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Zuweisung eines Bahnbeamten zu einer Tochter-GmbH

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VG Hannover, Urteil vom 18.07.07, 2 A 4312/04

Die nicht nur vorübergehende Zuweisung der Beamten der Bundeseisenbahnen an die DB Vermittlung GmbH/DB JobService GmbH verletzt deren Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung (auf Übertragung eines amtsangemessenen Funktionsamtes).

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover konzentriert sich auf die Frage, ob dem klagenden Beamten eine amtsangemessene Beschäftigung zugewiesen wurde. Dies ist nicht der Fall. Deshalb ist die Zuweisung nach Meinung des Gerichts rechtswidrig.

Auszüge aus der Entscheidung:

Der Kläger ist  technischer Bundesbahnamtsrat.
Unter dem 26.05.04 wies die Beigeladene den Kläger gemäß §§ 23, 12 Abs. 2 DBGrG der DB Vermittlung GmbH (nunmehr: DB JobService GmbH) zur Dienstleistung zu.
Am 25.06.04 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein, den der Beklagte als unbegründet zurückwies.
Dagegen hat der Beamte Klage erhoben und vorgetragen, seit der Zuweisung sei er bei vollen Bezügen zu Hause ohne einen festen Arbeitsplatz. Er mache im Grunde genommen gar nichts bis auf das wöchentliche Schreiben von Bewerbungen. Sämtliche Bewerbungen seien von der Beigeladenen bisher mit der Begründung, er sei nicht ausreichend qualifiziert, abgelehnt worden.

Der Beklagte trägt vor, die DB Vermittlung GmbH sei aus dem nach Gründung der DB AG geschaffenen Dienstleistungszentrum Arbeit (DZA) hervorgegangen. Alle Mitarbeiter, die ihren Arbeitsplatz rationalisierungsbedingt im DB AG - Konzern verloren hätten, seien in das DZA versetzt worden. Dessen vorrangiges Ziel sei es gewesen, die Mitarbeiter auf freie Arbeitsplätze im DB-Konzern zu vermitteln. Zum 01.01.99 sei die DZA in DB Arbeit umbenannt worden. Zum 01.06.99 sei die DB Arbeit GmbH ausgegründet worden. Hieraus sei zum 01.08.01 die DB Vermittlung GmbH entstanden, die seit 01.04.05 DB JobService GmbH heiße.
Der Geschäftszweck sei die Organisation der vorübergehenden Beschäftigung bzw. Qualifikation kündigungsbeschränkter, vom Beschäftigungswegfall betroffener Arbeitnehmer und zugewiesener Beamter bis zu deren Vermittlung. Diese würden ohne Übertragung konkreter Tätigkeiten im Rahmen der beruflichen Neuorientierung mit dem Ziel übernommen, möglichst bald auf einen dauerhaften Arbeitsplatz innerhalb und auch außerhalb des DB-Konzerns vermittelt zu werden.

Allein in der Region Nord der DB JobService GmbH seien im Jahr 2005 23 Beamte dauerhaft auf Arbeitsplätze im DB-Konzern vermittelt worden. Unter Berücksichtigung der unternehmerischen Ziele sei der DB AG eine weitergehende organisatorische Gestaltungsfreiheit als üblich bei der amtsangemessenen Beschäftigung zuzugestehen. Eine andere Auslegung liefe dem Grundgedanken der gesamten Bahnreform zuwider.

Die zulässige Klage hat Erfolg.

Zutreffend ist die Klage gegen den Beklagten gerichtet, der ungeachtet einer Zuweisung an die Deutsche Bahn AG Dienstherr der Bundesbahnbeamten bleibt. Nach Art. 143 a Abs. 1 Satz 3 GG können Beamte der Bundeseisenbahnen durch Gesetz unter Wahrung ihrer Rechtsstellung und der Verantwortung des Dienstherrn einer privatrechtlich organisierten Eisenbahn des Bundes zur Dienstleistung zugewiesen werden. Dadurch wird aber kein zusätzliches Arbeitsverhältnis begründet. Die Dienstherreneigenschaft des Beklagten entfällt auch nicht in Folge der Übertragung bestimmter beamtenrechtlicher Befugnisse auf die DB AG nach § 12 Abs. 6 DBGrG. Im Unterschied zu der Beleihung, die für den Bereich der ehemaligen Bundespost nach Art. 143 b Abs. 3 Satz 2 GG geregelt ist und eine vollständige Kompetenzverlagerung von dem Träger hoheitlicher Gewalt auf den Beliehenen beinhaltet, handelt es sich bei der Übertragung beamtenrechtlicher Befugnisse im Bereich der ehemaligen Bundesbahn nach Art. 143 a GG um eine Rechtsfigur eigener Art. Durch sie werden der DB AG Teile der Hoheitsgewalt des Dienstherrn zur Ausübung übertragen, während die Dienstherreneigenschaft bei dem Beklagten verbleibt. Der Bund bleibt Dienstherr der Beamten der Bundeseisenbahnen und als Dienstherr alleiniger Träger der Rechte und Pflichten, die durch das Beamtenverhältnis begründet werden.

