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Ernennung zum Beamten trotz gesundheitlicher Probleme? Langzeitprognose

Hier geht es nicht darum, dass bestimmte gesundheitliche Probleme den Bewerber als nicht geeignet erscheinen lassen, weil er den Anforderungen des angestrebten Amtes aktuell nicht gerecht wird.
Vielmehr reden wir hier über die Fälle, in denen der Dienstherr fürchtet, der Bewerber könne zukünftig dienstunfähig werden, so dass er vorzeitig pensioniert werden müsse.

Neuorientierung der Rechtsprechung im Jahr 2013

Im Jahr 2013 ergab sich unter der Führung des 2. Senats des Bundesverwaltungsgerichts eine wichtige Neuorientierung im Hinblick auf die für (meistens recht junge) Bewerber um eine Einstellung als Beamter bzw. Beamtin so wichtigen Fragen:

Welcher Maßstab ist anzulegen, wenn die gesundheitliche Eignung von Bewerbern und Bewerberinnen (für eine Verbeamtung) unter dem Gesichtspunkt bewertet wird, dass die Eignung bis zum Pensionsalter möglichst erhalten bleiben soll?
Wann ist ein Bewerber gesundheitlich geeignet, wann darf er abgelehnt werden?

Die Dienstherren haben die Änderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts alsbald in Richtlinien / Rundschreiben umgesetzt.
In Hamburg finden Sie zum Beispiel in den Mitteilungen für die Verwaltung 2014, S. 52 ff., den Text eines entsprechenden Rundschreibens, welches sich an Personalabteilungen und an den PÄD richtete.
Es trägt folgende Bezeichnung seines wesentlichen Inhalts: "Änderung des Prognosemaßstabs für die Feststellung der gesundheitlichen Eignung für die Verbeamtung".

Es geht um eine längerfristige Prognose über die weitere gesundheitliche Entwicklung.

Die gesundheitliche Eignung ist eine Einstellungs- und Ernenungsvoraussetzung.
Die Dienstherren prüfen dabei nicht nur, ob der Bewerber aktuell für die angestrebte Laufbahn gesundheitlich geeignet ist, sondern sie stellen mit Hilfe von Amtsärzten oder Personalärzten auch eine Prognose darüber an, ob der Bewerber / die Bewerberin der Erwartung entsprechen wird, bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze Dienst zu verrichten. An diesem Punkt waren Bewerber bis Herbst 2013 bisweilen einer gewissen Willkür, in vielen Fällen aber zumindest undurchsichtigen Entscheidungsprozessen ausgesetzt.
Diese Praxis hat das Bundesverwaltungsgericht beendet, indem es zum einen den Gerichten die volle Nachprüfbarkeit der prognostischen Erwägungen zuspricht und zum anderen bei der Prognose andere Akzente setzt.

Die beiden wichtigsten Parameter:

1. Der Prognosezeitraum
Unverändert lässt das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsprechung zu dem Prognosezeitraum, der sich bei nicht schwerbehinderten und auch nicht gleichgestellten Bewerbern bis zum Zeitpunkt des voraussichtlichen Eintritts in den Altersruhestand erstreckt, während bei schwerbehinderten und gleichgestellten Bewerbern kürzere Zeiträume in Betracht kommen.
In späteren Entscheidungen hat das Bundesverwaltungsgericht angedeutet, dass sich auch die Gesetzgeber einmal dazu äußern könnten, ob ein anderer Zeitraum zugrunde gelegt werden soll.
Wir würden verbindliche Regelungen für schwerbehinderte Bewerber sehr begrüßen.


2. Der Prognosemaßstab (welche Umstände können durchgreifende Zweifel begründen?)
Das Gericht verändert den maßgebenden Prognosemaßstab.
Insoweit "hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr fest, wonach der Eintritt der Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sein muss".

Jetzt gilt die neue Formel:

Der Dienstherr kann die gesundheitliche Eignung aktuell dienstfähiger Bewerber nur verneinen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze Dienstunfähigkeit eintreten wird.

Das ist für alle Betroffenen immens wichtig, es ist eine Veränderung zugunsten der Bewerber.

Die wichtigen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts im Jahr 2013

Es geht um mehrere Urteile, in denen sich das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2013 mit Fragen der gesundheitlichen Eignung befasst hat. Zum einen ging es um Bewerber, die erstmals in ein Beamtenverhältnis eingestellt werden wollten, aber abgelehnt wurden, zum anderen aber auch um Beamte auf Widerruf und auf Probe, die man wegen vermeintlich fehlender gesundheitlicher Eignung aus dem Beamtenverhältnis entließ, weil man sie nicht zu Beamten auf Probe bzw. auf Lebenszeit ernennen wollte.

Das Bundesverwaltungsgericht hat sich am 25.07.13 mit zwei Fällen befasst, welche die Eignungsanforderungen an Lehrer betreffen, die Beamte werden möchten.
In der Sache BVerwG 2 C 12.11 geht es um Multiple Sklerose (Vorinstanzen: OVG Lüneburg 5 LC 190/09; VG Hannover 2 A 1621/08), in der Sache BVerwG 2 C 18.12 geht es um die sog. Scheuermannsche Erkrankung. Text der Entscheidung BVerwG 2 C 18.12 (Ernennung zur BaL trotz Scheuermannscher Erkrankung?)
Die Entscheidungen sind für die betroffenen Bewerber, deren Verbeamtung vorher abgelehnt worden war, in so weit günstig ausgegangen, als das Bundesverwaltungsgericht die Verfahren an das OVG zurück verwiesen hat.

Ein Zitat aus der entsprechenden Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts:
"Beamtenbewerber, deren Leistungsfähigkeit gegenwärtig nicht eingeschränkt ist, sind gleichwohl gesundheitlich als Beamte nicht geeignet, wenn ihre vorzeitige Pensionierung vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze überwiegend wahrscheinlich ist. Dies gilt auch für Bewerber, die einer Risikogruppe angehören oder an einer chronischen Erkrankung leiden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden und damit den bisher für die gesundheitliche Eignung zugrunde gelegten generellen Prognosemaßstab zugunsten der Bewerber abgesenkt."

Um die Frage der Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit ging es inhaltlich bei einer vom dem Bundesverwaltungsgericht am 30.10.13 verhandelten Sache. Auch hier war eine gesundheitliche Prognose Gegenstand des Streits (Klage einer Beamtin auf Probe, die zur Beamtin auf Lebenszeit ernannt werden möchte und sich gegen ihre Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe wehrt - Az. BVerwG 2 C 16.12).
Die Entscheidung finden Sie bei uns: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 30.10.13 - BVerwG 2 C 16.12 - (chronifiziertes Schmerzsyndrom)
Es folgten dann weitere Entscheidungen verschiedener Gerichte, zum Beispiel  zum Problem der Adipositas als Eignungsmangel
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