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Konkurrentenschutz / müssen Beurteilungszeiträume gleich sein?

Dienstliche Beurteilungen sind die wichtigste Grundlage für die Entscheidung über die Auswahl des Beamten, der befördert werden soll.
Als Grundlage für die Auswahlentscheidung sind dienstliche Beurteilungen nur tauglich, wenn sie vergleichbar sind.
Die Gerichte sind unterschiedlicher Meinung in der Frage, in wie weit sich die Beurteilungen auf gleiche Beurteilungszeiträume beziehen müssen.
Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hält gleiche Beurteilungszeiträume nicht für unabdingbar.
Dem stehen / standen Entscheidungen anderer Gerichte gegenüber, zum Beispiel der nachstehende Beschluss des OVG NRW, der sich aber nur auf Regelbeurteilungen bezieht.
Das OVG NRW hat mit einer späteren Entscheidung (Beschluss vom 26.01.09 - 6 B 1594/08) seine Meinung zumindest in so weit modifiziert, als es bei einem Nebeneinander von Regel- und Anlassbeurteilungen keine gleichen Beurteilungszeiträume fordert. Dabei hat es auch anerkannt, dass es in einem Auswahlverfahren ein Nebeneinander von Regelbeurteilungen und Anlassbeurteilungen geben kann.
Wenn Sie in Betracht ziehen, dass wir hier verschiedene Gerichte mit verschiedenen Auffassungen zu mehreren Detailprobleme zitieren, so können Sie daran ersehen, dass es zu beamtenrechtlichen Fragen unterschiedliche Meinungen geben kann und sich Ergebnisse nicht immer vorhersagen lassen.

Der nachstehende Beschluss des OVG NRW hat bei allem also insofern nur noch eingeschränkte Bedeutung, als er nur noch für Regelbeurteilungen gelten soll. Zumindest sollte der spätere Beschluss immer mit in die Betrachtung einbezogen werden.

OVG NRW, Beschluss vom 16.12.04 - 1 B 1576 / 04

Das OVG bemängelt, eine einheitliche und nachvollziehbare Bestenauslese sei nicht gewährleistet gewesen, weil die zugrunde gelegten Regelbeurteilungen unterschiedliche Beurteilungszeiträume von einem bis zu vier Jahren betroffen hätten.
Eine Vergleichbarkeit der Beurteilungen und ihrer Gesamturteile sei damit nicht mehr in dem gebotenen Maße gegeben. Selbst wenn es im Falle der Beamten, die erst relativ kurze Zeit bei der Dienststelle tätig gewesen seien, objektiv nicht möglich sein sollte, einen längeren Beurteilungszeitraum zu erfassen, müsse die Vergleichbarkeit von Eignung, Befähigung und Leistung bei allen in die Auswahl einzubeziehenden Beamten jedenfalls auf andere Weise zumindest annähernd hergestellt werden. In Betracht komme etwa die Berücksichtigung von - die fehlenden Teile des normalen letzten Regelbeurteilungszeitraums erfassenden - Vorbeurteilungen anderer Dienststellen unter Entwicklung eines Umrechnungsverfahrens zur Angleichung der Bewertungsmaßstäbe.

Die Vergleichbarkeit der Beurteilungen ist grundsätzlich unverzichtbar dafür, dass dienstliche Beurteilungen eine taugliche Grundlage für die Feststellung von Eignung, Befähigung und Leistung im Vergleich mehrerer Beamter untereinander sind.
Die Beurteilung soll den Vergleich mehrerer Beamter ermöglichen und zu einer objektiven und gerechten Bewertung des einzelnen Beamten führen. Daraus folgt, dass die Beurteilungsmaßstäbe gleich sein und gleich angewendet werden müssen. Die Einheitlichkeit des Beurteilungsmaßstabes ist unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die Beurteilung ihren Zweck erfüllt, einen Vergleich der Beamten untereinander anhand vorgegebener Sach- und Differenzierungsmerkmale zu ermöglichen. Denn ihre wesentliche Aussagekraft erhält eine dienstliche Beurteilung erst aufgrund ihrer Relation zu den Bewertungen in anderen dienstlichen Beurteilungen.

Eine Regelbeurteilung hat sich zu Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung des Beurteilten während des gesamten Beurteilungszeitraums umfassend zu äußern und mit einem Gesamturteil abzuschließen. Um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten, muss soweit wie möglich gleichmäßig verfahren werden. Höchstmögliche Vergleichbarkeit wird grundsätzlich durch den gemeinsamen Stichtag und den gleichen Beurteilungszeitraum erreicht. Der gemeinsame Stichtag dient vorrangig dazu, durch Fixierung auf einen bestimmten Zeitpunkt Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit herzustellen. Die Einheitlichkeit des Beurteilungszeitraums soll gewährleisten, dass die Beurteilung für alle Beamten gleichmäßig die zu beurteilenden Merkmale nicht nur punktuell, sondern in ihrer zeitlichen Entwicklung erfasst. Einschränkungen dieses Grundsatzes, die sich hinsichtlich des Stichtages beispielsweise aus der großen Zahl der zu beurteilenden Beamten und hinsichtlich des Beurteilungszeitraums aus besonderen äußeren Umständen ergeben können, sind nur hinzunehmen, soweit sie auf zwingenden Gründen beruhen.