Die mit der Klage angefochtene Zuweisung des Klägers zur DB Vermittlung GmbH / DB JobService GmbH verletzt dessen Anspruch auf Übertragung eines amtsangemessenen Funktionsamtes.
Der Kläger kann wie jeder Inhaber eines statusrechtlichen Amtes gemäß Art. 33 Abs. 5 GG beanspruchen, dass ihm ein abstrakt-funktionelles Amt sowie ein amtsgemessenes konkret-funktionelles Amt, d. h. ein entsprechender Dienstposten, übertragen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.06.06 - 2 C 26/05 - zu der vergleichbaren Situation der Vivento zugewiesenen Postbeamten).

Das statusrechtliche Amt wird durch die Zugehörigkeit zu einer Laufbahn und Laufbahngruppe, durch das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe und durch die dem Beamten verliehene Amtsbezeichnung gekennzeichnet. In abstrakter Weise wird dadurch seine Wertigkeit in Relation zu anderen Ämtern zum Ausdruck gebracht. Der Kläger gehört der Laufbahn des gehobenen technischen Bundesbahndienstes an, ist in A 12 BBesO eingruppiert und trägt die Amtsbezeichnung Technischer Bundesbahnamtsrat.

Das Amt im funktionellen Sinne bezieht sich auf die dienstlichen Aufgaben des Beamten. Das konkret-funktionelle Amt, der Dienstposten, bezeichnet die dem Beamten tatsächlich übertragene Funktion, seinen Aufgabenbereich. Das abstrakt-funktionelle Amt knüpft ebenfalls an die Beschäftigung des Beamten an, jedoch im abstrakt verstandenen Sinne. Gemeint ist der einem statusrechtlichen Amt entsprechende Aufgabenkreis. Die für die amtsgemäße Besoldung gemäß § 18 BBesG notwendige Zusammenschau von Amt im statusrechtlichen und im funktionellen Sinne steht einer dauernden Trennung von Amt und Funktion grundsätzlich entgegen. Im Rahmen dieser Vorgaben liegt es im Ermessen des Dienstherren, den Inhalt des abstrakt- und des konkret-funktionellen Amtes festzulegen. Das bedeutet aber auch, dass der Dienstherr gehalten ist, dem Beamten solche Funktionsämter zu übertragen, die in ihrer Wertigkeit dem Amt im statusrechtlichen Sinne entsprechen. Auch wenn damit dem Beamten keine stets ungeschmälerte Ausübung eines bestimmten Amtes im funktionellen Sinne garantiert wird, muss ihm aber bei jeder sachlich begründbaren Änderung der übertragenen Funktionsämter stets ein angemessener Tätigkeitsbereich verbleiben. Ohne seine Zustimmung darf dem Beamten diese Beschäftigung weder entzogen noch darf er auf Dauer unterwertig beschäftigt werden. Er darf insbesondere nicht aus dem Dienst gedrängt und nicht dadurch, dass ihm Pseudobeschäftigungen zugewiesen werden, zur Untätigkeit in perspektivlosem Zuwarten genötigt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.06.06).

Dieser auch dem Kläger zustehende Anspruch wird weder durch höherrangiges oder einfaches Bundesrecht noch durch die wirtschaftliche Zielsetzung der Neuordnung der Deutschen Bahn AG verdrängt oder verändert. Wie bei den Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost nach Art. 143 b Abs. 3 Satz 1 GG gilt der Schutz auch für die Beamten der Bundeseisenbahnen nach Art. 143 a Abs. 1 Satz 3 GG nicht nur für etwaige Veränderungen des jeweiligen Statusamtes, sondern auch für die Funktionsämter. Eine darüber hinausgehende Intention ist Art. 143 a Abs. 1 Satz 3 GG nicht zu entnehmen, insbesondere kein über die Vorgaben des Art. 33 Abs. 5 GG hinausgehender Gestaltungsspielraum der Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundesbahn. Mit Art. 143 a Abs. 1 Satz 3 GG sollte lediglich klargestellt werden, dass die Beschäftigung von Beamten bei privaten Unternehmen verfassungsrechtlich zulässig ist. Gleichzeitig beinhaltet die Vorschrift aber auch, dass die gemäß Art. 33 Abs. 5 GG anerkannten Strukturprinzipien des Beamtenrechts auch bei der Weiterbeschäftigung der Beamten bei privaten Nachfolgeunternehmen grundsätzlich uneingeschränkt Anwendung finden.

