn grundsätzlich nichts angeht, so weit es sich nicht um strafbares
Verhalten handelt oder sonstige besondere Umstände hinzu treten, also
gewissermaßen für den Schutz der Privatsphäre des Beamten, steht eine
Entscheidung des OVG NRW vom 03.04.09
Aber übersehen Sie bitte nicht, dass Sexualstraftaten schon wegen der Höhe
der von dem Strafgericht zu verhängenden Strafe zur Beendigung des
Beamtenverhältnisses führen können und dass die Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts in einigen Bereichen von eindeutiger Strenge
geleitet ist.
So wird zum Beispiel jede Form des Kindesmissbrauchs im Regelfall als
(besonders) schweres Dienstvergehen angesehen, das zur Entfernung aus dem
Beamtenverhältnis führen kann, aber nicht in jedem Fall führen muss.
Ähnliches gilt für den Besitz und insbesondere für das Verbreiten kinderpornografischer Dateien.
Wenn Sie sich als Anwalt oder in anderer Rolle im juristischen
Umfeld mit diesen Fragen befassen müssen, ziehen Sie auf jeden Fall einen
Aufsatz von Prof. Dr. Hans-Dietrich Weiß in ZBR 2014, 114 ff heran:
"Pornografisches Fehlverhalten als Dienstvergehen". Sie finden dort eine
ganz umfassende Darstellung.
So weit Sie Fälle mit strafrechtlicher
Relevanz bearbeiten, haben Sie sich mit häufigen Veränderungen des
Strafgesetzbuchs zu plagen. So sind zum Beispiel im November 2016 als
weitgehende Änderungen von §§ 177 ff. StGB in Kraft getreten.
Bei uns finden Sie nur einige Beispiele und Anmerkungen zu disziplinarrechtlich relevantem Fehlverhalten:
Sexuelle Handlungen von Lehrer an Schüler / BVerwG - 2 B 11.20 - Beschluss vom 09.06.20 (Auszug)
Intimes Verhältnis eines Lehrers zu minderjähriger Schülerin / VG Aachen, Beschluss vom 08.02.17 - 1 L 50/17 -
Sexuelle Belästigung durch SMS (innerdienstliches Dienstvergehen)
Sexuelle Belästigung: Rückstufung oder
Gehaltskürzung oder ...?
Sexuelle Belästigung nach Beendigung einer Liebesbeziehung
Besitz von Kinderpornografie und Jugendpornografie
Kindesmissbrauch als besonders schweres außerdienstliches Dienstvergehen
Im übrigen kann es Probleme auch in anderen Bereichen geben, etwa
im Gewerberecht oder bei Ausbildungsverhältnissen.
Der Bayerische
Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 09.02.11
- 11 CS 10.3056 -,hat gebilligt, dass einem Fahrlehrer wegen eines
Fehlverhaltens gegenüber einer Fahrschülerin die Fahrlehrererlaubnis entzogen wurde.
Aus dem Arbeitsrecht:
Entscheidung des
Bundesarbeitsgerichts vom 09.06.11 zu den Folgen einer sexuellen
BelästigungDas Bundesarbeitsgericht billigt die außerordentliche Kündigung
eines nebenberuflich als Kirchenmusiker tätigen Lehrers wegen sexueller
Handlungen mit einer Minderjährigen, wie Sie einer in NJW 2014, 1691 ff. veröffentlichen
Entscheidung (Urteil vom 26.09.13 in der Sache 2 AZR 741/12) entnehmen
können.
Es ging um die nebenberufliche Tätigkeit eines Lehrers, der von
den Verwaltungsgerichten aus dem Beamtenverhältnis entfernt worden war und
nun auch seine nebenberufliche Tätigkeit als Kirchenmusiker verlor.
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