Die letzten Regelbeurteilungen der Konkurrenten um das Beförderungsamt datieren zwar sämtlich auf einen einheitlichen Beurteilungsstichtag. Die Beurteilungen beziehen sich aber auf unterschiedlich lange, zum Teil erheblich voneinander abweichende Beurteilungszeiträume. Während zum Teil nur ein Zeitraum von ca. einem Jahr erfasst wurde, erstreckte sich der Beurteilungszeitraum in anderen Fällen auf bis zu fast vier Jahre. Dies beruht auf differierenden Zeitpunkten für den Beginn des jeweiligen Beurteilungszeitraums. Die angesprochenen Unterschiede erweisen sich nicht als marginal, sondern betreffen den Anspruch auf formale Gleichbehandlung in beachtlicher Weise. Denn hier werden Erkenntnisse aus Zeiträumen miteinander verglichen, welche in manchen Fällen mehr als doppelt so lang sind wie in anderen Fällen. Es liegt auf der Hand, dass die in deutlich voneinander abweichenden Zeiträumen gewonnenen Erkenntnisse insbesondere die zeitliche Entwicklung des Leistungs- und Befähigungsstandes nicht gleichmäßig für alle beurteilten Beamten wiedergeben können.

Ob der Umstand, dass nicht alle der Regelbeurteilung unterfallenden Beförderungskandidaten während des gesamten normalen Regelbeurteilungszeitraums von drei Jahren schon bei der Dienststelle in einem Amt der betroffenen Laufbahn ihren Dienst geleistet haben bzw. nicht alle ihre Probezeit schon vorher abgeschlossen hatten, ein "besonderer äußerer Umstand" im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist, weil in derartigen Fällen "zwingend" nur die bei der aktuellen Dienststelle geleistete Tätigkeit im Rahmen einer Regelbeurteilungsrunde dienstlich beurteilt und zu Beförderungszwecken miteinander verglichen werden könnte und ggf. auch nur eine solche, die schon in einem Amt der Besoldungsgruppe A 9 außerhalb der laufbahnrechtlichen Probezeit erbracht worden ist, mag letztlich dahingestellt bleiben. Denn selbst dann, wenn hier ausnahmsweise die bei einem Teil der Beurteilten vorgenommene Verkürzung des geltenden Regelbeurteilungszeitraums von drei Jahren rein verfahrensrechtlich gesehen nicht zu beanstanden wäre, bliebe die Beförderungsauswahlentscheidung der Antragsgegnerin - materiellrechtlich gesehen - doch defizitär, weil die Auswahl in diesem (Sonder-) Fall nicht in erster Linie ausschlaggebend allein auf einen Vergleich der Gesamturteile der in Rede stehenden Regelbeurteilungen hätte gestützt werden dürfen. Denn diese Gesamturteile beruhten auf im Einzelfall nicht sachlich vergleichbaren Umständen, weil die Leistungszeiträume erheblich unterschiedlich waren.


Diesen Fehler hätte die Antragsgegnerin auf unterschiedliche Weise vermeiden können.
So hätte sie über das Mittel der Anlassbeurteilung schon im Vorfeld für vergleichbare Beurteilungszeiträume für alle zu beurteilenden "Beförderungskandidaten" sorgen können.
Sie hätte ferner bezüglich der Beamten, die erst kurze Zeit bei ihr beschäftigt sind, vorhandene Vorbeurteilungen - seien es auch solche anderer Dienststellen - vergleichend und gewichtend mit in die Auswahlerwägungen einstellen können. Es geht dabei (zumindest) um die Vorbeurteilungen, welche solche Zeiten abdecken, die an sich normalerweise mit in den fraglichen aktuellen Regelbeurteilungszeitraum hätten einbezogen werden müssen und die bei anderen Beurteilten auch einbezogen worden sind. Die Aussagen dieser Vorbeurteilungen hätte die Antragsgegnerin bei fehlenden vergleichbaren Beurteilungszeiträumen für die Beförderungsauswahl als grundsätzlich gleichrangiges Erkenntnismittel ergänzend heranziehen, die dort ausgeworfenen Bewertungen entsprechend ihren eigenen Beurteilungsmaßstäben (anteilig) gewichten und sie mit den - den dreijährigen Gesamtregelbeurteilungszeitraum der Regelbeurteilung betreffenden - Beurteilungsergebnissen der anderen Mitkonkurrenten vergleichen müssen.