Das öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnis des Artikel 33 GG setzt voraus, dass der Beamte zur Dienstleistung herangezogen und ihm ein funktionelles Amt übertragen wird, das den Einsatz seiner Arbeitskraft erfordert. Dem widerspricht es, dem Beamten auf unbestimmte Zeit kein Funktionsamt zu übertragen und ihn dadurch in Beschäftigungslosigkeit zu versetzen, oder ihn, vergleichbar einem Leiharbeiter, über einen längeren Zeitraum in Dienststellen anderer Dienstherren zu beschäftigen. Der zeitlich nicht bestimmte Entzug des abstrakten wie des konkreten Funktionsamtes verletzt den Grundsatz der Verknüpfung von Status und Funktion und damit das Prinzip der lebenszeitigen Übertragung aller einer Laufbahn zugeordneten Ämter, das Leistungsprinzip und den Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation. Zwar erlaubt Art. 33 Abs. 5 GG die Fortentwicklung und Anpassung des Beamtenrechts an veränderte Umstände. Dieser Gestaltungsspielraum steht aber dem Gesetzgeber und nicht den die Organisationsgewalt ausübenden Exekutivorganen des Dienstherrn zu.

Mit seiner Zuweisung zur DB Vermittlung GmbH / DB JobService GmbH hat der Kläger seine bis dahin innegehabten Funktionsämter nicht nur vorübergehend verloren, ohne dass ihm andere amtsangemessene Funktionsämter auf Dauer übertragen worden sind. Bei der DB Vermittlung GmbH / DB JobService GmbH besteht die Aufgabe des Klägers im Wesentlichen darin, sich aktiv an der Suche nach einem Dienstposten für ihn zu beteiligen, an Qualifizierungsmaßnahmen teilzunehmen und ggf. Tätigkeiten vorübergehend zu übernehmen. Daraus ergibt sich eindeutig, dass ihm ein amtsangemessener, d. h. seinem statusrechtlichen Amt eines technischen Bundesbahnamtsrates entsprechender Tätigkeitsbereich bei DB Vermittlung GmbH / DB JobService GmbH nicht zugewiesen war. Durch seine Versetzung zu DB Vermittlung GmbH / DB JobService GmbH ist ihm vielmehr sein Funktionsamt für eine zeitlich nicht bestimmte Dauer entzogen worden. Dies lässt sich aufgrund der durch Art. 143 a Abs. 1 Satz 3 GG garantierten Wahrung der Rechtsstellung der Beamten der Bundeseisenbahnen und der Verantwortung des Dienstherrn auch nicht mit dem Geschäftszweck der privatrechtlich organisierten DB AG begründen. Es ist zwar nicht zu übersehen, dass insoweit ein Spannungsverhältnis besteht. Dieses nicht zu Lasten der Eisenbahnbeamten und der Substanz ihres Dienstverhältnisses zu lösen, ist aber gerade Inhalt der Garantie des Art. 143 a Abs. 1 Satz 3 GG.



Bitte beachten Sie, dass sich die Rechtsprechung zu diesen Fragen in den vergangenen Jahren weiter entwickelt hat und dass eine einzelne Entscheidung eines Verwaltungsgerichts, wäre sie auch aktuell, nicht die Gewissheit vermitteln könnte, dass andere Gerichte ebenso entscheiden werden.
Viele Gerichte, unter ihnen auch das OVG Lüneburg, also die Instanz über dem VG Hannover, habe im Laufe der Zeit ihre Rechtsprechung deutlich verändert.
Richtig ist nach wie vor, dass häufig die Frage, ob eine Tätigkeit amtsangemessen ist, im Zentrum derartiger Streitigkeiten steht.
Beamtenrecht / Übersicht Beamtengesetze
Amtsangemessene Tätigkeit

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