Dabei mag es - z. B. bei fehlenden Gesamturteilen in Vorbeurteilungen - in Einzelfällen sogar unausweichlich sein, auch Einzelaussagen der (letzten bzw. früheren) Beurteilungen, denen bezogen auf die Kriterien der Bestenauslese ein eigenständiges Gewicht zukommen kann, auf beiden Seiten des Bewerbervergleichs in eine Gesamtwürdigung mit einzubeziehen. Ebenso kann - z. B. bei gänzlich fehlenden förmlichen Vorbeurteilungen - sich aus Gründen der Gleichbehandlung aller beförderungsreifer Beamter ein zwingendes Erfordernis ergeben, Beurteilungsbeiträge bzw. schriftliche Leistungsbewertungen früherer Vorgesetzter einzuholen. All dies gilt jedenfalls immer dann, wenn ansonsten nicht gewährleistet ist, dass - bezogen auf ein und denselben (Beurteilungs-) Zeitraum - die für eine nachvollziehbare Auswahlentscheidung nach den Grundsätzen der Bestenauslese benötigten Erkenntnisse betreffend sämtliche miteinander zu vergleichende Beamte wirklich, soweit es geht, gleichmäßig berücksichtigt und ausgeschöpft werden.

Die vorstehenden Erwägungen gründen zugleich auf die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Ausschöpfung von Erkenntnissen aus früheren Beurteilungen. Diese Erkenntnisse stellen keine bloßen Hilfskriterien dar, sondern bleiben für künftige Verwendungs- und Auswahlentscheidungen von Belang. Es handelt sich nämlich um Erkenntnisse, die über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des Beurteilten Auskunft geben. Auch wenn ihr Erkenntniswert mit jeder nachfolgenden Beurteilung in einem gewissen Maße an Bedeutung verliert - weshalb gewöhnlich der letzten dienstlichen Beurteilung ausschlaggebende Bedeutung zukommt -, können sie doch bedeutsame Rückschlüsse und Prognosen über die künftige Entwicklung in einem Beförderungsamt ermöglichen. Die daraus ableitbaren Entwicklungstendenzen können vor allem bei gleichwertigen aktuellen Beurteilungen den Ausschlag geben, haben allerdings nicht nur Bedeutung für den Vergleich von Bewerbern mit gleichwertigen aktuellen Beurteilungen.

Vor diesem Hintergrund ergibt sich ein Bedürfnis zur ergänzenden Heranziehung von Aussagen früherer Beurteilungen umso mehr, wenn die Aussagekraft der aktuellen Regelbeurteilungen unter dem Aspekt ihrer Vergleichbarkeit nicht voll gewährleistet ist. Gibt nämlich ein Teil der vorhandenen Regelbeurteilungen eine längere mehrjährige Entwicklungstendenz wieder, wohingegen dies bei einem anderen Teil solcher Beurteilungen wegen der Kürze des (individuellen) Regelbeurteilungszeitraums nicht möglich ist, kann die erforderliche Vergleichbarkeit der für die Bewerberauswahl vorrangig zugrunde gelegten Erkenntnisgrundlage - hier der jeweiligen aktuellen dienstlichen Beurteilung - (hilfsweise) allenfalls dadurch wiederhergestellt werden, dass "gedachterweise" der verkürzte Regelbeurteilungszeitraum in den betroffenen Fällen wieder auf den Normalzeitraum verlängert wird. Zu diesem Zweck sind vergleichbare andere Erkenntnisgrundlagen - wie insbesondere bereits vorhandene Vorbeurteilungen oder ggf. auch noch einzuholende "Beurteilungsbeiträge" Dritter - in dem Umfang gleichrangig mit zu verwerten, in dem sie Zeiten betreffen, die an sich in den (normalen) Regelbeurteilungszeitraum hätten einbezogen werden müssen. Ein solches Vorgehen kann sich die für die Durchführung des Auswahlverfahrens zuständige Stelle nur dann ersparen, wenn sie für alle zur Beförderung in Betracht kommenden Beamten einen im Wesentlichen gleichen Beurteilungszeitraum betreffend die in erster Linie ausschlaggebende aktuelle Regelbeurteilung zugrunde legt oder aber, falls dies aus bestimmten Verfahrensgründen nicht möglich sein sollte, für alle beförderungsreifen Beamten Anlassbeurteilungen erstellt, die dann ihrerseits von einem bei allen Beamten vergleichbaren - im Verhältnis zur Regelbeurteilung ggf. kürzeren - Beurteilungszeitraum ausgehen müssten.
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